Es ist manchmal trashig und technisch nicht ganz auf der Höhe – lasst Trail Out trotzdem nicht links liegen!
Ganz ehrlich: Ich feiere das.
Für mich ist es Mihalych... Es ist Mihalych und es sind die vielen Kleinigkeiten, wegen denen ich mich hier ständig bei einem gedanklichen „Daumen hoch!“, auch mal mit einem großen Fragezeichen über dem Kopf, aber ganz oft vor allem bei einem breiten Grinsen erwische. Das fing damit an, dass ich zu Beginn gleich einen klar als Trabi erkennbaren Wagen namens Die Mauer vom Schrottplatz holen konnte. Es geht mir jedes Mal so, wenn ich den Namen einer von Mihalychs Konkurrentinnen lese: Frau Über! Und immer dann, wenn mein Alter Ego nach einem Sieg tanzt, neben seinem Hund auf dem Boden der Garage hockt oder zum Wechseln des Outfits in aller Seelenruhe in die Umkleidekabine latscht, bevor er mit neuen Klamotten wieder vor den Spiegel tritt.
Mit osteuropäischem Akzent und ständig einen Helm auf dem Kopf erzählt der ehemalige Stuntman, wie er sich an die Spitze des Trail-Out-Cups gekämpft hat. Darum geht’s hier nämlich: etliche fest vorgegebene und optionale Rennen abzuklappern, sieben Bosse im direkten Duell zu besiegen und ganz nebenbei noch zu erfahren, warum Trail Out das letzte Festival in Mihalychs Leben sein soll. Erzählt wird das Ganze in herrlich trashigen Filmszenen, deren Untertitel selten das Gesagte zeigen, deren Stimmen eine dramatische Betonung teils nur vom Hörensagen kennen und die sich auf eine schrecklich sympathische Art trotzdem bierernst nehmen. Ich feiere das – auf seine Art!
Nun quasselt das Alter Ego natürlich nicht ständig dazwischen. Überhaupt meldet sich der Teufelskerl im späteren Verlauf sogar enttäuschend selten zu Wort. Logisch: Unterm Strich ist Trail Out ein reinrassiges Rennspiel in der Tradition von FlatOut oder Wreckfest. Mit anderen Worten, entweder rammt man in einer größeren Arena so lange andere Fahrzeuge, bis man den letzten noch rollenden Satz Reifen unter dem Getriebe hat, oder man fährt ganz normale Wettrennen. Auch in denen spielt das Verschrotten aber eine Rolle, während man auf der Suche nach Abkürzungen durch Scheunentore rast und ganze Tankstellen zum Einsturz bringt.
Gelegentlich spielt man nicht zuletzt Fahrer-Bowling und Piloten-Dart, wo man den Wagen mit möglichst viel Karacho gegen eine kniehohe Mauer setzt, woraufhin Mihalych seinen Arbeitsplatz durch die Frontscheibe verlässt und in riesige Kegel oder in Richtung einer gigantischen Dartscheibe geschleudert wird. Ganz recht: Das ist quasi FlatOut pur.
Im Mittelpunkt stehen deshalb auch die normalen Rennen, in denen man erfreulich gut fahrbare Kleinwagen, Transporter, Trucks und andere Boliden über Dreck und Asphalt jagt. Die fühlen sich jedenfalls angenehm gewichtig an, ohne wie selbstfahrende Bretter auf die Straße genagelt zu sein. Man rast also mit viel Karacho übers Land, durch Los Angeles oder einen Hafen sowie Variationen der überschaubaren, aber gerade ausreichend zahlreichen Strecken.
Die routinierte Kameraarbeit fängt den Abbau kinetischer Energie dabei ebenso gekonnt ein wie sie hohes Tempo vermittelt, während es rechts eine Scheune zerlegt, links zwei Konkurrenten mit wuchtigen Pirouetten ins Aus segeln und energiegeladener Emo-Hardrock das innere Metronom kickt – hier geht’s zur Spotify-Playlist. Und jetzt haltet euch fest: Das Ganze wurde hauptverantwortlich von gerade mal vier Leuten unter dem Namen Good Boys und der Leitung von Johann Hirsch entwickelt!
