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Escape Dead Island - Test

Identitätskrise.

Wie kann ein Action-Adventure mit Cel-Shading-Zombies nur so dermaßen öde sein? Geht doch eigentlich gar nicht. Und trotzdem, hier ist es.

Es kann durchaus interessant werden, wenn sich ein Publisher entscheidet, einen Ableger zu einer etablierten Spielereihe zu entwickeln. Hier hat man dann die Möglichkeit, mal ein anderes Genre oder eine andere Perspektive auszuprobieren. Ein gutes Beispiel dafür wäre sicher Halo Wars, der Echtzeitstrategieableger der Shooter-Reihe. Wenn am Ende etwas Gutes dabei herauskommt, besteht ja schließlich auch die Möglichkeit, dadurch noch mehr Spieler für die eigentliche Serie zu begeistern. Bei Escape Dead Island kann ich mir aber nicht vorstellen, dass das so funktionieren wird.

Das Spiel leidet so ein bisschen an einer Identitätskrise. Es hängt irgendwo in der Mitte zwischen Survival und Action-Adventures wie Tomb Raider oder Uncharted fest, spielt aber zu keinem Zeitpunkt irgendeine der zweifellos vorhandenen Stärken dieser beiden Seiten aus. Das ist dann auch der Grund dafür, warum Escape Dead Island letzten Endes leider recht anspruchslos ausgefallen ist.

Was geht hier nur vor?

Kurz zur Story: Das Spiel dreht sich um Cliff, den Sohn eines bekannten Medienmoguls. Um nicht nur von seinem Vater Anerkennung zu erhalten, hat er sich mit seinen Freunden Linda und Devan auf den Weg gemacht, um die Wahrheit hinter den Geschehnissen auf der Insel Banoi aufzudecken. Diese Reise führt sie aber nicht nach Banoi selbst, sondern auf eine nicht weniger tödliche Nachbarinsel.

Ehrlich gesagt ist die eigentliche Prämisse der Story nicht sonderlich spannend und ich zweifle ernsthaft daran, dass mich das Spiel langfristig zum Weiterspielen motiviert hätte, wenn es da nicht diese immer öfter auftretenden, verrückten Momente gegeben hätte. Augenblicke, in denen Cliff in einem normalen Gebäudekorridor plötzlich von einem Zugwaggon verfolgt wird. Oder wenn es am Strand aus heiterem Himmel plötzlich Dutzende schwere Frachtcontainer regnet. Solche "WTF-Momente" der Marke Lost und Co. machen definitiv neugierig. Die endgültige und dann auch ziemlich offensichtliche Auflösung des Story-Twists erfahrt ihr übrigens erst, nachdem der Abspann komplett durchgelaufen ist. Aber bereits vorher gibt es dezente Hinweise darauf, die euch auf diesen Gedanken bringen können und dann auch rückblickend durchaus Sinn ergeben.

Lebende Menschen findet ihr auf der Insel nur selten.

Aber wie gesagt: Das ist leider so ziemlich das Einzige, was euch bei der Stange hält, um dieses Abenteuer in knapp sechs bis acht Stunden abzuschließen. Ansonsten ist das Spiel nämlich recht anspruchslos ausgefallen. Die Kämpfe beschränken sich weitestgehend auf das Drücken der Angriffs- und Ausweichtasten zur rechten Zeit, allen voran im Nahkampf. Ihr müsst euch hier nicht um den Zustand eurer Waffen (zwei Schuss- und zwei Nahkampfwaffen) kümmern, was dem Spiel aber eigentlich eine zusätzliche taktische Komponente verliehen hätte. Schade drum.

Echte Probleme bekommt ihr in den Kämpfen eigentlich nur dann, wenn ihr euch zu sicher fühlt und unvorsichtig werdet oder wenn ihr gleich von mehreren Zombies eingekreist werdet. Besonders bestimmte Zombiearten - darunter Untote mit scharfen Klauen, Giftspucker oder welche, die euch anspringen - können sich als gefährlich entpuppen, sind alleine aber meist kein großes Problem. Bei Gruppen von Zombies kommt es auf deren Zusammenstellung an. Dann müsst ihr euch schon überlegen, welche Gegner ihr zuerst ausschaltet und wie ihr euch bewegt. Das ist in diesen Momenten auch bitter nötig, denn allzu viele Treffer kann Cliff nicht einstecken. Selbst Cliffs begrenzte Ausdauer, die mit jedem Schlag und Ausweichmanöver reduziert wird, sich aber nach kurzer Zeit auch im Kampf wieder regeneriert, stellt euch zumeist nicht vor größere Probleme.

Mit der Grafik geht man in Richtung Borderlands oder The Walking Dead.

