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Everlight: Elfen an die Macht

Deutscher Junge im Wunderland

Mögt Ihr Kerzen? Ich mag es, mit ihrem zerronnenen Wachs zu spielen. Damit kann man in einem Lokal ganze Abende verbringen. Melvin, der Titelheld, findet Kerzen nicht so interessant, aber weil es gerade Hunde und Katzen regnet, geht er trotzdem in einen Kerzenladen und trifft auf einen wahrlich schrägen Typen. Der zaudert dann auch nicht lange und attestiert, dass Melvin ganz großartige, magische Kräfte habe. Und nur wenige Sekunden nach dem Spielstart wird der etwas spleenige Teenie Melvin in eine Zauberwelt geschickt.

Tags so, Nachts ganz anders

Dort, genauer gesagt in der kleinen, idyllisch-mittelalterlichen Stadt Tallen, soll er eine Art magischen Selbstfindungstrip hinter sich bringen und dabei nicht weniger als seine größten Ängste überwinden und nebenbei das Dorf aus einer misslichen Lage befreien. Gemeint sind nicht die Gartenzaun-Streitereien der alten Leute, mit denen Ihr in den ersten Spielminuten zu kämpfen habt, sondern die Verwandlung in ein Nest voller Wahnsinniger, die Tallen nach jedem Sonnenuntergang durchmacht.

Nach einer etwas zähen Startphase, in der man etwas orientierungslos einfach mal die Welt erkundet und kleinere Rätsel löst, dürft Ihr zwischen Tag und Nacht wechseln. In der Nacht treiben es die Tallener bunt. Alte Omis werden zu gefährlichen Nymphomaninnen, friedfertige Hippie-Bräute schießen magische Geschosse auf Kapitalisten-Ausbeuter, mucksmäuschenstille Postbeamte verfallen in einen Amok-Wahn und sogar süße Hündchen kläffen einem plötzlich als hüfthohe „Werpudel“-Bestien entgegen.

Die Stadträte von Tallen sind nicht die Allerhellsten.

Die Charaktere von Everlight sind dabei detailliert ausgearbeitet. Da ist zum Beispiel der skrupellose Kapitalist (der in der Nacht zum Bettler wird), der ausgebeutete Postbeamte (der im Mondschein nach Blut dürstet), der brummige Einsiedler (der abends allzu materiellen Freuden fröhnt) oder der redliche Schmied (spielender Suffkopf). Sie alle sind logisch aufgebaut und einigermaßen tiefgängig, aber sie haben auch alle eines gemeinsam: Sie sind nichtsdestotrotz wenig originell.

Alle bis auf Fenny, Melvins Wegbegleiterin über die gestochen scharfen Renderhintergründe. Fenny ist eine vorlaute kleine Elfe mit Tattoo, die gerne mal bissige Kommentare abgibt und selten das Erwartbare sagt – was aber andererseits schnell dazu führt, dass man genau das erwartet. Ein seltsames Dilemma.

Melvin, wach auf!

'Hallo, ich bin der Melvin' ist wohl gerade erst mit dem Stimmbruch fertig. Oder so!

Wenn man einfach nur etwas seichte Unterhaltung typisch-deutscher Machart will, dann wird das aber kein großes Gewicht haben. Wer das mag, wird trotzdem über die offensichtlichen Anspielungen auf die Echtwelt lachen – über die Kinder, die mit zerfetzt aussehenden Designerklamotten rumlaufen, über alte Menschen, die über den Schatten eines Baumes streiten und über die Elfin, die den Protagonisten nach Strich und Faden verarscht.

Woran Everlight wirklich krankt, das ist Melvin. Der kleine Harry Potter-Verschnitt zeigt einfach zu wenig Kontur. Exemplarisch dargestellt: Man stelle sich Guybrush Threepwood in der Scumm Bar von Melee Island vor, wie er bei den drei Piratenmeistern vorspricht und sagt „Ich möchte Pirat werden, ODER SO.“. Das klappt nicht! Melvin tut das. Er benutzt diese unsägliche „oder so“-Phrase hin und wieder und verstärkt damit noch den Eindruck ein passiver, antriebsloser Hauptcharakter zu sein.