Es gibt einen Hund in Pikmin 4, aber ihr könnt ihn nicht streicheln – und was Teil 4 mit Zelda gemeinsam hat
Sollte besser Otschin 1 heißen.
“Schon wieder ein Pikmin”, dachte ich letztens noch – nur, um dann festzustellen, dass Teil 3 auch schon wieder zehn Jahre alt ist. Ich habe so langsam das Gefühl, für Serien, die erst gestartet sind, als ich schon mehr oder weniger (körperlich) erwachsen war, läuft meine innere Uhr ein wenig schneller.
Vielleicht stolperte mein Hirn aber auch nur über die Wiederveröffentlichung des dritten Spaßtaktik-Spiels auf der Switch. Wie dem auch sei, jetzt ist die Testversion hier und ich darf über meine ersten Stunden damit schreiben. Und die zeigen mir, dass es tatsächlich eine ganze Weile her ist, dass ich mit dieser Reihe Kontakt hatte.
Mich erwischte die Erinnerung daran, wie Interface–getrieben das Gameplay für einen Nintendo-Titel doch ist, ein wenig auf dem falschen Fuß. Auch, dass sich die Eröffnung durch die ersten Spieltage hindurch sehr redselig gab, bürstete mich ein wenig gegen den Strich. Pikmin 4 nimmt sich seine Zeit, mir alles zu erklären und ich muss ehrlich gestehen, dass das für einen Mittvierziger-Familienvater nach 22:00 Uhr ein bisschen viel Text war. Als ich aber erst mal Zugang dazu gefunden hatte, erinnerte ich mich direkt wieder daran, weshalb Pikmin eben doch etwas Besonderes ist: Dieses Spiel wirft einen direkt wieder in die Sandkästen der Kindheit zurück, gibt sich verspielt und eingängig wie wenig anderes und hat die Frechheit sich dabei auch noch gut anzufühlen.
Trotz der Vertrautheit macht Pikmin 4 aber auch einiges anders. So erstellt ihr erstmals einen eigenen Mini-Raumfahrer und gebt ihm einen Namen, um zur Abwechslung mal als Retter von Olimar zu fungieren – und als Rettersretter des sechsköpfigen Hilfsgespanns, das kurz vor euch auszog, um den Ur-Helden der Serie zurückzuholen. Deren Havarie kommt euch insofern zugute, als dass ihr auch sie sukzessiv an eure Seite holt und so in eurem Basislager neue Funktionen und Dialoge freischaltet.
Das Beste daran ist Otschin, den ich gerne einen halben Hund nenne, weil dieser Mix aus Beagle und Haribo-Bär statt vier nur zwei Beine hat. Ansonsten macht er alles, was Hunde auch machen: Sucht für euch Dinge oder Personen, schleppt Sachen für euch ran und greift im Garten schon mal nichts ahnende Kreaturen an. Außerdem rammt er zerbrechliche Gegenstände und Wände, auf dass auf ihnen liegende Dinge herunterfallen, und wenn ihr mögt, dürft ihr sogar auf ihm reiten. Der Haken: So süß Otschin auch ist – Streicheln ist verboten. Ein vermeidbarer Fehler, der ohne Zweifel das nächste Review-Bombardement auf Metacritic zur Folge haben wird. Abgesehen davon gibt es neue Eis-Pikmin, die Wasserflächen einfrieren können, einen Koop-Modus, der Spieler zwei allerdings auf einen Cursor reduziert, der mit Items unterstützend eingreifen kann sowie einen Versus-Modus. Den anzuschauen, hatte ich genauso wenig Gelegenheit, wie die besonders gefährlichen Nachteinsätze, die Nintendo bisher nur kurz erwähnte. Ich bin gespannt, ob sich dann endlich klärt, warum Olimar und sein pflanzliches Gefolge bisher immer bei Einbruch der Dunkelheit in der Nähe ihrer Basis verbleiben mussten.
Ansonsten scheint klar, dass Nintendo aktuell großen Gefallen findet, seine Spielenden auch mal unter die Erde zu schicken. Auch in Zelda Tears of the Kingdom ist der Untergrund ja ein spannender Aspekt und die Pikmin-4-Entwickler haben den Zelda-Kollegen am Nebentisch vermutlich das eine oder andere Mal ein bisschen aufmerksamer zugehört. Regelmäßig kommt ihr jedenfalls an Röhren, die euch in unterirdische Areale führen, in denen ihr wieder neue Gegenstände voller Glitzerium findet, das euch Zugang zu neuen Bereichen gewähren. Mein Highlight-Fund war übrigens ein bildhübscher GameBoy Advance SP, der wiederum die Frage aufwirft, warum wir offenbar wirklich auf der Erde sind, aber überall Wesen kreuchen und fleuchen, die alles andere als irdisch aussehen. Das Coole an den Exkursionen ins Erdreich ist jedenfalls, dass die Zeit hier sechsmal langsamer vergeht, was natürlich ein Anreiz ist, diese Bereiche des Spiels eher früher als später anzugehen. Smart!
Davon abgesehen, macht man unter der Erde aber weitestgehend das gleiche wie oberhalb. Ihr sammelt eure “Schwarmee” an, überlegt, wie ihr eure Talente und Möglichkeiten einsetzt, um, an Sammelkram zu kommen, der euch wiederum weiterbringt und levelt hier und da Otschin auf, um schwere Gegenstände ziehen zu können oder schneller zu sprinten, um bewegliche Gegner leichter rammen zu können. Es ist ein gemütliches Taktik-Light-Spiel mit Lust auf Geschicklichkeit und viel Gelegenheit, auch mal die Seele baumeln zu lassen und sich vorzustellen, wie die Blumen mit den roten Knöpfen drinnen wohl riechen.
Ach, was soll ich sagen: Es ist halt Pikmin, aber Otschin stiehlt den kleinen Pflanzenmännchen tatsächlich ordentlich die Schau. Überhaupt ist das Spiel mal wieder Charme-geladen wie wenig anderes, was sich schon in der perfekt-patschenden Lauf-Animation des Helden oder der Heldin bemerkbar macht. Das hört ja nicht mal dann auf, wenn die bunten Killerradieschen auf Knopfdruck in einen Blutrausch verfallen und alles niedermachen, worauf man den Crusor richtet. Es sollte eigentlich gar nicht möglich sein, das hinreißend zu finden – ist aber so, weil … Nintendo schätze ich. Mehr müsst ihr eigentlich nicht wissen, oder?