Man merkt, dass Hirsch eine klare Vision hatte – aber auch, dass ihm kein großes Studio dafür zur Verfügung stand. Denn ohne Fehler ist sein Trail Out wahrlich nicht. Beim Beschleunigen aus dem Stand heraus legt man zudem zum Beispiel ganz oft einen Donut hin, aus dem auch gefühlvolles Dosieren des Gaspedals kaum heraus führt, weil die Vorderachse festzustecken scheint. Weiterhin gibt es etliche Bodenwellen und andere scheinbar harmlose Hindernisse, an denen die Vehikel wie Wattebällchen abheben, sowie relativ viele Situationen, in denen einem nichts anderes übrig bleibt als den sonst guten Flow zu unterbrechen und das Gefährt per Tastendruck zurückzusetzen.
Vergessen kann man zudem das Spielen per Steam Deck, auf dem Trail Out oft mit einer Bildrate von weit weniger als 30 „läuft“. Und schließlich sind da Bosskämpfe, bei denen man auf einem winzigen Areal nicht nur den eigentlichen Gegner, sondern auch dessen Handlanger verschrotten muss, die einem noch dazu das Auto kaputtschießen. Damit hatte ich leider ähnlich viel Spaß wie mit einer Matheklausur. Online-Multiplayer gibt es übrigens nicht; den will Good Boys aber nachliefern will und schon jetzt werden immerhin Splitscreen-Rennen samt Steams Remote Play Together unterstützt.
Die Sache ist: Trail Out fühlt sich einfach richtig an. Es trifft den Kern seiner klar erkennbaren Blaupause und ist aber nicht nur deren Nachbau, sondern führt ein sympathisches Eigenleben. Wusstet ihr etwa, warum die jeweils Letztplatzierten aus Eliminierungs-Rennen ausscheiden? Na, weil sie von einem Bomber mit einer Missile aus dem Wettbewerb geschossen werden!
Zu den Ideen gehört auch die so genannte Fest App, über die Mihalych Spenden erhält, oft mit amüsanten Bemerkungen versehen. Herausforderungen („Verschrotte soundso viele Gegner!“, „Kauf ein Auto!“ usw.) kann er dort ebenfalls annehmen, um zusätzliche Fans zu gewinnen. Die braucht er, um neue Autos und Strecken freizuschalten.
Nun kommen diese Fahrzeuge allerdings frisch vom Schrottplatz und wurden bereits um sämtliche Bauteile erleichtert. Motor, Reifen, Getriebe und mehr muss er deshalb vom Geld seiner Siegprämien erst kaufen, was sich hin und wieder unangenehm lange ziehen kann, aber immerhin dazu motiviert die erfreulich abwechslungsreichen Rennvarianten im freien Spiel auszuprobieren. Auch mit denen verdient Mihalych nämlich Geld und Fans.
Trail Out – Test-Fazit
Trail Out ist also eine ganz eigene Mischung aus ehrlichem Trash und spielerischer Finesse, die vor allem von guten Ideen lebt sowie davon, dass sie erstaunlich treffsicher an FlatOut erinnert. Mit viel Schwung rast man durch berstende Gartenzäune, während man der Konkurrenz einen Schubser in Richtung Streckenbegrenzung gibt oder tritt gleich zum Destruction Derby an. Zwischendurch schaut man Mihalych beim Tanzen zu, baut weitere Fahrzeuge auf und amüsiert sich wie an einem guten Filmabend bei herrlich trashigen Filmszenen. Dass das Ganze an einigen Stellen aus den Nähten platzt, weil das kleine Team Technik und Physik nicht komplett im Griff hat, fällt natürlich auf – dass es an den richtigen Stellen trotzdem zündet, ist umso bemerkenswerter. Für nicht einmal 20 Euro dürfen virtuelle Bleifüße mit destruktiven Ambitionen jedenfalls gefahrlos einen Blick riskieren!