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EVE Online: "Deinen ersten Tod vergisst du nie!"

Fanfest-Auftakt in Amsterdam.

Anstatt zum jährlichen Fanfest nach Island zu laden, kommen die Entwickler von CCP Games dieses Jahr direkt zu den Fans des komplexen Space-MMO. Acht Stationen, unter anderem Sydney, Berlin und London, umfasst die EVE Invasion World Tour, die noch bis Ende November andauert und es den Machern erlaubt, ihre Fans zu treffen, die sich eine Reise nach Reykjavik leisten können oder wollen.

Zum Auftakt der Entwickler-Tournee in Amsterdam trafen sich gut 350 Hardcore-Capsuleer im Kompagnietheater, gelegen in der Innenstadt zwischen unzähligen Coffeeshops und Kneipen. Der ideale Veranstaltungsort für die zweitägige EVEsterdam-Fansause, um sich nach den Vorträgen noch gemütlich mit Entwicklern und Mitspielern bei ein paar Bieren auszutauschen. Und von der Möglichkeit wurde auch rege Gebrauch gemacht.

Schon Stunden vor dem Beginn standen die Fans vor dem Kompagnietheater in Amsterdam an, um bei dem Auftakt der EVE World Invasion Tour dabei zu sein.

Der persönliche Kontakt ist mit der am häufigsten genannte Grund, warum das nicht gerade als einsteigerfreundlich bekannte EVE Online eine hohe Anzahl sogenannter Elite-Spieler vorweisen kann. Eine Definition für Hardcore-Raumfahrer, die im Schnitt täglich vier Stunden in den Sektoren von New Eden verbringen und über 13 verschiedene Accounts verfügen.

"Wenn ich von der Arbeit komme, mache ich erst einmal den Teamchat an und rede einfach eine ganze Zeit mit meinen Freunden über Gott und die Welt, bevor ich überhaupt das Raumschiff besteige.", erklärt mir ein EVE-Spieler, der bereits seit einer Dekade aktiv dabei ist.

Ein weiterer Teilnehmer kann mir auch noch ganz genau den Moment beschreiben, in dem er vom Frischling zum EVE-Enthusiasten wurde. "Es war der Augenblick in dem ich zum ersten Mal gestorben bin und in ein paar Minuten alles verloren habe. Mein Schiff, meine Ladung, selbst mein Pod war nach einem Überfall weg und ich stand völlig hilflos da und wusste einfach nicht weiter. Da wurde ich von einem Mitspieler angesprochen, ob er mir helfen könne und er hat mich in eine Flotte aufgenommen und mir gezeigt, was es alles zu tun gibt. Ab dem Zeitpunkt gab es keinen Tag, an dem ich nicht online war. Ich bin noch oft gestorben, aber meinen ersten Tod, den vergesse ich nie."

Neben Vorträgen zu den kommenden Neuerungen und Veränderungen, standen die Entwickler auch Fragen der Spieler Rede und Antwort. Was sich nicht während der Veranstaltung klären lies, wurde abends gemeinsam in den Kneipen diskutiert.

Es ist überhaupt viel die Rede von Freundschaft und Hilfsbereitschaft, nicht nur im Spiel, sondern besonders im realen Leben. Ein durch die Bank spannender Vortrag von CCP Ghost, einem Verhaltensforscher, der bei dem Entwickler für die Spieleranalyse zuständig ist, nennt einige beeindruckende Beispiele:

Da wären die beiden Spieler, die sich nach Jahren zum ersten Mal persönlich treffen und danach gemeinsam einen Buchladen eröffnen. Die Amerikanerin, die nach einem Sturm ihr Haus verliert, Ärger mit der zahlungsunwilligen Versicherungsgesellschaft hat und erfolgreich juristischen Beistand in ihrer Freundesliste findet. Oder der Spieler, der seine in EVE Online erworbenen Kenntnisse als Weltraum-Kapitalist zum Aufbau eines eigenen Unternehmens mit Umsatz in Millionenhöhe nutzt.

Eine riesige Statue in New Eden als Respektsbezeugung für eine ganz besondere Leistung: EVE Online Mitglied Katia Sae hat alle 7805 Systeme besucht und auf der neunjährigen Odyssee nicht ein einziges Schiff verloren.

Dass es sich dabei nicht um ausgewählte, besonders herzerwärmende, Einzelfälle in der mittlerweile 16-jährigen Historie von EVE-Online handelt, bestätigen mir meine Gespräche mit einigen EVEsterdam-Teilnehmern, für die ihre Mitspieler im Lauf der Zeit zu einer zweiten Familie geworden sind. Natürlich verfügt auch EVE Online nicht über die perfekte Kuschel-Community und ein Groll gegen eine feindliche Corporation entlädt sich oftmals nach monatelanger, akribischer Planung in einem vernichtenden Schlag gegen die ungeliebte Konkurrenz.

