Exoprimal im Test – Vergesst, was ich in der Vorschau geschrieben habe: Exoprimal macht mächtig Laune
Habt einen super Tag!
Vielleicht erinnert ihr euch ja, wie skeptisch ich war: profane Dino-Action sowie eine seltsame Mischung aus PvP und PvE, bei der zwei Teams jeweils für sich Checkpunkte abklappern, um dort ein paar Urechsen zu töten… Als ich Exoprimal vor ein paar Wochen gespielt habe, wollte der Funke partout nicht überspringen. Inzwischen weiß ich allerdings, dass das einen ganz bestimmten Grund hat – und dieser Grund spielt im fertigen Exoprimal zum Glück keine Rolle mehr.
Es lag ganz einfach daran, dass Exoprimal menschliche Mitspieler durch Bots ersetzt, falls das Matchmaking keine Mitstreiter findet. Nur kann davon, gerade so kurz nach Release, selbstverständlich keine Rede sein. Und eins kann ich euch sagen: Als ich am Wochenende dann endlich wie vorgesehen in einem und gegen ein Team menschlicher Spieler angetreten bin, da hat dieser zuvor vermisste Funke auf einmal ein ordentliches Feuer entfacht.
Ich will Exoprimal gar nicht gewaltiger erscheinen lassen, als es ist. Die Geschichte um plötzlich auf der Erde auftauchende Dinosaurier, die aus riesigen Zeitreisekugeln buchstäblich vom Himmel purzeln, ist für mein Empfinden kaum der Rede wert und dreht sich um die schrecklich klischeehaften Mitglieder einer Patrouilleeinheit. Zu allem Überfluss bekommt Ace, das im Editor zusammengebastelte Alter Ego, keinen einzigen Ton über die Lippen, weshalb es sich nur mit angestrengter Mimik durch mal mehr, mal weniger kurze Zwischensequenzen grimassiert.
Keine Sorge, ich komme gleich zum eigentlichen Spiel. Fürs Verständnis müsst ihr aber noch wissen, dass das Flugzeug dieser Einheit auf einer Insel strandet, wo eine KI namens Leviathan sowohl Ace als auch neun weitere Gestrandete auf zwei fünf Personen große Teams verteilt und anschließend Dinosaurier durch die erwähnten Zeitlöcher vom Himmel fallen lässt. Leviathan testet damit die Fähigkeiten der Kämpfer, wobei sie die Teams nicht nur gegen die Saurier, sondern auch gegeneinander antreten lässt.
Für beide geht es also darum, die vorgegebenen Checkpunkte am schnellsten abzugrasen, und weil sie das jeweils in dem gleichen Level, aber in verschiedenen Dimensionen tun, kommen sie sich dabei nicht mal in die Quere. Nach jedem Checkpunkt erfährt man zwar, ob man schneller oder langsamer als die Konkurrenten ist, und sieht auch ein paar Sekunden lang deren Silhouetten. Direkt interagieren kann man mit denen aber nicht.
Erst im finalen Abschnitt, wenn Leviathan beide Teams in dieselbe Dimension teleportiert, treffen sie aufeinander und dürfen sich gegenseitig beharken. Je nach Mission müssen sie dann mal ähnlich wie in Overwatch ein Vehikel sicher ans Ziel geleiten, mal bis zu drei Kontrollpunkte besetzen, mal Ressourcenkanister auflesen, mal lediglich weitere Checkpunkte abklappern und mal einen riesigen Hammer aufheben und aufladen, um auf dem Weg zum Ziel so schnell wie möglich verschiedene Barrieren zu durchbrechen.
Die Variation in diesen letzten Abschnitten tut gut – man kann aber auch darauf verzichten und die PvP-Abschnitte vor dem Aktivieren des Matchmakings komplett abwählen. Variation findet man dann ja immer noch. Freilich ändert sich am grundlegenden Ablauf wenig, allerdings purzeln bald größere Gegnerwellen sowie Dinos mit trickreichen Fähigkeiten vom Himmel, sodass man stets alle Hände voll zu tun hat. Und so profan das klingen mag: Wenn erst mal buchstäblich Tausende von ihnen aus besonders großen Dimensionstoren fallen, dann ist es auch einfach verdammt cool, sie in einem furiosen Schlachtfest aus dem Leben zu „wischen“.
