Evolve: Von Menschen und Monstern
Modi, Mini-Kampagne und Bots: Neues, direkt von den Turtle Rock Studios.
„Wir möchten, dass der Spieler seine Rolle findet, seinen ganz persönlichen Favoriten wählt und sich als Jäger oder Monster perfektioniert", erklärt mir Chris Ashton, Mitbegründer der Turtle Rock Studios und Design Director des Koop-Shooters Evolve. Kurz nach der „Big Alpha" - mehr zum Alpha-Test lest ihr in unserer Vorschau zu Evolve - hatte ich die Gelegenheit zu einem Lokaltermin in Kalifornien. Gespräche mit den Entwicklern und vor allem ein durchzockter Tag standen auf der Agenda. Ob ich meine Rolle gefunden habe, welche Spielmodi zum Start im Februar 2015 verfügbar sein werden und wie es nach 10 Stunden Dauerfeuer um meine Motivation steht, erfahrt ihr jetzt.
Mangelnde Erfahrung kann man den Mannen aus dem Westen der USA nicht unterstellen. Mit Counterstrike Zero und Left 4 Dead haben die Turtle Rocker bewiesen, ansprechende Multiplayer-Kost zu servieren und mit frischen Ideen zu schmücken. Der letzte Beitrag liegt mit Left 4 Dead 2: Sacrifice allerdings auch schon vier Jahre zurück und seitdem wird kräftig an dem asynchronen Vier-gegen-einen-Shooter Evolve gebastelt. Das Spielprinzip in aller Kürze: Der Planet Shear soll von Menschen besiedelt werden, aber die heimische Fauna scheint von der Idee wenig begeistert. Das äußert sich nicht nur in angriffslustigem Kleingetier, sondern vor allem in den Attacken mächtiger Monster, die es auf die unerwünschten Kolonisten abgesehen haben. Also schickt man Jäger in Vierer-Teams in das Gebiet, um der Bedrohung Herr zu werden. Der Spieler wählt entweder die Seite der Jäger und dort einen Charakter aus den vier Klassen Medic, Trapper, Assault und Support oder - und das ist ein Novum - geht als Monster ans Werk.
Das Spiel ist auf kurze, knackige Kämpfe ausgelegt. In dem bereits in der Alpha spielbaren Modus Hunt muss es den Jägern gelingen, das Monster zu erlegen, bevor es durch Nahrungsaufnahme erst seine Panzerung auflädt und dann die nächste Evolutionsstufe erreicht. Töten sie es nicht, bevor es die dritte Evolutionsstufe erreicht, besitzt das Biest dann die Kraft ein lebenswichtiges Energie-Relais der Menschen zu zerstören. Das Ziel des Monsters: Alle vier Jäger ausschalten oder sich so lange der Jagd zu entziehen, bis es mächtig genug ist, erwähntes Relais zu demolieren. Angereichert wird das futuristische Katz- und Mausspiel durch den Erwerb von Fertigkeitspunkten zur Steigerung von Angriffsfähigkeiten und in der Spielwelt verteilte Buffs und Perks. Ein Beispiel: Damit sich der Spieler des Monsters nicht einfach solange in dem hintersten Winkel der Karte versteckt, bis er in Ruhe die höchste Stufe der Evolution erreicht hat, verraten aufgescheuchte Vogelschwärme den Jägern seinen Aufenthaltsort. Mit ein wenig Glück hinterlässt ein gefressener Minisaurier des lokalen Wildlebens einen Buff, der die Vögel seltener zum Standortverräter werden lässt.
Und die wilde Hatz macht sowohl aufseiten der Jäger als auch in der Rolle des Monsters gehörig Laune. Ich habe mich zuerst als affenartiger Goliath und dann als schwebendes Tentakelmonster Kraken versucht und bin mit der Taktik, gleich zu Beginn das Menschen-Team todesmutig zu attackieren, großartig gescheitert. Hat man es mit einem eingespielten Team zu tun, das seine Rollen mit den entsprechenden Fähigkeiten strikt einhält, endet man zügig als Monster-Kadaver. Zurückziehen, aufpowern und vielleicht einen von der Gruppe getrennten Jäger angreifen und konsumieren: Das scheint der Schlüssel zum Erfolg. Aber so spaßig die kurzen, in der Regel kaum zehn Minuten überschreitenden Einsätze auch sind, ein wenig mehr Auswahl darf es schon sein. Und dafür scheint im kommenden Jahr gesorgt.
Nest, Rescue und Defend sind weitere Spielmodi, die den galaktischen Jagdausflügen mehr Abwechslung verleihen. In Nest sind auf der Karte sechs Monstereier verteilt, welche die Jäger zerstören müssen, bevor sie selbst dem evolutionsbereiten Monster zum Opfer fallen. Der Twist: Als Monster kann man ein Ei ausbrüten und sich so einen durchaus schlagkräftigen Verbündeten zur Seite holen, der automatisch den nächsten Jäger attackiert. Taktische Entscheidungen auf beiden Seiten bestimmen über Sieg und Niederlage. Greift man als Jäger die zähen Monsterembryos in der Gruppe an oder trennt man sich um Zeit zu sparen? Zieht man sich als Monster von der Verteidigung der eigenen Brut zurück, bis man genügend Stärke angesammelt hat, und wartet dann an einem Ei geduldig auf die Jäger?
