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F1 2020: Die virtuelle Formel 1 nimmt es jetzt persönlich

Gründet euer eigenes Team. Und was sonst noch neu ist.

Die Sportwelt ruht. Egal welche Sportart eine Pause macht, im Normalfall gibt es einen anderen Sport, der in der Zeit stattfindet. Im Moment ist das anders, Covid-19 legt alles lahm. Bisher. Die Bundesliga steht vor dem Neustart und die Formel 1 plant ebenso ihre Rückkehr, was indes noch ein Weilchen dauert. Das alles passiert nach aktuellem Stand nahezu zeitgleich mit der Veröffentlichung von F1 2020.

Ein Nachteil oder eher ein Vorteil für das Spiel? "Das Interesse ist viel höher und dieses Momentum bleibt hoffentlich erhalten", sagt Game Director Lee Mather. F1 2020 profitiert seiner Ansicht nach von einer gesteigerten Aufmerksamkeit, die kompetitive Spiele - ob FIFA oder Call of Duty - derzeit erhalten. Und das ändere sich so schnell nicht. Gleichzeitig ist er überzeugt von Codemasters' Gesamtpaket in diesem Jahr. Im Mittelpunkt steht hierbei vor allem der neue Modus My Team.

Es ist eine Art deutlich erweiterter Karrieremodus - den es weiterhin gibt -, in dem ihr ein elftes, euer eigenes Formel-1-Team erstellt. Ihr verpasst ihm einen Namen, legt die Farben des Wagens und der Outfits fest, nehmt Fahrer unter Vertrag und befasst euch mit der allgemeinen Verwaltung des Rennstalls. Kurz gesagt: Es kommen eine Reihe von Management-Aspekten hinzu. Dinge, die das tägliche Leben eines Rennstalls und die Weiterentwicklung betreffen.

Dieses Jahr erstellt ihr euer eigenes Team.

Schickt ihr zum Beispiel einen Fahrer zum Training und nicht zu einem Sponsorentermin, reduziert sich unter Umständen die Menge an Geld, die ihr durch Letztere einnehmt. Umgekehrt könnte die Moral einer eurer Abteilungen sinken, wenn euer Fahrer nicht mit den Leuten dort interagiert. Alles hängt ein wenig zusammen und wenn eure Abteilungen motiviert sind, profitiert ihr am Ende von zusätzlichen Daten und schnellerer Arbeit.

Und wie viel Arbeit in den jeweiligen Gebäuden und Abteilungen steckt, lässt sich veranschaulichen. "Als wir McLaren besuchten, waren sie einfach unglaublich stolz, uns alles zeigen zu können", erinnert sich Mather. "Die Größe, die Raffinesse und all die Arbeit, die in diese Anlagen fließt, haut dich echt um. Der Spieler bekommt dies ebenso zu sehen und wenn du eine Level-3-Fabrik errichtest, hast du einen Platz für Sponsoren, für die Teamfarben. Es ist einfach eine schöne Art, alles zu präsentieren."

Anders gesagt, macht My Team F1 2020 in der Theorie zu einem noch persönlicheren Erlebnis. In der Theorie, weil der Modus in der Preview-Version des Titels noch nicht verfügbar ist. Aber es ist euer Team, es sind eure Entscheidungen. Ihr baut alles auf, verwaltet alles. In einem festgelegten Rahmen. Bei den Mustern für Fahrzeuge habt ihr zum Beispiel Einschränkungen, die Farben lassen sich individuell festlegen.

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"Die Sponsoren sind fiktiv", erklärt Mather. "Das gab uns die Freiheit, eine Vielzahl davon zu implementieren. Du brauchst dir dann keine Gedanken darüber zu machen, ob sich das Logo von Shell neben dem von Petronas befindet oder ob Rolex sich an einer Farbe stört, die hinter ihrem Logo zu sehen ist und nicht ihren Richtlinien entspricht. Und der Spieler hat alle Freiheiten bei der Platzierung des Logos, bei den Farben und den Hintergründen." Darüber hinaus geht's darum, geeignete Motoren auszuwählen, sich um die Mitarbeiter zu kümmern, Geld herbeizuschaffen und eure Leute zu motivieren. Im Grunde all das, was ein Teammanager so den lieben langen Tag macht.

