Fable: The Journey - Test
Glaube niemanden, misstraue allen. Und bleibt immer auf der Schiene.
Peter Molyneux hat mich persönlich angelogen. Von Angesicht zu Angesicht, Mann zu Mann. Dieses Interview vom Anfang des Jahres ist der Beweis. "Warum hast Du dann nicht die Zügel fallen lassen? Du hättest das jederzeit tun können und herumlaufen!" Originalton Molyneux.
Nachdem ich jetzt in Journey an das Ende der Reise kam: Nein, das hätte ich nicht tun können. Nur an ganz bestimmten, definierten Punkten, wo es dann zu Fuß auf Schienen durch ein erstaunlich langweiliges, weil kindgerechtes Albion geht. Und ganz ehrlich, das zählt nicht. Es zählt doppelt nicht, weil in dem Abschnitt, in dem ich damals spielte, nicht einmal das möglich war. Wem soll man noch vertrauen, wenn einen die Jugend-Helden offen ins Gesicht lügen? Oder glaubte er etwa wirklich, dass dieses Feature noch bis zum Release fertig werden würde?
So oder so, das "berühmte" Bild, in dem Molyneux vor einer Tafel steht, die da besagt "It is not on rails!" (Es läuft nicht auf Schienen!), lädt ebenfalls zu sehr langen Diskussionen ein, was denn "auf Schienen" eigentlich heißt. Oder man lässt es und sagt es rundheraus: Fable: The Journey läuft auf Schienen. Mal bereist man diese mit einem Pferdewagen und mal zu Fuß, aber ihr werdet niemals umdrehen, ihr werdet nie mehr als einen oder zwei Schritte zur Seite machen und die Freiheit des Weges dieser Reise besteht in ein paar seltenen Weichen. Das ist so wenig, dass man die Entscheidung, ob man jetzt magische Angriffe oder das Pferd hochlevelt, schon als weitere Freiheit dazunehmen muss, weil die Liste sonst doch sehr kurz wäre.
Kinect kann scheinbar nicht mehr als das, wahrscheinlich ist es am Ende nicht einmal die Schuld des Schöpfers, er war nur mal wieder zu früh dran, als dass seine wahrscheinlich ganz anders aussehende Vision hätte umgesetzt werden können. Kinect ist nicht für Freiheiten da. Kinect sagt euch ganz klar, was ihr machen sollt und wehe ihr haltet euch nicht daran. Wenigstens ist es hier nicht so abhängig von totaler Präzision, wie es bei Steel Bataillon der Fall war. Ihr dürft locker vor dem TV sitzen und auch schon mal die Arme herunterlegen, wenn ihr mit dem Pferde-Wagen über lange Straßen zuckelt.
Ein leichtes Schütteln beider Arme lässt die Mähre schneller trotten, ein weiteres schickt sie in den Sprint, der aber an der Ausdauer zehrt und damit eher bestimmten Passagen vorbehalten bleibt. Auf diesem Weg fahrt ihr von A nach B und weiter nach C. Im Grunde spielt ihr das, was normalerweise mit einer roten gepunkteten Linie auf einer zu dramatischer Musik scrollenden Karte nur kurz angedeutet wird. Und es gibt einen Grund, warum nicht erst seit den Indy-Filmen die Karte so beliebt ist: Es zu spielen ist sooooooooooooooooooo öde!
Ich muss zugeben, dass dieser Part von Kinect perfekt erkannt wird. Selbst leichtes Ziehen an den virtuellen Zügeln wird umgesetzt, schneller und langsamer, alles klappt super - und es ist so dröge. Auf einem Pferdewagen zu reisen, hat seinen Charme ungefähr mit dem Alter von 12 Jahren verloren und wird ihn auch nicht wiedergewinnen, solange ich das fröhliche Wander-Dasein nicht als Lebenswahl ins Auge fasse. Für Kinder dürfte der Reiz etwas länger anhalten, aber auch sie werden nach und nach erkennen - wenn auch vielleicht nicht schon nach weniger als einer Stunde - dass es das war. Links ziehen, rechts ziehen, hopp und hü die Straße runter. Schnelle Passagen und Verfolgungsjagden versuchen, etwas davon abzulenken, aber nein, sieht man von den Grafikeffekten und der schnelleren Musik ab, spielt es sich genauso. Nichts ist wirklich anders. Das sind die nur langweiligen Passagen in einem sonst sogar überdrögen Schauausflug durch eine früher mal so spannende Welt. Aber selbst wenn das gewaltige, böse Sonstwas von irgendwoher einen erschlagen will, wird es nicht so richtig aufregend. Ein Pferdewagen ist dafür vielleicht einfach nicht das richtige Vehikel.
