Erstkontakt: Dark Cloud
Minecraft Mystery Dungeon.
Nun sind also die ersten acht PS2-Klassiker auf der PlayStation 4 erschienen und die nächsten stehen bereits in den Startlöchern. Über den Preis kann man sich zwar streiten, doch die verbesserte Auflösung ist eine großartige Restauration vergangener Perlen. Da ich spontan Lust auf ein kleines Retro-Wochenende hatte, kaufte ich ein für mich ganz besonderes Spiel dieser unerwarteten Veröffentlichungswelle: Dark Cloud.
Was an dem Spiel so interessant ist? Es war mein erstes Erlebnis auf der PlayStation 2. Als ich mir die Konsole damals im Sommer 2002 geholt habe, war das Konto geleert. Nicht einmal das Geld für ein Spiel hatte ich übrig und musste daher auf den kommenden Geburtstag warten. Natürlich war das ein schwachsinniger Plan, aber haltet einen übereifrigen Teenager bitte davon ab, nachdem er seine Gedanken mehrere Monate im Voraus auf das Gerät fixierte.
Jedenfalls saß ich nun in meinem Zimmer mit einer praktisch nutzlosen Konsole ohne Spiel. Also schnappte ich mir die beigelegte Demo-Disk, auf der auch eine kurze Probeversion von Dark Cloud enthalten war. Keine zehn Minuten später lag mein Charakter tot am Boden eines langweilig aussehenden Dungeons. Genervt startete ich die Konsole neu und wechselte zur nächsten Demo. Schließlich war ich zu diesem Zeitpunkt die aufregend animierten Kämpfe eines Final Fantasy gewohnt und verstand nicht, wieso meine Figur plötzlich Durst bekam oder warum komplette Häuser in seltsamen Kugeln versteckt waren. Ja, ich bin wenig stolz auf meine Reaktionen zu Dark Cloud.
Jahre später erkannte ich dank des Nachfolgers Dark Chronicle endlich die Genialität dieser Serie und wollte seitdem immer mal wieder den richtigen Erstkontakt zu Dark Cloud wagen. Leider waren zu diesem Zeitpunkt die Preise bereits auf durchschnittlich 50 Euro angestiegen. Dementsprechend sind die gefragten 15 Euro der digitalen Version sogar ein kleines Schnäppchen und ich musste direkt zugreifen.
Mittlerweile habe ich an die 20 Stunden Spielzeit investiert und bin vollkommen begeistert. Dark Cloud besitzt zwar nicht dieselbe Tiefe seines stark ausgearbeiteten Nachfolgers und auch optisch sieht es selbst für einen frühen PS2-Titel recht mager aus, jedoch liegt die Faszination in der großartigen Verzahnung simpler Mechaniken begründet.
In Dark Cloud übernehmt ihr die Rolle des Jungen Toan, dessen Dorf nach der Beschwörung eines mächtigen Genies komplett zerstört werden sollte, jedoch noch rechtzeitig von einem alten Magier gerettet wurde. Dieser hat sämtliche Bestandteile der Gemeinde in verzauberte Kapseln gepackt und im nahe gelegenen Dungeon versteckt. Eure Aufgabe besteht nun darin, die Tiefen der kargen Höhle zu untersuchen, die Einzelteile des Dorfes zu beschaffen und dieses letztendlich nach euren eigenen Wünschen aufzubauen.
Im Verlauf der kaum vorhandenen Handlung entdeckt ihr weitere verschwundene Siedlungen und reist für ihren Aufbau in neue Höhlenkomplexe. Nebenher gesellen sich außerdem verschiedene Charaktere zu eurer Gruppe, zwischen denen ihr jederzeit hin und her wechseln dürft. Obwohl ihr stets dem gleichen Schema folgt, fügt Dark Cloud in regelmäßigen Abständen neue Inhalte hinzu und ermöglicht dadurch eine geradlinig verlaufende Progression. Diese Struktur spiegelt sich auch in den Mechaniken wider. Bei jedem Besuch eines Dungeons findet ihr neue Häuser, Straßen, Flüsse, Bäume oder sogar Einwohner samt wertvoller Besitztümer. Zeitgleich steigen in den Kämpfen eure Waffen allein durch ihre Nutzung auf, können mit Zusatzmodifikationen versehen und sogar in bessere Mordinstrumente verwandelt werden. Selbst wenn ihr nicht die nächste Ebene einer Höhle erreicht, fühlen sich die Erkundungen niemals wie sinnlose Zeitverschwendung an. Dark Cloud erzielt damit schon in der frühen Phasen das bekannte „Nur noch ein..."-Gefühl und hält einen so bis spät in die Nacht wach.