So fühlt es sich jedenfalls an, wenn man mit einem Hieb gleich ein Dutzend Saurier erledigt, mit einer Granate in die Luft befördert oder in einer Gravitationsblase gefangen hält, um anschließend einen Laser mittenrein zu feuern. Viele Fernwaffen verursachen nämlich Bereichsschaden, was sie zu äußerst befriedigenden Anti-Echsen-Werkzeugen macht. Je nach Charakter hantiert man dabei mit Granaten, einem Schwert, ähnlich wie Reinhardt mit einem breiten Schild oder mit Energiegeschossen, die Mitstreiter heilen und Gegnern Schaden zufügen.
Wobei „Charakter“ nicht ganz stimmt, denn tatsächlich spielt man stets dieselbe Figur. Ace schlüpft lediglich in so genannte Exosuits, die über jeweils eigene Waffen, Fähigkeiten und auch Bewegungsarten verfügen. Der eine beherrscht etwa das schnelle Ausweichen, der andere verschießt stattdessen einfrierende Eiswürfel, während der nächste hoch über dem Geschehen schwebt.
Wenn man einen Exosuit benutzt, schaltet man dabei nach und nach Module frei, mit denen man seine Fähigkeiten stärken beziehungsweise individualisieren kann. Das geschieht natürlich in der Basis zwischen den Einsätzen und ist für mich ein großer Anreiz, mich noch intensiver mit meinen Lieblings-Kampfanzügen zu beschäftigen. Immerhin lassen sich die Eigenschaften dieser Module in fünf Stufen weiter steigern, wofür man im Kampf und aus Lootkisten erhaltenes Geld benötigt. Obendrauf gibt es zudem eine Reihe allgemeiner Module, die man nicht nur in einem speziellen, sondern jedem der Suits verbauen kann.
Zu guter Letzt entscheidet man sich für eins von sechs weiteren Bauteilen, Rigs genannt, zu denen unter anderem eine starke Waffe sowie ein kurzzeitiger Schild zählen. Und selbstverständlich gibt es auch hier zahlreiche Verzierungen, die man zum größten Teil mit im Spiel verdientem Geld, zum Teil aber auch mit echter Währung kaufen kann. Exoprimal drängt einem diese optionalen Kaufoptionen, darunter ein Battle Pass, zum Glück nicht auf. Gut sichtbar sind sie aber allemal.
Exoprimal wurde sowohl digital als auch in physischer Form veröffentlicht. Letzte ist unter anderem bei Amazon und Saturn erhältlich, wobei im Fall der Xbox-Fassungen wie üblich beide Versionen enthalten sind. Die Preise liegen bei jeweils knapp 60 Euro.
- Amazon – PS5
- Saturn - Xbox
- Spannender PvP-Wettstreit in einem kooperativen PvE-Spiel
- Charaktere ergänzen sich auf ebenso bekannte wie sinnvolle Art
- Motivierendes Aufrüsten und Individualisieren der Exosuits
- Teils massig Dinosaurier, durch die einige Attacken wie Butter gehen
- Geschichte, Charaktere und auch die Kulissen sind eher zweckmäßig
Wichtig ist für mich, dass ich mit allen Exosuits bisher viel Spaß hatte, und deshalb sehr motiviert bin sie weiter aufzurüsten. Wobei die Motivation auch aus einer ganz anderen Richtung kommt, denn das Teamplay funktioniert richtig gut, sprich die Fähigkeiten der verschiedenen Anzüge ergänzen sich über weite Strecken sehr sinnvoll. Wobei übrigens beliebig viele Suits des gleichen Typs im selben Team starten dürfen.