Da werden dann in wenigen Augenblicken Raumschiffe und Ausrüstung im Wert von Millionen ISK vernichtet und der Unterlegene verliert seine gesamte, mühsam erworbene Habe. Aber so ist eben das Spiel, bei einem persönlichen Treffen sind dann alle Animositäten schnell wieder vergessen und in den Foren und Chats herrscht nur selten ein rauer Umgangston.

Bislang noch ein Prototyp zur Ansicht für die Community: Die Benutzeroberfläche in neuer Optik mit schicken Hologramm-Grafiken.

Mit ein Grund für den überwiegend respektvollen Umgang zwischen Fans und Entwicklern ist die Würdigung von Leistungen der Spieler seitens CCP. So bekommt der Spieler Katia Sae eine riesige, wirklich nicht zu übersehende, Statue seines Avatars im Weltraum erbaut. Der Grund: Katia Sae hat innerhalb von neun langen Jahren alle 7805 Systeme von New Eden und Anoikis bereist, ohne auch nur einen Schuss abzugeben oder selber ein Schiff zu verlieren. Mehr als 50.000 Bilder der epischen Odyssee findet ihr bei Interesse auf Katia's Blog.

Das Durchschnittsalter der bestehenden Fangemeinde liegt allerdings deutlich jenseits der 30 und es fehlt so manchem Spieler mittlerweile schlicht die Zeit, um den halben Tag mit den Allianzkameraden New Eden zu bereisen. Es müssen also neue Mitglieder rekrutiert werden, damit der Schwund kompensiert werden kann.

Bevor es aber zu der Faszination für das Spiel überhaupt kommen kann, gilt es für Interessierte erst die verdammt hohe Einstiegshürde, die einiges an Frusttoleranz erfordert, zu überwinden. Trotz stetig überarbeiteten Tutorials, die Neu-Capsuleers behutsam in die riesige Welt einführen sollen, schreckt viele die extreme Komplexität des MMO ab und der erste, meist überraschende Tod ist dann eben nicht der Einstieg, sondern das endgültige Ende einer Karriere als EVE Online-Spieler.

Creative Director Bergur 'CCP Burger' Finnbogason arbeitet mit Hochdruck daran, dass komplexe MMO für Neueinsteiger zugänglicher zu machen.

Die prekäre Situation ist natürlich auch dem Entwickler-Team um den Creative Director Bergur "CCP Burger" Finnbogason bekannt und es sind laut seiner Aussage tiefgreifende Änderungen geplant. So steht eine vollständige Überarbeitung der Benutzeroberfläche an, die selbst von hartgesottenen EVE-Fans als längst überfällig bezeichnet wird. Statt unübersichtlicher Befehlsleisten in schmuckloser Tabellenkalkulations-Optik, soll in Zukunft ein Dock mit Hologramm-Symbolen alle verfügbaren Optionen an einem Ort zusammenfassen. Ein Flotten-Finder sowie strukturierte Einstiegsmissionen erleichtern den Zugang und über den neu gestalteten Menüpunkt Agency werden virtuelle Helfer aktiviert, die New Eden-Neulingen auf den ersten Schritten ihrer Wunschaufgabe als Ressourcen-Sammler, Forscher, Pirat oder Händler begleiten.

Elite-Spieler mit gewöhnungsbedürftiger Pickelhaube und Bienenumhang-Kombination: Die EVE Online Community muss man einfach mögen.

Hilfsbereite Veteranen werden im Spiel noch mehr Möglichkeiten bekommen, als Mentor Neulingen das Leben zu erleichtern. Es muss ja nicht gleich eine Einladung zur Flotte oder Aufnahme in eine Corporation sein, oftmals reicht es schon, über den Chat eine willkommene Starthilfe zu geben. Wenn ein Anfänger in der Sackgasse steckt, kann der freundliche Helfer bald einfach den direkten Link zu der gesuchten Aktion senden und so ohne lange Erklärungen zeigen, welchen Knopf man drücken muss, um beispielsweise das Schiff sicher in den Orbit eines Asteroiden zu bringen.

Neben den bereits eingeführten "Skills On Demand", bei denen Spieler sich Fertigkeiten gegen In-Game-Währung erkaufen können, ohne diese zeitintensiv zu erlernen, sollen bis zum Ende der Tour etliche weitere Verbesserungen angekündigt werden, die das Spielerlebnis in EVE Online für Einsteiger zugänglicher machen und auch endlich mehr Frauen für das zu 95 Prozent deutlich männerdominierte MMO begeistern sollen. Ich bin aufrichtig gespannt, welchen Masterplan die Isländer in der Hinterhand haben.


Entwickler/Publisher: CCP Games / CCP GamesErscheint für: PC- Geplante Veröffentlichung: 25. Mai 2019 - Angespielt auf Plattform: PC

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Ulrich Wimmeroth Avatar
Ulrich Wimmeroth: Mag Rollenspiele und Ego-Shooter, sammelt Retro-Konsolen und nutzt seinen PC hauptsächlich zum Schreiben über Spiele. Und für Strategie natürlich. Und das seit Dekaden.
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