Skip to main content

ExoCross im Test: iRacing in einer weit, weit entfernten Galaxie

Technik, die leider nicht begeistert.

Obwohl Technik und Physik grundsätzlich stimmen, ist ExoCross eine enttäuschend dröge Aneinanderreihung sich stark ähnelnder Rennen und Herausforderungen.

„Was ist eigentlich aus DRAG geworden?“ Das hatte ich mich vor einigen Wochen erst gefragt. Denn nachdem ich mir den Early-Access-Titel gleich zu seiner Veröffentlichung ansah, hatte sich dort anschließend sehr lange nichts getan. Doch dann stieß ich darauf, dass Simulationsspezialist iRacing das deutsche Studio Orontes Games gekauft hat, um das fertige Spiel unter dem Namen ExoCross zu veröffentlichen…

… was deshalb interessant ist, da iRacing bis dahin nur als Plattform für virtuellen Motorsport bekannt war, nicht aber als Publisher beziehungsweise gar Entwickler flotter Arcade-Racer – tatsächlich in der Mehrzahl, denn auch die Macher des exzellenten Circuit Superstars entwickeln gerade ein Spiel unter diesem Label. Und damit haben die Vorstöße von iRacing eins gemeinsam: Es handelt sich in beiden Fällen sehr wohl um Arcade-Titel, die allerdings auf eine glaubwürdige Physik setzen und den Geist des Motorsports sehr ernst nehmen.

Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass ExoCross gar nicht auf der Erde spielt, sondern auf einem Planeten namens Proteus. Dort wurden kleine Stücke zwar asphaltiert und andere mit metallenen Hochkurven verstärkt, im Wesentlichen zieren dort allerdings unbelassene Natur und ein paar plattgewalzte Schotterbahnen das Bild. Weshalb man in ExoCross mit geländefähigen Boliden unterwegs ist: ebenso wuchtige wie langgezogene Maschinen mit großer Bereifung an gewaltigen Federn.

Und das alles wird eben durch aufwändige Physik in ein glaubwürdiges Fahrverhalten übertragen. Wobei ich sagen muss, dass sich die Wagen viel zu leicht anfühlen. Mag sein, dass das in Anbetracht des grazilen Rumpfs der Logik entspricht. Es hat nur leider zur Folge, dass die Vehikel auch an kleinen Hindernissen schnell zu einer Pirouette über die Querachse ansetzen.

Hinzu kommt, dass sie sich relativ leicht ineinander verhaken – oder aneinander „kleben“ bleiben, so ganz sicher bin ich mir da nicht. So richtig cross im Pulk durch das Geländer ackern funktioniert trotz des Namens daher nicht. Was auch daran liegt, dass man schon bei kleinen Ausflügen abseits der Schotterpisten auf ärgerliche Begrenzungen trifft: eine Art Laserschranke, die erst sichtbar wird, wenn man sie schon fast erreicht hat, um einen beim Durchfahren sofort auf die Strecke zurückzusetzen.

ExoCross im Test: Eine Art Rallye auf einem fernen Planeten.

Echter Fahrspaß wollte sich bei mir deshalb nicht einstellen. Anstatt die coole Physik zu genießen, schiebt man den Wagen wie auf Eierschalen um den Kurs. Man will ja weder einen Kontrahenten noch eine Unebenheit touchieren, damit das grazile Gefährt ja nicht aus der Balance gerät und dabei gar in einer Lichtschranke abrupt zum Stehen kommt.

Nun ist das alles besser als es im Early Access noch war! Meiner Erinnerung nach flog man da viel schneller ab und vor allem fielen die Räder schon bei kleinsten Berührungen von der Achse. Das mag realistisch sein, macht in einem flotten Rennspiel aber keinen Spaß. Jetzt verfärben satte Zusammenstöße lediglich die Schadensleiste, um erst nach dauerhafter Bearbeitung echte Schäden auszulösen und damit zurückgesetzt zu werden. Das geht in Ordnung.