In der normalen Karriere erwarten euch die üblichen Verfeinerungen, zum Beispiel ist es jetzt möglich, sie über zehn Saisons hinweg zu spielen. Ebenso erhaltet ihr neue Optionen zur Verbesserung eures Motorenlieferanten und zur Beschleunigung von Entwicklungsprojekten. Letzteres birgt aber das Risiko eines Fehlschlags in einem Bereich von 20 bis 45 Prozent. Ob es euch das dann wert ist und ob ihr das Risiko eingeht, entscheidet ihr. Und wenn ihr eine Saison fahrt, habt ihr künftig die Wahl zwischen der vollen Länge und kürzeren Varianten mit 16 oder zehn Rennen, bei denen ihr dann eure Lieblingsstrecken auswählt.

Ansonsten gibt es viele Optimierungen und Anpassungen im Spiel, zum Beispiel bei den Strecken wie dem Kurs in Barcelona. "Kürzlich gab, ich glaube es war Charles [Leclerc], einen Kommentar zum letzten Sektor auf der Barcelona-Strecke ab und sagte, dass er nicht ganz korrekt wäre", sagt Mather. "Wir hatten 2020 bereits Änderungen daran vorgenommen, weil wir von einem Problem mit der Höhenabweichung wussten. Es ist toll, solches Feedback von den Fahrern zu bekommen."

In My Team kümmert ihr euch um alle Belange des Rennstalls.

Ein weiterer solcher Punkt ist die Traktion, worüber die Fahrer während der Virtual Grand Prix' sprachen. "Es geht darum, wann die Traktion kommt und geht, vor allem bei der Beschleunigung, aber ebenso in den Bremszonen", erklärt Mather. "Was uns erneut glücklich macht, denn auch hier gab es in diesem Jahr einige signifikante Anpassungen."

"Du wirst bemerken, dass die Bremsdistanz jetzt realistischer als je zuvor ist, die Traktion in den Kurven hat sich massiv verbessert", führt er aus. "Und das liegt nicht allein an Änderungen am Reifenmodell, sondern an der Physik, den Berechnungen für Lenkrad und Reifen." Und ja, es wirkt sich spürbar aus. Die Wagen lenken sich besser über die Strecken als in F1 2019 und die KI reagiert zuverlässiger als in den Vorjahren.

"Beim Fahren gegen die KI hast du die Fehler bemerkt, die sie machen, und ein paar anderen Sachen, die sich nicht richtig anfühlten", sagt Mather. "Das ist ein weiterer Bereich, auf den wir uns in diesem Jahr konzentrierten: die Optimierung und Verfeinerungen von Dingen, die wir letztes Jahr implementierten. Letztes Jahr stärkten wir ihre Verteidigung, in diesem Jahr ihre Attacken. Erwarte in diesem Jahr definitiv einige Daniel-Ricciardo-Momente. Die erste Kurve in Melbourne ist ein tolles Beispiel dafür. Es gibt immer einen Fahrer, der in der ersten Kurve nach rechts angreift und für Chaos sorgt."

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Dabei versuchte Codemasters die KI so dynamisch, organisch und realistisch zu gestalten wie es geht. Weitere Optimierungen gab es hierbei in den Kurven und ihrer Genauigkeit in diesen sowie bei Rad-an-Rad-Zweikämpfen. "Wir hören nie auf, an diesen Systemen zu arbeiten. Das KI-Team beschäftigt sich ständig damit. Es gibt spezifische Ziele, die wir mit jedem Titel erreichen möchten, ihre Arbeit ist aber immer langfristig orientiert."

Um ein breites Publikum anzusprechen, gibt es eine neue Casual-Einstellung, die sich an Spieler richtet, die im Grunde kaum Erfahrung haben. Das Spiel unterstützt hier die Lenkung, die Optionsmenüs sind einfacher, das Verlassen der Strecke hat geringere Auswirkungen und je nach Situation setzt euch das Spiel automatisch auf die Strecke zurück. Hinzu kommen neue Assistenten wie ein automatischer Treibstoffmix und eine automatische Aktivierung des DRS, sofern es verfügbar ist. Für einzelne Sessions und Abschnitte - Training, Rennen und Boxengasse - legt ihr individuelle HUD-Platzierungen fest, ebenso gibt es einen neuen Rückspiegel, den ihr zum Beispiel oben in der Mitte des Bildschirms platzieren könnt.

