Everspace 2 ist, als hätte jemand ein Diablo 4 nur für mich gemacht – und es kommt schon nächste Woche raus!
Loot, das guttut.
Ich mochte Diablo schon immer. Auf die “Einmal-die-Kampagne-durchspielen”-Art des dreckigen Casuals, der ich in Sachen langlebiger Min-Maxer-Spiele nun mal bin. Ich mag Loot, durch das die Monster schneller umfallen, wenn ich Knöpfe drücke. Ich mag, wenn sie nach dem Knöpfedrücken noch mehr Loot liegen lassen und die nächsten Monster noch schneller umfallen. Und ich mag die räudig-kränkelnde Atmosphäre des ersten, zweiten und wohl auch vierten Diablos (auch, wenn ich dessen Beta noch nicht gespielt habe). Aber irgendwie schaffte mich die vergängliche Kurzlebigkeit der Ausrüstung in dieser Sorte Spiel aber auch immer ein bisschen.
Am Ende läuft es für mich wohl darauf hinaus: Ich fühle mich durch den starken Fokus auf die Build-Optimiererei immer auch ein wenig wie auf der Arbeit. Prinzipiell fehlt mir wohl einfach die Geduld für alles, was zu sehr mit Zahlen zu tun hat und ab einem gewissen Punkt, den man überschreiten sollte, sofern einem das Gemetzel noch etwas abverlangen soll, ist das bei Diablo immer so. Oder fühlte sich zumindest für mich so an. Dann war in der Regel Schluss zwischen mir und diesem technisch und kreativ gesehen oft meisterhaften Monster-Massaker. Zugegebenermaßen oft nicht ohne Wehmut. Das ist allein meiner persönlichen Präferenz geschuldet und vollkommen okay so. Man kann nicht alle Spiele lieben.
Nun ist es ja aber nicht so, dass es nicht eine Menge Alternativen gäbe. In den vergangenen Jahren und Monaten im Early Access wurde mir klar, dass Everspace 2 von Rockfish aus Hamburg im Grunde exakt das ist, was passiert, wenn jemand ein neues Diablo nur für mich entwickeln würde. Und das Spiel erscheint nun Ende nächster Woche endlich in seiner finalen Form, auf die ich mich sehr freue.
Auf den ersten Blick bedeutet “ein Diablo nur für mich”, dass es fast gar nicht mehr ist wie Diablo, das muss ich gestehen. Man steuert keinen Krieger mehr, sondern ein Raumschiff, das man durch offene Sternensysteme fliegt, wie in Freespace oder so. Zwischen den Missionen gibt es Motion-Comic-Filmchen, die eine leichte Space-Oper erzählen und natürlich macht man all das vollkommen allein. Aber der Geist von Diablo spukt eben doch durch die Gerippe zerborstener Großkampfschiffe und ausgehöhlter Asteroiden, die diese Sektoren mit dem Nachlass eines großen Krieges füllen. So sind aktive Zauber und Skills nun Ausrüstung am Schiff selbst, und passive Fähigkeiten werden durch die Spezialisierungen eurer in der Basis verbleibender Gefolgsleute abgebildet, die ihr gegen Rohstoffe steigert. Je nachdem, wie ihr auf- und ausrüstet, tut euer Flieger unterschiedliche Dinge besser oder schlechter.
Neue Rüstungen nehmen die Form frischer Schiffe an. Handgemachte Story- und Nebenquests schippern euch an zufällig generierten Ereignissen und Gegneransammlungen vorbei, die man regelmäßig viel ausdauernder auf Loot und andere Belohnungen abklopft, als man eigentlich vorhatte. Immer und immer wieder vergisst man komplett, worum es in der Geschichte eigentlich geht, weil einem das Drumherum so viel Spaß macht und der Hunger nach Levels und neuer Ausrüstung unermesslich wird. Ja, Rockfish hat sich wirklich die guten Sachen des klassischen Loot-Spiels rausgepickt und sie passgenau auf ein Weltraumspiel übertragen.
Ich gebe zu, zu Beginn tat ich mich ein wenig schwer, mit Everspace 2. Als altes Wing-Commander-Kind hielt ich im Vorfeld weder die Maus-und-Tastatur-Steuerung, die diesem Titel klar am besten steht, noch die sechs Freiheitsgrade in der Bewegung für irrsinnig attraktiv. Uns wurde damals von Star Wars und Co. nun mal eingebläut, dass sich Raumschiffe auch wie Flugzeuge im Weltraum bewegen. Das ist natürlich Humbug, weil man sich im luftleeren Raum schwerlich Gedanken um aerodynamische Vorgänge machen muss. Aber es prägte schlicht nachhaltig unser Bild davon, wie Weltraumkämpfe auszusehen haben. Hier läuft es oft auf Circle-Strafing hinaus, nur dass der “Circle” ein Ball ist, an dessen Innenseite ihr euch bewegt.
Es hat eine Weile gedauert, aber als ich mich das erste Mal so richtig in den Early Access hineinkniete, klickte es irgendwann und mittlerweile gelingen mir auf diese Weise irrsinnig elegante Manöver. Auch, weil Rockfishs Weltraum niemals leer zu sein scheint. Immer treibt genug Schrott oder Geröll durch den Raum, und andere Dinge, die man gern während der eigenen Laser-Show umtanzt oder taktisch smart in seine Moves einbindet. Heute würde ich Everspace 2 nicht mehr anders spielen wollen als mit Maus und WASD entlang aller erdenklichen Achsen, auch wenn ich natürlich auf die Steam-Deck-Anpassung gespannt bin, die im Sommer zeitgleich mit den Konsolenversionen folgen soll.
Selbstverständlich bin ich mir im Klaren, dass ein Everspace 2 vermutlich auch seine härtesten Fans in der finalen Version nicht Hunderte oder Tausende Stunden beschäftigen wird, wie ein Diablo 4. Die respektablen 30 Stunden, die Rockfish allein für die Kampagne angedacht hat und sich durch Nebenquests und -beschäftigungen noch mal deutlich steigern lassen sollen, sind aber so schon ziemlich substanziell. Vor allem aber habe ich nicht das Gefühl, dass mich Everspace 2, wenn es dann so weit ist, mit derselben, oben erwähnten Wehmut verabschieden wird, die sich bei mir fast immer bei Diablo einstellt. Die rührt in erster Linie vom Gefühl her, so vieles unerledigt gelassen, ja, etwas verpasst zu haben.
Ein Spiel, das zweifellos irgendwann selbst eine klare Grenze ziehen wird, die mir signalisiert: “Schon okay, wenn du gehst, war schön mit dir!” Ich sagte ja schon: Wie für mich gemacht eben.
Entwickler: Rockfish Games – Publisher: Rockfish – Plattformen: PC, PlayStation 5, Xbox Series S/X – Release: PC am 06. April 2023, Konsolenversionen Sommer 2023 – Genre: Space-Shooter, RPG – Preis (UVP): knapp 50 Euro, im Xbox Game Pass enthalten