Cliff hat übrigens auch die Möglichkeit, Zombies heimlich zu töten, indem er sich an sie heranschleicht. Das funktioniert in manchen Momenten sogar ganz gut, doch insgesamt bietet Escape Dead Island schlicht zu wenig Möglichkeiten, die dieses System auch sinnvoll unterstützen. Cliff kann im Freien beispielsweise nicht einmal einen klitzekleinen Vorsprung nach oben klettern, um sich auf diesem Weg leise hinter einem Gegner zu platzieren. Und auch im Inneren von Gebäuden wünscht man sich mehr Optionen für diese Art des Spielens. Mehr Luftschächte, mehr Verstecke und mehr Objekte, um Zombies an- oder wegzulocken. Das passt dann wiederum auch dazu, dass Cliff im Spielverlauf eher zum wahnsinnigen, mit Onelinern um sich werfenden Actionhelden mutiert. Da fallen dann schon mal Sprüche wie „Get some sleep, you look dead tired" oder „Let me axe you a question", während er die Untoten endgültig ins Jenseits befördert.

Als nervig entpuppt sich obendrein die Platzierung der Speicherpunkte. Wenn es euch an den wenigen schwierigen Stellen mal erwischt, etwa bei den Bosskämpfen (und besonders im letzten Kapitel), müsst ihr euch auch immer wieder die einleitenden, nicht abbrechbaren Zwischensequenzen ansehen. Da wäre es vernünftiger gewesen, den Speicherpunkt nach diesen Sequenzen zu setzen. Erlebt man das mehrmals nacheinander, wird es zur nervigen Routine.

Währenddessen führt euch Escape Dead Island an verschiedene Ecken der Insel Napapela. Und obwohl die Karte auf den ersten Blick den Eindruck ordentlicher Größe vermittelt, handelt es sich nicht wirklich um eine wirklich offene Welt. Die einzelnen Abschnitte sind zwar nahtlos miteinander verknüpft, aber abseits der vorgegebenen Wege gibt es nur sehr wenig zu entdecken - nicht, dass ihr überhaupt großartig vom Weg abweichen könntet. Ebenso wenig hilfreich ist, dass ihr bestimmte Passagen mehrfach durchqueren müsst, um einen für die nächste Aufgabe erforderlichen Teil der Insel zu erreichen oder an eine bestimmte Stelle zurückzukehren. Ihr werdet euch schnell eine Schnellreisefunktion wünschen. Wenn es wenigstens ein paar alternative Pfade gegeben hätte...

Ein Blitz und plötzlich steht die Zeit um Cliff herum still.

Mehr Abwechslung hätte dem Spiel hier sehr gut zu Gesicht gestanden und auch außerhalb der Kämpfe hätte man für mehr Beschäftigung sorgen können - mal abgesehen von verschiedenen Sammelobjekten. Am Anfang habe ich Spiele wie Uncharted oder Tomb Raider erwähnt, aber neben vorgegebenen Stellen, an denen ihr Leitern erklimmt oder ein Seil benutzen könnt, gibt es hier keine Kletter- oder Rätselabschnitte wie in besagten Titeln. Und gerade bei dieser Spielwelt hätte sich das eigentlich angeboten, um die Wege zwischen den Zielen zumindest etwas abwechslungsreich zu gestalten. Aber ihr könnt ja aufgrund unsichtbarer Mauern nicht einmal von einem klitzekleinen Hügel 50 cm nach unten springen, sondern müsst euch genau an den ein paar Meter daneben befindlichen Weg nach unten halten. So beschränkt sich Escape Dead Island letzten Endes darauf, in einem Kapitel schlicht von Punkt A nach Punkt B zu laufen und zwischendurch ein paar Kämpfe zu absolvieren.

Escape Dead Island ist so ein Spiel, das man perfekt in die Kategorie „kann man spielen, muss man aber nicht" stecken kann. Es ist nicht wirklich schlecht, es funktioniert, hat keine technischen Probleme (jedenfalls in der getesteten PC-Fassung) und dergleichen, aber es ist eben spielerisch nicht wirklich anspruchsvoll, wirkt schlicht zu beliebig und austauschbar. Das Gleiche könnte man jetzt auch über den spielerischen Anspruch von Spielen wie Telltales The Walking Dead sagen, aber um dessen Qualitäten zu erreichen, fehlt Escape Dead Island nicht nur in puncto Handlung das gewisse Etwas. Die verrückten Momente und Ereignisse auf dem Weg zum Ende machen zwar durchaus neugierig, aber wirklich fesselnd ist das Ganze dann auch nicht. Bleibt letzten Endes die Frage, für wen Escape Dead Island eigentlich wirklich gedacht ist? Und ich fürchte, ich habe keine gescheite Antwort darauf. Es ist weder als Überbrücker bis Dead Island 2 geeignet noch Action-Adventure-Fans im Allgemeinen bedenkenlos zu empfehlen. Für ein wenig kurzweiligen Spaß sorgt es zwar, aber am Ende fehlen einfach die passenden Zutaten, damit aus dem verrotteten Zombiefleisch ein saftiges Steak wird.

5 / 10

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