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Es weihnachtet sehr - und plötzlich ist Dead Rising 4 ein anderes Spiel

Kontext ist alles - aber ein dickes Update ist auch nicht schlecht.

Ich geb' zu, als mich Dead Rising 4 in seiner PC-Inkarnation erreichte, war das schon ein bisschen am Thema vorbei. Das hier ist ein Weihnachtsspiel, wie es im Buche steht und wie Lethal Weapon, Die Hard und Kiss kiss, Bang bang Weihnachtsfilme sind. Die kommen im März für gewöhnlich deutlich weniger gut. Die PS4-Version, die Anfang Dezember erschien, hatte da schon weit besseres Timing. Noch dazu brachte sie den größten Patch bisher mit, der nicht nur die Version für Sony-Konsolen, sondern auch die Xbox-One- und PC-Fassungen um einen neuen Spielmodus und einige Gameplay-Verbesserungen bereicherte. Die Zeit war irgendwie reif, dem hier eine zweite Chance zu geben.

Frank's Komplettpaket, wie das Spiel in der PS4-Edition heißt, umfasst allen DLC, der bisher erschien.

Und was soll ich sagen? Es ist nicht so, dass das hier jetzt die große Liebe geworden wäre, aber ich verlebte nach dem Big-Package-Patch eine deutlich bessere Zeit in Dead Rising 4s Eingeweide-statt-Lametta Winterwunderland. Capcom Vancouver hat sich wirklich ins Zeug gelegt, den sich etwas generisch gebenden vierten Teil ein Stück mehr in die Richtung zu drücken, die man eigentlich erwartet hatte. Tatsächlich war sogar Zeit, ein paar kleine, aber feine Anpassungen vorzunehmen, die für einen reibungsloseren Ablauf und allgemein eine Prise mehr verschrobenen Spielgenuss sorgen.

Beginnen wir mit dem großen Packungsrückseiten-Feature, dem Capcom-Heroes-Modus. Hier spielt ihr normal die Geschichte durch, schaltet durch versteckte Sterne aber die Kostüme und Fähigkeiten klassischer Capcom-Helden frei. Jedes davon ist nur für begrenzte Zeit verfügbar, bevor man sich sein Kostüm an bestimmten Stellen im Spiel erneut überstreifen muss, damit man nicht ganz so übermächtig wirkt. Jedes Kostüm verleiht Frank neue Standardangriffe, aber auch ein anderes Set aus drei Spezialattacken und die Animationen versprühen viel albernen Charme. Frank West im Mega-Man-Aufzug oder als im Cross-Dress-Modus als Street Fighters Cammy ist einfach köstlich anzuschauen.

Als Mega Man schlagt ihr eine Schneise der Verwüstung in die Zombies. Zugegebenermaßen erfüllen viele der Spezialmoves dieselbe Funktion. Stets sind sie jedoch mit viel Liebe zur Vorlage umgesetzt.

Dante aus DMC, M. Bison und Ryu aus Street Fighter sind da noch die naheliegendsten, aber es wird auch skurriler, wenn sich Frank in Sissel aus Ghost Trick verwandelt oder in Morrigans (Darkstalkers) Corsage und Fledermausohren quetscht. Es sind gemeinhin gute Gags und nette Situationskomik, die sich hieraus ergeben, auch wenn das Spiel dadurch nicht massig an Substanz gewinnt - man hat schon Lust, sich noch einmal hier hineinzuwerfen, und sei es nur, um all die Animationen zumindest einmal zu sehen.

Zum ursprünglichen Release beanstandeten wir auch den Mangel an echten "Psychos". Die menschlichen Bosse ließen einfach den freidrehenden Wahnsinn und den Charakter vermissen, den man sich eigentlich erhoffte. Nun sind sie nicht nur cleverer, sondern auch mit thematisch passenden Waffen ausgestattet, die man nach Franks Triumph über sie auch seinem Inventar hinzufügen darf. Weiterhin - und auch das wird Kennern vertraut vorkommen - kämpfen nun auch ein paar menschliche Untertanen für die Maniacs, die sich in Sachen KI deutlich raffinierter benehmen als noch im Hauptspiel vor ein paar Monaten. Keine Meisterklasse in Sachen künstlicher Intelligenz, aber sie setzen Deckung und die ihnen gegebenen Mittel nun besser ein und stellen nicht nur auf dem Papier eine größere Herausforderung dar.

Er hat über Kriege berichtet, wisst ihr?

Auf ein Echtzeitelement, mit Rettungseinsätzen, die man unvollendet verstreichen lassen kann, muss man weiterhin verzichten, was nach wie vor ein Problem ist (es sei denn, man hasst dieses Feature. Zwischen Liebe und Verachtung gab es da ja nicht viel), aber immerhin kommen mit den Notrufen nun spielerisch vergleichbare Gameplay-Situationen hinzu. Leider gibt's von diesen besonderen Questlinien, in denen man sich entscheidet, versprengten Überlebenden zu helfen, nur sechs an der Zahl. Aber lieber so als gar nicht. Bei den abschließenden Eskorten dieser Missionen blitzt tatsächlich wieder ordentlich durch, weshalb es diese Reihe auf vier Teile gebracht hat.

Zu guter Letzt hat sich Capcom Vancouver auch die Steuerung noch mal zur Brust genommen. Die wirkt nun unmittelbarer, präziser und die Angriffe flutschen einfach besser, was gut ist, denn die Zombies sind gefühlt deutlich aufgeweckter und im Schwarm intelligenter als zuletzt. Es fühlt sich besser an, fordert aber auch ein, dass ihr die Kontrollen besser verinnerlicht und aufmerksamer die Übersicht behaltet.

Tonal ist es immer noch mal hier mal dort, was zugleich die größte Verfehlung, aber sicher nicht allein ein Problem von Dead Rising 4 ist. Und visuell ist es in seinen schlechtesten Momenten geradezu einschläfernd gesichtslos. Dennoch holten die maßvollen Anpassungen des neuen Patches mit etwas Verspätung endlich das annähernde Optimum aus dem im Frühjahr gelieferten Unterbau.

Zangief-Frank. Weil... warum nicht!

Gut, Fragen der Marke "warum nicht gleich so" muss man in diesem und ähnlich gelagerten Fällen einfach gelten lassen. Dennoch ist dieser Umfang der Produktpflege alles andere als selbstverständlich. Viele Publisher machen hinter Titel, die in der Kritik suboptimal aufgenommen wurden, lieber schnell einen Haken und widmen sich dem nächsten Projekt, das dann hoffentlich besser einschlägt. Hier wurde im Dialog mit der Community eifrig daran gearbeitet, dass am Ende eben doch noch ein paar mehr Leute sehr zufrieden mit ihrem Kauf werden könnten.

Am Ende muss man aber so oder so attestieren: Viel vom neuerlichen Reiz eines Dead Rising 4 ist allein auf das Timing dieser PS4-Veröffentlichung und des umfassenden Patches zurückzuführen. Vor Weihnachten, wenn die ersten Schneeflocken an warm erleuchteten und mit grünen Zweigen geschmückten Fenstern vorbeirieseln, und man einen weiteren Tag hinter sich gebracht hat, ohne Last Christmas auf die Ohren zu bekommen, machen Weihnachtsfilme und -spiele gleich doppelt so viel Spaß. Nur so als Hinweis, falls Dead Rising 4 Anfang des Jahres nach kurzem Anspielen auf euren "Pile of meh" gewandert ist.

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