Die Bearbeitung der unterschiedlichen Dörfer ist natürlich längst nicht so komplex wie in modernen Spielen, aber Dark Cloud besticht durch seine Menschlichkeit. Ihr baut nicht bloß ein paar Hütten nach euren Wünschen zusammen, sondern rettet bereits bestehende Häuser sowie ihre Bewohner. Jede von diesen Personen hat seine eigene Persönlichkeit. Auch wenn sie keine tiefgründigen Motivationen besitzen oder gravierende Entwicklungen durchmachen, fühlt sich die Welt wesentlich charmanter dadurch an. Betretet eines der ersten geretteten Häuser und ihr seht eine große Hantel in der Ecke liegen. Ein Sandsack hängt im Zimmer nebenan. Zudem stehen auf den Bettenrändern kleine Miniaturgeländer eines Boxrings. Passend dazu prahlt der Bewohner mit seiner körperlichen Stärke, sorgt sich allerdings auch um seinen Bruder und ist froh, sobald ihr diesen etwas tiefer in der Höhle findet.
Solche Details lassen die Welt trotz ihrer geringen Größe, mangelnder Freiheit und grafischer Schwächen deutlich lebendiger wirken als jede Siedlung in Fallout 4. Man hört deshalb gerne auf die Wünsche der Personen und versucht, das Dorf nach ihren Vorstellungen aufzubauen. Zudem erhält man dadurch nützliche Items. Das Spiel zwingt euch nicht dazu und man kann die Bitten der Einwohner problemlos ignorieren, doch möchte man ihnen aus eigener Motivation heraus gerne helfen. Jeder Ort wird somit zu etwas Besonderem.
Die Erkundung der Dungeons gestaltet sich aus heutiger Sicht recht banal und vor allem das Kampfsystem erinnert an ein reduziertes Ocarina of Time. Jedoch geben kleinere Elemente die nötige Würze. So müsst ihr permanent auf euren Durst achten. Entweder man nimmt sich genügend Wasserflaschen mit oder springt in die zufällig verteilten Quellen. Genauso verlieren auch Waffen mit ständiger Nutzung an Wert und können nach kurzer Zeit sogar zerbrechen, falls man nicht rechtzeitig Reparaturpulver einsetzt. Da euer Inventar limitiert ist und man neben Waffenhaltbarkeit sowie Durst zusätzlich auf Zustandsveränderungen achten muss, gehört Ressourcen-Management zu den wichtigsten Faktoren in Dark Cloud. Obwohl das grundlegende Gameplay keinen Tiefgang besitzt und die zufällig erstellen Dungeons sehr karg wirken, existieren keine langweilige Momente.
Ich bin mir sicher, dass jeder seine Lieblingsspiele in Zukunft auf der PlayStation 4 sehen will. Auch mir schweben einige Schätze im Hinterkopf, die ich gerne noch einmal in höherer Auflösung erleben möchte. Doch die wahre Stärke des Services sind alle verpassten oder gar vergessenen Schätze, die wir aus den verschiedensten Gründen nie gespielt haben. Vor allem Raritäten mit abartig hohen Gebrauchtpreisen wie Rule of Rose wären in meinen Augen perfekt für die digitale Archivierung.
Mein Wochenende mit Dark Cloud hat mir jedenfalls unheimlich viel Spaß bereitet und da ihr das Ding wahrscheinlich auch gebraucht nirgends für 15 Euro ergattert, kann ich euch die PS4-Version nur ans Herz legen. Ich warte währenddessen auf den nächsten verpassten Klassiker, um ihn gemütlich nachholen zu können.