Nehmt etwa den flinken und verdammt mächtigen Nahkämpfer Zephyr, der nur leider schneller auseinanderfällt als ein Kartenhaus. Hat man jedoch mit zum Beispiel Skywave einen Support im Team, der ihn ständig heilt, weil er zehn Meter über dem Geschehen schwebt und ihn deshalb stets schnell genug erreichen kann, dann kann das eine mächtige Kombo sein. Und falls die Zusammenstellung des Teams – oft ist man ja mit mindestens einem Random unterwegs – nicht ganz stimmig ist, dann wechselt man einfach den Anzug. Das kostet zwar ein paar Sekunden, ist aber jederzeit möglich.
Spätestens, wenn es im letzten Abschnitt gegen die konkurrierende Mannschaft geht, lohnt sich so ein Umstellen, denn was gegen die von Leviathan herbeigerufenen Echsen funktioniert, hat gegen menschliche Spieler mitunter keine Chance. Oft ist es deshalb auch ratsam, sich den Dominator für die letzten Momente einer Partie aufzuheben. Die hatte ich noch gar nicht erwähnt? Das sind besonders mächtige Dinosaurier, darunter ein T-Rex, die man aus einem Dimensionstor zerrt, um sie anschließend selbst zu steuern.
Nun stehen die Dominatoren nicht jederzeit zur Verfügung, sondern müssen von Leviathan erst bereitgestellt werden. Meist gibt es so einen oder zwei davon pro Match beziehungsweise Team und der Spieler, der sie aufsammelt, kann sie anschließend zu einem beliebigen Zeitpunkt herbeirufen. Er sollte also wissen, wann es am wirksamsten ist, die menschlichen Gegner damit zu stören.
Ihr merkt schon: Dieser ständige Wettstreit mit dem anderen Team, das Tauziehen um ein möglichst flottes Beseitigen der Dinos – das ist es, worum sich Exoprimal dreht. Und ich muss zugeben, dass ich das zwar gewusst, aber partout nicht erkannt habe, wie wichtig es für die Dynamik des Spiels sein würde. Was auch daran liegt, dass es an den Checkpunkten nicht nur darum geht, fünf- bis zehntausend Kreidezeitler zu beseitigen. Leviathan verlangt vielmehr das Erledigen ganz bestimmter Spezies.
Während man also mit einer Meute Saurier ohnehin schon alle Hände voll zu tun hat, muss man eigentlich den riesigen Triceratops legen, der irgendwo dahinter wütet. Und mit dem Gedanken an die ständig tickende Uhr, weil das andere Team ja gerade genau das gleiche tut, ist man quasi immer im Wettkampffieber und entsprechend stark darum bemüht, möglichst effektiv zu spielen. Es ist PvP ohne den Stress der direkten Konfrontation – umso mehr, wenn man die finale Phase komplett abgewählt hat.
Exoprimal im Test – Fazit
Oder man formuliert es genau umgekehrt: Exoprimal ist halbwegs entspannte kooperative PvE-Action, die durch den indirekten Wettstreit mit einem gegnerischen Team viel Schwung generiert. Gerade wenn man sich mit bis zu vier Freunden als Team abspricht, ist das erstaunlich unterhaltsam – viel unterhaltsamer als es die Bilder und Videos mit tausenden Dinosauriern vor eher zweckmäßigen Kulissen vermuten lassen. Dafür, dass man in Exoprimal wie in jedem anderen Koop-Shooter stets das Gleiche macht, sind die Einsätze sogar angenehm abwechslungsreich und entwickeln sich zumindest im Verlauf der Kampagne stets weiter. Was danach kommt? Capcom verspricht zusätzliche Inhalte, darunter besondere Herausforderungen, neue Module und Rigs, Exosuit-Varianten sowie frische Dinosaurier. Und was ich noch Mitte vergangener Woche nicht gedacht hätte: Ich freue mich richtig, dass aus dem vermeintlich ulkigen Mix ein so rundes Spiel geworden ist, bei dem das Ende der Fahnenstange noch gar erreicht scheint.
Exoprimal | |
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PRO | CONTRA |
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