Bei Rescue handelt es sich, wie der Name des Spielmodus schon andeutet, um eine Rettungsmission, bei der die Jäger fünf von neun gestrandeten Kolonisten vor dem Monster in Sicherheit bringen sollen. Auf Seiten des Monsters sind dann fünf getötete Menschen das Ziel zum Sieg. Die Kolonisten sind in zwei Gruppen zu zweit und einer Gruppe zu fünft auf der Karte zu finden, die Entscheidung fällt so immer erst bei dem letzten Einsatz. Zu Beginn werden für die Modi Hunt, Nest und Rescue zwölf unterschiedliche Karten zur Verfügung stehen, was für die gebotene Abwechslung sorgt. Der bislang letzte bekannte Modus mit dem Namen Defend verfügt dagegen über vier eigene Schauplätze. Hier ist das Ziel, zwei Generatoren und ein Transportschiff der Menschen vor anstürmenden Monsterhorden zu verteidigen. Ganz im Tower-Defense-Stil errichtet und repariert ihr automatisch schießende Geschütztürme, die die Gegner dezimieren. Als Jäger gilt es, den ablaufenden Countdown bis zum Start des Schiffs zu überleben und die unfreundlichen Bewohner Shears daran zu hindern, bis zur Startrampe zu gelangen. Als Monster, das nur in diesem Modus gleich in der dritten Evolutionsphase startet, ist das Ziel natürlich, den Weg für die Monster-Minions freizumachen und den Jägern das Leben zu erschweren.
Spannend: In dem Modus Evacuation werden die einzeln anwählbaren Spielmodi unter einem Dach zu einer Kampagne zusammengefasst. Über einen Zeitraum von fünf (Spiel-)Tagen soll der Planet evakuiert und so viele Kolonisten wie möglich gerettet werden. Zu Beginn erfolgt immer ein Hunt und der fünfte Einsatz ist grundsätzlich Defend. Über die drei weiteren Einsätze der Kampagne wird demokratisch per Mausklick abgestimmt, zwei Modi stehen zur Auswahl und jeder der fünf Spieler kann seine Stimme abgeben. Aber Evacuation ist viel mehr als nur eine bloße Aneinanderreihung von bekannten Spielbestandteilen. Nach jedem Abschnitt wird für die Seite des Gewinners ein erheblicher Bonus ausgegeben.
Ein Beispiel: Wurde in einem Spiel ein Damm zur Erzeugung von Energie erfolgreich verteidigt, gibt es im nächsten Abschnitt elektrisch aufgeladene Zäune, die das Monster behindern. Wurde der Damm zerstört, ist die nächste Karte überflutet, was die Jäger in der Bewegung erheblich behindert. Zwar verfügen diese alle über Jet-Packs für kurzfristige Höhenflüge, aber auch einen sehr begrenzten Energievorrat. Und noch eine Besonderheit zeichnet den Evacuation-Modus aus: Nach jedem Match bekommt der Verlierer einen Bonuspunkt, der es dem Gewinner schwerer macht, erneut ein Spiel für sich zu entscheiden. Dieses Balancing-Modell sorgt dafür, dass der Frust sich in Grenzen hält und sich einzelne Spieler nicht frühzeitig aus der gut eine Stunde dauernden Mini-Kampagne verabschieden. Das wäre auch schade, zwar übernimmt die künstliche Intelligenz von Evolve den freien Platz, aber das Teamgefühl, das von den Entwicklern beschworen wird, leidet extrem. Zudem wird auch erst nach Abschluss aller fünf Missionen ein Topf mit angesammelten Erfahrungspunkten verteilt.
„Wir waren überrascht zu erfahren, dass es Spieler gibt, die bei Left 4 Dead nicht einmal online waren." So beginnt Chris Ashton seinen Kommentar zu der geplanten Solo-Kampagne. Ich persönlich bin über diesen Fakt nicht ganz so überrascht. Unzulängliche Netzanbindung, unangenehme Zeitgenossen und einfach der Wunsch, erst einmal das Spiel zu beherrschen, bevor man sich dem Spott einer gnadenlosen Online-Gemeinschaft aussetzt, sind durchaus nachvollziehbare Gründe, zumindest eine Zeit lang ohne menschliche Mitspieler auszukommen. Dem kommen die Entwickler von Turtle Rock entgegen und werden eine Kampagne zur Verfügung stellen, die ohne eine stetige Internetverbindung auskommt. In aller Ruhe kann man sich in die unterschiedlichen Rollen der Jäger oder als Monster einleben und gegen Bots, anstatt fluchende Unbekannte, antreten. Dabei stehen die bislang bekannten Monster Goliath und Kraken sowie alle zwölf Jäger zur Verfügung. Während des Spiels die Rollen zu wechseln und auf Knopfdruck die Steuerung einer anderen Jäger-Klasse zu übernehmen, wird auch möglich sein.
Es brauchte ein wenig Zeit, aber nach den ersten zwei Evacuation-Durchläufen hat mich das Evolve-Fieber dann gepackt. Erst wirkte der Kampf hektisch und aus meinem fast panischen Knöpfedrücken - immerhin stehen dem Monster vier Attacken, den Jägern zwei Waffen und zwei Fähigkeiten zur Verfügung - wurde langsam so etwas wie eine erkennbare Strategie. Egal ob als Monster oder als Jäger, der Anreiz zur Spezialisierung ist gegeben. Ich habe auch meine Rolle gefunden und obschon ich den Heiler bislang immer gemieden habe wie der Teufel das Weihwasser, ist die Klasse des Medic in Evolve derart facettenreich gestaltet, dass ich gerne mit Heilkräften und Scharfschützengewehr meinem Team den Rücken gestärkt habe. Turtle Rock verspricht, nach dem Erscheinen neue Karten kostenlos zu liefern, zusätzliche Charaktere und Monster werden wohl im Kauf oder via Season-Pass erhältlich sein. Die Auswahl zum Start, mit zwölf landschaftlich abwechslungsreichen Maps, bislang zwei bekannten Monstern (ein drittes sollte bald kommuniziert werden) und je drei Jägern pro Klasse, bietet aber bereits eine ordentliche Spannbreite.