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Evotinction im Test: Roter Alarm im futuristischen Stealth-Action-Thriller

Gehacktes aus China.

Steuerung und Übersicht lassen zu wünschen übrig. Dafür ist die Stealth-Action erfreulich anspruchsvoll.

Ich hatte Evotinction überhaupt nicht auf dem Plan, als es ein paar Tage vor Release in meinem Postfach auftauchte. Und ich sag‘ mal so: Es lag nicht an seinem Namen, dass ich es mir daraufhin genauer angeschaut habe. Die Mische aus Evolution und dem Aussterben einer Art hat für mein Empfinden eher den Charme eines Zaunpfahls als den eines cleveren Gedankenspiels.

Allerdings werde ich bei Stealth-Action schnell hellhörig – umso mehr, wenn sie in einem futuristischen Szenario angesiedelt ist. Immerhin erwacht man als Thomas Liu in einer Einrichtung, deren Personal verschwunden ist, während vollautomatische Drohnen in den verlassenen Räumen Patrouille schweben. Ein Virus namens RED steht dahinter und um herauszufinden, was genau geschehen ist, schleicht der in einer Art Raumanzug steckende Dr. Liu an diesen Wachen vorbei, hackt die Drohnen oder schaltet sie per Elektroschock aus.

Außerdem beantwortet er in kurzen Pausen Fragen nach seiner Identität. Geführt wird er dabei von seiner persönlichen Drohne, die auf den Namen Oz hört... Wer bei alldem nicht nach wenigen Minuten schon so halbwegs auf den Trichter kommt, der hat mit Science-Fiction sonst vermutlich nicht viel zu tun. Aber Trichter oder nicht: Die Geschichte ist interessant und das Mysterium darum, was genau in der Station geschehen ist, hält sie lange frisch. Es gibt sogar ein paar überraschende Momente, sodass ich den roten Faden als durchaus unterhaltsam empfand.

Hören und sehen

Trotzdem steht das Schleichen und Hacken natürlich klar im Vordergrund, auch wenn das Hacken in Evotinction nichts mit Programmieren zu tun hat. Es ist vielmehr eine Sammlung von Programmen, die man über mehrere Meter hinweg aktiviert, um patrouillierende Drohnen vom Bewegen abzuhalten, ihre visuelle oder akustische Wahrnehmung abzuschalten oder sie in eine andere Richtung zu drehen, damit man hinter ihnen entlang schleichen kann.

Besser noch: Es gibt direkt aneinander gekoppelte Drohnen und sollte eine von denen gehackt werden, bekommt die andere das sofort mit. Worin da der Vorteil liegt? Den findet man dort, wo man einer solchen Drohne auch einen Virus einpflanzen kann, um allen mit ihr verbundenen die Sicht zu nehmen oder sie anderweitig zu manipulieren.

Evotinction im Test: Vielseitige Stealth-Action aus China

Liu kann sich außerdem in Überwachungskameras einklinken, um sich einen Überblick zu verschaffen, und Drohnen durch das Auslösen von Rauchmeldern ablenken. Denkt nur daran, vorher nicht ihre „Ohren“ abzuschalten. Abgesehen davon nutzt Liu Gadgets, mit denen er an beliebigen Positionen ein Hologramm von sich aktiviert oder über holografische Wände einen Sichtschutz erschafft.

Es geht also darum, die Umgebung möglichst geschickt zu nutzen, um nicht gesehen zu werden oder danach wenigstens schnell wieder zu verschwinden. Denn es gibt nicht nur die regulären Patrouille-Drohnen. Auch eine Art Geschützturm und andere Geräte stehen ihm im Weg, während er versucht RED zu stoppen.

Aktives und passives Hacken

Ach, und er hat übrigens stets nur begrenzt Zeit, einen Hack auszuführen, da das System irgendwann Alarm schlägt. Zusätzlich registriert das Netzwerk ganz allgemein jeden fremden Eingriff und blockiert irgendwann jeden weiteren Zugriff. Um es daraufhin wieder zu öffnen, müsste man einen Computer finden, an dem man die Log-Dateien des aktuellen Bereichs löschen kann. Cool natürlich, dass das möglich ist! Besser wäre es aber, die Hacks schneller durchführen.

Wie das gehen kann? Nun, zum einen kostet jeder Hack eine bestimmte Anzahl an Sekunden und die variiert je nach Programm sehr deutlich. Die Entscheidung darüber, welche Manipulation man zum Weiterkommen wirklich braucht, spielt daher eine große Rolle. Die zum Hacken benötigte Zeit hängt außerdem von der Entfernung zum Ziel ab, weshalb geschicktes Anschleichen oder Warten ebenfalls hilfreich ist.


Evotinction ist sowohl auf Steam als auch im PlayStation Store erhältlich, wo es sowohl eine PS4- als auch eine PS5-Version gibt. Der Preis beträgt knapp 30 Euro. Falls ihr überlegt, das Spiel auf Steam Deck zu spielen, würde ich euch davon allerdings abraten. Die Bildrate sackt dort selbst bei niedrigsten Einstellungen in den Bereich der 20-er und mitunter sogar noch weiter ab.