Der zweite relevante Spielanteil sind Ausflüge durch diverse Dungeons und Örtchen, in denen ihr mit magischen Blitzbällen herumfeuert oder einen Greif-/Schubs-/Schleuder-Allround-Spruch für mehr Abwechslung nutzt, um ein Best-of bekannter Fable-Monster - Gnolle, Werwölfe, viel zu wenig Neues - zu erledigen. Egal welche Fertigkeiten ihr freischaltet, es spielt sich ähnlich und man ist schon dankbar, dass es so gut funktioniert, wie es das tut. Was bedeutet, dass jeder dritte Griff etwas auslöst, was ihr euch so nicht vorgestellt hattet. Sonderlich dramatisch ist das nicht, denn Fable: The Journey ist kein schweres Spiel, das absolute Präzision erfordert und die Macher werden schon wissen, warum das so ist. Es gab schon schlechtere Kinect-Mini-Games im XBLA-Store, aber wesentlich spannender sind diese Passagen nach ein paar Runden auch nicht. Und dann sind da noch die Rätsel. Oder das, was man Rätsel nennen könnte, wenn man im Leben nicht schon mal richtige Rätsel gesehen hätte. Das hier ist das abstraktere Äquivalent des Einpassens der Bauernhoftiere in eine entsprechend ausgesägte Holzplatte. Babys finden das klasse und nicht zu Unrecht. Nur ließ der Spaß irgendwann später im Leben dann doch nach.
Es hilft nur bedingt, dass die Story sich mehr um die Liebe eines Mannes zu seinem Pferd dreht, als um das Ende der Welt. Zugegeben, das Erste gab es in Spielen noch nicht so oft wie das Zweite, also gibt's hier einen kleinen Innovationsbonus und ehrlich gesagt sogar ein paar fast emotionale Momente. Aber trotz einiger, weniger gemütsmäßig toter Passagen ist die Geschichte nur ein Schatten früherer Fables und da ich hier explizit den ersten Teil einschließe, ist das keine so hohe Messlatte.
Überhaupt bleibt von den ganzen Spielchen, dem Heiraten und Herumblödeln, den infantilen Scherzen und erwachsenen Anspielungen praktisch nach der kindgerechten Behandlung nichts mehr übrig. Die Welt ist immer noch schön, das Design stimmig, in beides floss Aufmerksamkeit, Geld und Talent. Was für eine Verschwendung.
Statt darin etwas Bedeutungsvolles zu tun oder wenigstens ordentlich in der Kneipe zu furzen, soll eure ganze Aufmerksamkeit nun dem Gaul gelten. Gelegentliche Streicheleinheiten müssen sein, ein bisschen Striegeln sowieso, und wenn mal ein Pfeil stecken bleibt, dann wird er per Kinect-Griff herausgezogen. Ja, Molyneux hat in diesem Punkt nicht gelogen, ich kann den Pfeil auch tiefer reinstecken. Wenn ich einen Pferdetritt haben will. Tolle Freiheiten.
Einige der alten Fable-Stärken sind definitiv da. Die Charaktere sind sympathisch, die Welt immer noch schön anzuschauen, das Design erprobt und eigentlich liegt zwischen den Wegen eine etwas handelsübliche aber nicht wirklich schlechte Story, selbst wenn sie sich meistens zugunsten der Pferdefreundschaft selbst ignoriert. Aber das Abwandern dessen, was eigentlich durch einen Ladebildschirm angezeigt werden sollte, ist kein spannendes Spiel. Die virtuelle Kutschfahrt funktioniert auf einem technischen Level, aber auch nur, weil man eh nichts Bedeutungsvolles tun kann. Wenn virtuelle Zügel zu halten schon immer euer innerster Wunsch war, dann erfüllt Fable The Journey ihn. Aber passt auf, was ihr euch wünscht, die Erfüllung dessen könnte einfach grottenlangweilig sein. Die Shooter-Passagen, wie alles hier definitiv auf Schienen, schneiden nur marginal besser ab, selbst wenn Kinect hier wieder deutlich mehr Aussetzer präsentiert. Und mehr ist da nicht. Das ist zu wenig. Selbst als Kinderspiel verfliegt nach relativ kurzer Zeit die Magie des Ausritts und dann ist da nur noch Langeweile.
Fable: The Journey startete als Lüge und endet jetzt als Enttäuschung. Was für eine Verschwendung des bei Lionhead offensichtlich vorhandenen technischen Talents. Und welche Rolle ihr ehemaliger Chef dabei spielte, der damals schon bei diesem Interview gewusst haben musste, wie das enden würde, darüber will ich mir für den Moment keine weiteren Gedanken machen. Das Spiel reicht mir für den Moment.