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Es ist ein Jammer, aber das furchtbar sympathische Tinykin kann mich einfach nicht fesseln

Saubersammeln statt motivierendes Erarbeiten.

Die Miniaturwelt ist liebevoll gestaltet und die Steuerung ein Traum – der sich aber im anspruchslosen Abgrasen von massig Sammelkram verliert.

Wie gewonnen, so zerronnen: Als Milo vom Planeten Aegis endlich dort ankommt, wo er den Ursprung der Menschheit vermutet, landet er zwar sicher in den 90-er Jahren, hat allerdings nur auf die Größe einer Hummel. Daher wird es ihm kein Leichtes sein, das komplette Haus samt Wohnzimmer, Flur und Bad zu erkunden, wo er ohne fremde Hilfe doch nicht mal auf eine Rolle Klopapier springen kann!

Eine schöne Prämisse, oder? Für mich ist das Nachspielen von Ant-Man oder Liebling, ich habe die Kinder geschrumpft jedenfalls ähnlich faszinierend wie Weltraumreisen oder Ausflüge nach Mittelerde. Und apropos Ameisen: Insekten sind denn auch allgegenwärtig. Sie geben Milo Tipps oder blubbern lustige Texte in Sprechblasen. Kämpfen tun sie allerdings nicht. So sehr Tinykin nämlich an Pikmin erinnert, so wenig ist es eine Art Echtzeitstrategie, bei der man kleine Helfer auf große Gegner schnipst, auf dass sie dort Schaden anrichten.

Als insektengroßer Mensch und mithilfe der Tinykin bahnt man sich einen Weg durch ein Haus der 90-er Jahre. Neue Wege erschließen sich zum Beispiel, indem man solche Fäden durchs Zimmer spinnen lässt.

Es ist vielmehr ein Plattformer, bei dem die kleinen Helfer den Weg freimachen, indem sie Leitern bilden, Kisten aufboxen oder Hindernisse zur Seite schubsen und sogar Strom aus einer Steckdose zum gewünschten Gerät leiten. Diese Helfer heißen hier Tinykin und Milo muss sie natürlich erst mal finden. Ohne sie sind in jedem neuen Zimmer zunächst viele Wege versperrt und etliche Höhen nicht erreichbar.

Und genau damit habe ich so meine Schwierigkeiten, denn es ist überhaupt kein Problem genug Tinykin zu sammeln! Man zischt auf einer Seife, die als Skateboard fungiert, über Fußboden, Tische, Stühle sowie durch eine Kloschüssel (pfui Deibel!) und sammelt Tinykin – Tinykin sowie etliche hundert Goldklumpen und weitere Sammelobjekte, die links, rechts, oben, unten, schräg drüber und irgendwo dahinter lagern. Nur schwer zu erreichen sind die nie. Das Zeug liegt einfach so rum. Und man sieht es meist auch einfach so herumliegen. Weshalb man stundenlang damit beschäftigt ist, den Bildschirm sauberzusammeln, ohne eine nennenswerte spielerische Herausforderung zu meistern. Motivation sieht anders aus.

Klar: Man muss nicht alles aufsammeln, was man hier sieht. Um alle Tinykin zu finden, muss man aber ohnehin den gesamten Raum abgrasen. Seht ihr übrigens die grünen Helfer? Man hält einfach die rechte Schultertaste gedrückt und schon bauen sie unter Milo eine solche Leiter.

Das Einzige, was das Spiel bei mir anstachelt, ist dieser zwanghafte “Ich sehe was – das muss noch weg!”-Reflex, und zwar mit einer so beständigen Penetranz, dass es mehr ein Aufreiben der Psyche ist, als dass es als Anreiz funktioniert. Nun brabbelt und knirscht es durchaus wunderbar, wenn man etwas aufliest oder zertrümmert. Allerdings wird dieser Belohnungseffekt sofort wieder untergraben, wenn man im gleichen Moment erkennt, dass man noch den rechten Tunnel mit der Box dahinter, die Pflanze darüber und was sich sonst noch dort befindet abgrasen muss, während man gleichzeitig den Schreibtisch links mit seinen Schubfächern und dem Übergang zum Terrarium sowie ein paar weitere Wege versucht im Kopf zu behalten.

Okay, die Insekten und ihre Sprechblasen sind wirklich drollig. Und meine Güte: Milo schwebt, klettert und springt dermaßen elegant durch das Haus, in dem man noch dazu ausgesprochen liebevolle Details entdeckt – von einer zwischen 3,5-Zoll-Laufwerken eingerichteten Schlafstätte bis zum zur Poststelle umfunktionierten Schuhkarton und vielem mehr. Auch das sind natürlich Belohnungen. Als Miniaturmuseum, das man übrigens hervorragend mit dem Steam Deck besuchen kann, ist Tinykin schon toll.

Es gibt mehrere solcher und ähnlicher Buden - und noch viele, viele weitere Details zu entdecken.

Man muss die kleinen Helfer nur nie überlegt einsetzen, kein einziges Mal ernsthaft darüber grübeln, mit welcher Kombination an Fähigkeiten man an den ganzen Sammelkram herankommt. Und sich schon gar nicht dabei vorsehen, in großer Höhe zu balancieren oder trickreiche Sprünge auszuführen. Dass man manche Sachen nicht auf Anhieb findet, liegt selten daran, dass sie clever versteckt sind; meist hat man nur noch nicht alle Ecken inspiziert. Wobei es dann sogar richtig nervig werden kann. Ich habe nämlich keine Lust darauf, zum bloßen Reinemachen noch mal sämtliche Winkel abzugrasen.

Tinykin - Test-Fazit

Und deshalb funktioniert das Ganze für mich nicht. So geschmeidig die Steuerung auch von der Hand geht und so liebevoll die kleine, große Welt auch gestaltet ist: Einfach nur so lange durch sie hindurchzurasen, bis sich der Ausgang öffnet, kommt kaum über den Charme einer Tech-Demo hinaus. Das pure Dabeisein ist mir zu wenig. Es gibt ja keine interessante Geschichte oder Ähnliches, das zum Weitermachen antreibt. Nun ist Tinykin ohnehin kein besonders langes Spiel. Aber selbst die wenige Zeit hätte ich lieber mit einem spannenden Abenteuer verbracht als mit monotonem, zwanghaftem Saubersammeln.

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