Versteht das nicht falsch. Grundsätzlich ist das Fahrverhalten richtig gut, da man die Maschinen mit dem gefühlvollen Einsatz von Gas und Bremse sehr präzise um die Kurse lenken kann – was mich übrigens an Flatout: Ultimate Carnage erinnert, das vor kurzem erst ein Update erhielt, mit dem der Klassiker auch auf Steam Deck hervorragend spielbar ist. Nur fällt gerade bei diesem Vergleich auf, wie viel besser das mehr als 15 Jahre alte Spiel diese Art Fahrphysik mit rabiaten Rad-an-Rad-Duellen kombiniert. Und gegen diese wuchtige Dynamik fühlt sich ExoCross, bei dem schon kleine Fehler mit Drehern, Überschlägen und Ausbremsen bestraft werden, wie ein dröges Geduldsspiel an.

Hinzu kommt die Tatsache, dass sich die meisten Strecken zu wenig unterscheiden, da der gezeigte Teil von Proteus weitgehend unbebaute Steppe ist und sich die Streckenführungen über weite Teile ausgesprochen ähnlich sind. Kein Wunder, dass die Karriere eine viel zu knappe Aneinanderreihung weniger Rennen und damit viel zu schnell vorüber ist – mal ganz davon abgesehen, dass das alles mit dem Charme einer Tabellenkalkulation präsentiert wird. Nicht einmal der vielleicht gut gedacht Retro-Soundtrack passt für mein Empfinden dazu, weil er weder das extraterrestrische Szenario noch die Wucht der Boliden einzufangen weiß.


ExoCross ist sowohl für PC als auch auf jeweils beiden aktuellen PlayStation- und Xbox-Systemen in den digitalen Stores der Plattformbetreiber zum Preis von knapp 40 Euro erhältlich.

  • Steam
  • PlayStation Store
  • Xbox Store

  • Wo ExoCross immerhin auftrumpft, ist bei der Anzahl und Vielfalt kurzer Herausforderungen: Zeitfahrten mit unterschiedlich engen Vorgaben für Gold-, Silber-, und Bronzemedaillen, die abseits der regulären Rennstrecken ausgetragen werden. Wenn ich das richtig sehe, haben die Entwickler nämlich sehr weitläufige Schauplätze erschaffen, auf denen sie nach Lust und Laune Kurse abstecken können. Ausgerechnet dort hilft es natürlich wenig, dass die Fahrzeuge über kleinsten Hindernissen schnell abheben, aber grundsätzlich ist das cool. Und es gibt selbstverständlich auch einen Online-Modus. Mehr als das Warten auf potentielle Gegner habe ich dort allerdings nicht erlebt.

    ExoCross im Test – Fazit

    Wisst ihr, warum es so schade ist, dass ExoCross trotz der guten grafischen und besonders physikalischen Basis sowohl spielerisch als auch inhaltlich enttäuscht? Weil mich die Wagen mit ihren frei über der langen Schnauze eingehangenen Motoren an jene aus Stunt Car Racer erinnern. Ich hatte wirklich gehofft, dass ein gutes Spiel daraus wird! Aber wenn man die Boliden ständig nur mit Samthandschuhen anfassen darf und auf offensive Rad-an-Rad-Duelle lieber verzichtet, war die Luft bei mir viel zu schnell raus. Die kurze, staubtrockene Karriere tat ihr übriges und die vielseitigen Zeitrennen konnten auch nichts daran ändern. Mehr als ein gelungener Proof of Concept ist ExoCross damit leider nicht. Vielleicht kann Orontes Games die glaubwürdige Physik bei seinem nächsten Spiel für iRacing ja in ein stärkeres Spiel einbringen.

    ExoCross
    PROCONTRA
    • Zahlreiche kurze Herausforderungen auf sich ständig ändernden Kursen…
    • Schicke, selbst auf Steam Deck erfreulich flüssige Kulissen und Fahrzeuge
    • … aber sich untereinander stark ähnelnde und auch in sich sehr gleichförmige Strecken in Kampagne
    • Vehikel fühlen sich unangenehm leicht an und verhaken sich unnötig schnell ineinander
    • Staubtrockene und sehr kurze Kampagne
    • Enttäuschender und seltsam unpassender Retro-Soundtrack

Schon gelesen?

Benjamin Schmädig Avatar
Benjamin Schmädig: Für ihn ist WipEout 2097 der Grund, aus dem es Videospiele gibt – aber auch Indiesachen, Shooter sowie fast alles, das mit Weltraum zu tun hat. Sucht gute Storys, knackige Herausforderungen und freut sich, wenn die grauen Zellen nicht unterfordert werden.

Informationen zu unserer Test-Philosophie findest du unter "So testen wir".

Verwandte Themen