  • Steam
  • PlayStation Store (PS4)
  • PlayStation Store (PS5)

  • Zum anderen kann man die zum Hacken benötigte Zeit aber auch verkürzen, indem man im richtigen Augenblick eine bestimmte Taste drückt. Denkt an das aktive Nachladen in Gears of War und entsprechenden Nachahmern, denn genau so funktioniert das hier. Es verleiht den Zugriffen eine aktive Komponente und damit zusätzliche Spannung.

    Diese Möglichkeit des Verkürzens muss man allerdings erst freischalten, weshalb an dieser Stelle nicht zuletzt das Upgrade-System greift. Dadurch wird zudem aufmerksames Erkunden belohnt, da man viele der zum Ausbau notwendigen Ressourcen als Sammelobjekte in der Umgebung findet. Manche Hacks und Gadgets werden natürlich an bestimmten Punkten der Geschichte freigeschaltet. Andere muss man sich aber eben selbst erarbeiten und einige können zusätzlich in mehreren Stufen noch erweitert werden.

    Hier zu viel, da etwas wenig

    Das alles ist nicht perfekt! Die HUD-Informationen sind mitunter so zahlreich und überladen, dass Übersicht verlorengeht, und ganz allgemein lässt sich am Geschehen nicht immer schnell genug ablesen, was genau gerade passiert. Hin und wieder ist die Aufgabenstellung schließlich nicht ganz klar und besonders die Einführung ist den Entwicklern – das chinesische Indie-Studio Spikewave Games – leider nicht gelungen.

    Dass viele Mechaniken zum Beispiel nur kurz beschrieben werden, ist denkbar ungünstig, wenn ein Großteil davon ein wenig anders funktioniert als in herkömmlicher Stealth-Action. Will man Drohnen etwa lautlos von hinten ausschalten, dann ist das zwar möglich. Dass man dafür allerdings exakt auf den Strichcode an ihrer Rückseite schauen muss und das aber nicht über den Zoom durch eine Überwachungskamera funktioniert, habe ich erst nach frustrierend langem Tria-and-Error herausgefunden.

    Abgesehen davon haben sich ein paar Kleinigkeiten ins Programm geschlichen, die den guten Eindruck immer wieder trüben. So kann sich von Oz gesprochener Text mit anderen Sprachaufzeichnungen überlagern, weil Letztere dann nicht automatisch pausiert werden. Außerdem ist die Taste zum Abschalten einer Kamera dieselbe, mit der man auch ins Bild hineinzoomt.

    Und dann sind da noch Bosskämpfe, die zwar nicht am laufenden Band geschehen, aber leider das Schleichen ad acta legen und zum größten Teil auf reine Action setzen – noch dazu die einer eher sperrigen Sorte. Mich hat das an die erste Ausgabe von Deus Ex: Human Revolution erinnert, als es noch kein „Director’s Cut“ im Titel trug, in der das ebenfalls der Fall war.

    Alles in allem gefällt mir die vielseitige Stealth-Action in Evotinction aber, da man mit recht zahlreichen Hacks und Gadgets sowie Elementen in der Kulisse clever an den Drohnen und anderen Wachen vorbeischleichen kann. Mich erinnert das auf einer anderen Ebene auch an Clandestine, bei dem ein anderes Independent-Studio ebenfalls ungewöhnliche Stealth-Action mit interessanten Ideen inszeniert hat, ohne damit aber in Konkurrenz zu Deus Ex, Dishonored oder Metal Gear Solid zu treten.

    Evotinction im Test – Fazit

    Ich kann Evotinction vor allem Spielern empfehlen, für die Stealth-Action nicht nur dieses eine Level in Call of Duty ist, und die bereit sind, hochklassige Produktionswerte gegen ein experimentelles Flair zu tauschen. Der erzählerisch vertraute Science-Fiction-Trip sieht ja nicht schlecht aus! Vor allem habe ich aber meinen Spaß mit dem Ausprobieren verschiedener Hacks und mit der Spannung, die entsteht, wenn man bei einem verbockten Hack entdeckt wird und geistesgegenwärtig Fehlerkorrektur betreiben muss, indem man zum Beispiel die Sprinkleranlage über drei anrückenden Drohnen aktiviert. Falls euch so etwas reizt, dann macht ihr mit Evotinction jedenfalls viel weniger falsch als der etwas platte Titel vielleicht vermuten lässt.

    Evotinction
    PROCONTRA
    • Vielseitige Stealth-Action um den Einsatz verschiedener Gadgets bzw. Hacks
    • Relativ umfangreiches Erweitern der Fähigkeiten
    • Vertraute, aber unterhaltsame Geschichte
    • Besonders eingangs einige schlecht erklärte Funktionen
    • Mitunter unübersichtliche, sich überlagernde HUD-Informationen
    • Bosskämpfe mit dröger Action statt cleverem Schleichen

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Benjamin Schmädig Avatar
Benjamin Schmädig: Für ihn ist WipEout 2097 der Grund, aus dem es Videospiele gibt – aber auch Indiesachen, Shooter sowie fast alles, das mit Weltraum zu tun hat. Sucht gute Storys, knackige Herausforderungen und freut sich, wenn die grauen Zellen nicht unterfordert werden.

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