Europa Universalis 3
Grafica minimalis
Ha, das läuft ja wie am Schnürchen. Während unsere Truppen auf Granada zu marschieren, meldet sich der Vatikan. Ob wir denn so freundlich wären, den päpstlichen Truppen das Durchzugsrecht auf unserem Territorium zu gewähren? Klar, sind wir. Denn dank unserer weitsichtigen Diplomatie unterstützen uns die Verbände aus Rom im Kampf gegen die muselmanischen Besetzer von Granada. Und weil wir soeben einen unserer Abkömmlinge geschickt nach Portugal verheiratet haben, droht von dort auch erst mal keine Gefahr.
Währenddessen sanieren die Einkünfte aus den Kolonien in Übersee den Staatshaushalt, den der kostspielige Krieg ansonsten schnell in defizitäre Bereiche schubsen würde. So, die päpstlichen Truppen legen sich mit Granadas Verbündeten aus Marokko an und wir belagern jetzt die feindliche Stadt. Das kann locker ein Spieljahr oder mehr dauern, aber wir haben Zeit. Dauerten die Vorbereitungen für diese Aktion doch schon fast ein ganzes Jahrhundert. Wie, warum wir im Pluralis Majestatis reden? Na, weil wir der König von Kastilien sind!
Kommt Zeit, kommt Sieg
Wer Europa Universalis 3 spielen will, braucht vor allem eines: Zeit, sehr viel Zeit. Allein die Entscheidung, welches der rund 250 Länder (aufgeteilt auf 1700 Provinzen und Seezonen) man durch rund 300 Jahre Spielzeit führen will, dauert schon ein Weilchen. Von 1453 bis 1789 hat man Zeit um zu…, ja was eigentlich? Denn fest vorgegebene Ziele gibt es nicht. Es hängt viel eher vom gewählten Staat ab, was man erreichen will und kann. Mit einer der Großmächte wie Spanien, England oder Frankreich sollte man tatsächlich versuchen, die Welt zu dominieren. Kleinere Kandidaten wie Baden oder Tirol dagegen sind schon froh, wenn sie durch das eigene diplomatische Geschick nicht von einer der Supermächte geschluckt werden.
Aber wie spielt sich Europa Universalis 3 denn eigentlich? Wer schon mal näheren Kontakt mit einem der Strategiebrocken des schwedischen Paradox-Teams pflegte, weiß was auf ihn zukommt. Die meiste Zeit verbringt man vor einer weitgehend statischen Karte. Immerhin kann man die, anders als bei den beiden Vorgängern fast frei zoomen. Während die Uhr in beschleunigbarer Echtzeit weitertickt, verwaltet der Hobby-Monarch sein Reich über Schieberegler und zahlenlastige Menüs. Und dabei gilt die Regel: nur nichts überstürzen. Denn allzu abrupte Änderungen verwirren das Volk nur, die Stabilität der Regierung nimmt ab und es kommt zu unschönen Revolten. Deshalb schicken wir Händler aus, die in einem der zahlreichen Handelszentren Gold für die Krone scheffeln.
Etwas teurer, dafür auf die Dauer lohnender: Der Bau von Schiffen, oben drauf ein paar Forscher als Passagiere, die sich in die Weiten der unentdeckten Terra Incognita wagen. In dabei entdeckte Länder sendet man per Mausklick Kolonisten. Können die sich erfolgreich ansiedeln (die Chancen dazu zeigt eine schnöde Zahl im dazugehörigen Menü an), sprudeln die Einnahmen. Und irgendwann entwickelt sich die Siedlung vielleicht sogar zu einer richtigen Stadt.
Wer mag, kann sich allein mit Handel und Kolonisierung sein Reich errichten. Aber spätestens auf dem dritten der fünf Schwierigkeitsgrade wird man auch irgendwann zum Krieg gezwungen. Oder man wagt einen begehrlichen Blick auf ertragreiche Nachbarprovinzen. Wer einfach ein paar Truppen rekrutiert und ab in Richtung Schlacht schickt, hat die Rechnung ohne die komplexe Spielmechanik gemacht. Europa Universalis 3 ist wie das richtige Leben. Zuerst einmal muss man abklären, mit wem das potentielle Ziel verbandelt ist. Denn die Zahl der Bündnisse und familiären Verflechtungen (siehe unsere Staatsehe mit Portugal) sind weit verzweigt. Außerdem darf man ohne Grund nicht einfach ein anderes Land der gleichen Glaubensrichtung angreifen. Sonst leidet das Prestige gewaltig und ohne das nötige Ansehen könnten sich Konkurrenznationen versucht sehen, ihre gierigen Griffel nach dem eigenen Herrschaftsbereich auszustrecken. Einziger weltweit akzeptierter Grund für einen Krieg: Wenn eine Nation ein bestimmtes Gebiet als zum eigenen Reich zugehörig betrachtet. Welche das sind, werden bei Spielbeginn nach relativ logischen Regeln festgelegt. In unserem Fall betrachtet etwa Kastilien das nahe gelegene Granada trotz Besetzung durch die Muselmanen als rechtmäßig spanisches Gebiet.