Auf Fahrerfeedback von Lando Norris basiert die Änderung am ERS-Management. Diese war im Spiel zuvor komplizierter als in der Realität. "Wir waren mit Lando bei einem F1-E-Sport-Event in London", erzählt Mather. "Nach dem Ende gingen wir gemeinsam raus und er sagte uns, das ERS-System sei zu kompliziert und dass es bei ihnen nicht so abläuft. Sie müssten sich darüber keine Gedanken machen, das Team erstellt eine Map für den Wagen und dann sagen sie ihnen, wann sie den Overtake-Button nutzen können. Das war ein toller Moment, in dem wir einfach miteinander redeten und Lando uns darauf aufmerksam machte."

Auch einen neuen Splitscreen-Modus gibt es.

Wer gerne lokal mit einem Freund spielt, freut sich indes über den Splitscreen-Modus, der hier zwei Spieler unterstützt, was Mather zufolge Hand in Hand mit den neuen Optionen für Einsteiger geht. Warum nicht mehr als zwei Spieler? "Ich erinnere mich, als wir früher V-Rally im Vier-Spieler-Splitscreen auf der PlayStation spielten und das war mit einem großen Fernseher echt witzig", merkt er an. "Damals brauchtest du einen großen Fernseher, aber die Leute haben das heutzutage. Wenn du die Geschwindigkeit und Intensität der Formel 1 berücksichtigst, würde sich das meiner Ansicht nach für manche Leute in einem viel kleineren Bildbereich eher unbehaglich anfühlen."

"Technisch ist es eine enorm anspruchsvolle Angelegenheit, ein Bild viermal zu rendern", ergänzt Mather. "Ich würde unseren Technical Director wahrscheinlich zur Verzweiflung bringen, wenn ich ihn darum bitte. Wir arbeiteten in diesem Jahr mit einem anderen Team bei der Splitscreen-Implementierung zusammen, weil uns klar war, wie viel Ressourcen wir in My Team stecken. Daher brauchten wir für den Splitscreen ein wenig Unterstützung."

"Aber ist eine Möglichkeit für die Zukunft", sagt er und lässt die Tür dafür einen Spalt weit offen. "Derzeit sind wir aber überzeugt, mit dieser Teilung des Bildschirms den besten Überblick zu gewährleisten und gleichzeitig dieses Geschwindigkeitsgefühl zu vermitteln, ohne dass du dich überfordert fühlst."

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Auf technischer Seite ändert sich unter der Haube das ein oder andere, wenngleich F1 2020 optisch keinen riesigen Sprung nach vorne macht. Derzeit bringe das Team die aktuellen Konsolen an ihre Grenzen, sagt Mather. Wenn ihr Unterschiede bemerkt, dann bei den beiden neuen Strecken in Zandvoort und Hanoi. Bei deren Gestaltung kamen neue Techniken zum Einsatz, die Codemasters in Zukunft bei weiteren Strecken anwenden möchte.

F1 2020 hinterlässt beim Anspielen einen tollen Eindruck und zeigt, wie Codemasters' Optimierungsarbeiten und Neuerungen sich ausgezahlt haben. Die Wagen fühlen sich besser an und lassen sich präziser über die Strecken lenken. Obendrein sieht der neue My-Team-Modus vielversprechend aus. Anspielen konnte ich ihn leider nicht, aber ich freue mich darauf, ihn zum Release genauer unter die Lupe zu nehmen. Hattet ihr mit dem Vorgänger Spaß, werdet ihr hiermit - so ist aktuell zu vermuten - noch mehr haben.


Entwickler/Publisher: Codemasters/Koch Media - Erscheint für: PC, PS4, Xbox One, Stadia - Erscheint am: 10. Juli 2020 - Gespielte Version: PC


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