Statische Strategie
Die Gefechte selber finden weitgehend in den Tiefen der CPU statt. Viel mehr als die aktuelle Stärke und die Aufstellung des Heeres kann man an dem winzigen Bildchen nicht ablesen. Eingreifen geht nicht. Stattdessen wartet man geduldig ab, bis eine Armee zum Verlierer erklärt wird und automatisch den Rückzug antritt. Noch langwieriger sind Belagerungen von Städten. Hier kann es locker ein, zwei Spieljahre dauern, bis die Belagerten durch den eintretenden Wasser- und Nahrungsmangel an Motivation verlieren und aufgeben. Wem die Geduld ausgeht, befielt Extra-Attacken. Die sind allerdings sehr kräftezehrend für die eigenen Truppen und bei weitem kein Garant für den Sieg.
Ein weiterer gewichtiger Grund spricht gegen allzu viele Gefechte: Armeen sind teuer und müssen unterhalten werden. Und gerade Gold ist meist knapp, finanziert man damit doch neben dem Militär auch die hauseigene Forschungsabteilung. Über mehrere, frei verschiebbare Regler erforscht man Bereiche wie Regierungsform, Handel, Produktivität und vieles mehr. Erst dadurch werden zum Beispiel neue Ideen verfügbar. So kann man am Anfang keinerlei Kolonisten losschicken. Erst wenn der Einfall »Neue Welt entdecken« frei geschaltet ist, lassen sich Forscher und Konquistadoren nach Übersee entsenden.
Und noch für etwas anderes braucht man Geld: Denn die maximal drei Berater, die der weise Herrscher an seinen Hof holt, wollen auch entlohnt werden. Dafür verschaffen die Herrschaften dem Reich Boni in verschiedenen Bereichen. Verbessert der eine die Stabilität des Landes, versorgt uns der andere mit zusätzlichen Händlern oder erhöhter Produktivität.
Ein Fall für Fans?
»Was ist denn nun neu?« fragt sich der Kenner von Teil 1 und 2. Die größte Änderung dürfte die sich völlig frei entwickelnde Geschichte sein. Gab es früher fest vorgegebene Ereignisse zu bestimmten Terminen, so entwickeln sich die Ereignisse jetzt dynamisch. Das betrifft die Lebensdauer der eigenen Monarchen (keine Panik, stirbt einer, folgt garantiert bald sein Nachfolger) genauso, wie Aufstände oder andere Ereignisse. Eins aber steht fest: Man kann sich auf nichts mehr verlassen. Europa Universalis 3 verliert dadurch ein wenig Authentizität, denn spätestens nach 50 Spieljahren sieht alles ganz anders aus als in der echten Historie. Egal ob beim Besitz von Provinzen oder den Bündnissen. Allerdings liefert Paradox einige Szenarien wie den 30-jährigen Krieg oder der amerikanische Unabhängigkeitskrieg als Spielstände mit. Dort herrschen zumindest zu Beginn dieselben Ausgangsvoraussetzungen wie im wahren Leben. Sobald das Spiel allerdings läuft, kann sich alles ganz anders entwickeln.
Daneben gibt es jede Menge kleinerer und mittlerer Änderungen an der Spielmechanik. Etwa die nationalen Ideen, die drei königlichen Berater oder die Möglichkeit, Kolonien durch Diplomatie zu entdecken. Und wer mag, kann jetzt so ziemlich jeden Aspekt des Spiels verändern. Sei es hinsichtlich der Stärken der Einheiten, Änderungen oder Aufbau der Karte: alles lässt sich verändern – den notwendigen Fleiß dazu natürlich vorausgesetzt. Ach ja: Die Grafik wurde auch »verbessert«. Sprich: Die Karte ist nur noch langweilig, nicht mehr hässlich und von den Städten gibt es eine 3D-Ansicht, die wiederum ist hässlich.
Europa Universalis 3 ist nichts für Einsteiger und selbst fortgeschrittene Strategen werden sich schnell die Zähne daran ausbeißen. Die fade Grafik macht kaum Lust auf mehr. Nur sehr geduldige Naturen werden nach und nach in die Geheimnisse der Staatsführung mit all ihren Höhen und Tiefen eindringen. Wie schon bei den beiden Vorgängern entwickelt das Spiel trotz der drögen Optik eine gewisse Faszination, die regelmäßig dafür gesorgt hat, dass ich doch wieder die halbe Nacht vor dem Rechner gesessen habe, ohne es zu merken. Und auch im realen Leben lässt es einen nicht so schnell los: Ich habe mich mehrfach dabei ertappt, wie ich in der S-Bahn etwa über einen guten Kriegsgrund gegen Österreich nachgedacht habe, ohne dabei gleichzeitig den Heiligen Stuhl in Rom zu verärgern. Allerdings ist Europa Universalis 3 noch deutlich zäher als das spannendere, weil abwechslungs- und variantenreichere Hearts of Iron 2 vom gleichen Hersteller.
Die Wertung gilt deshalb für alle, die geduldig das Handbuch (und den sehr guten Ratgeber in der Collector’s Edition) durcharbeiten und gewillt sind, die ersten zwei Wochen eine Niederlage nach der anderen zu kassieren. Denn danach zeigt das Spiel trotz Schmalspur-Optik seine Stärken und wird auf Jahre hinaus ein treuer Freund werden. Wer solch einen Leidensweg nicht mag, sollte um Himmels Willen die Finger davon lassen.
Wer ein Häppchen Hardcore-Strategie kosten will, sollte sich die Demo downloaden.