Fabledom hebt die Scherben auf, die Die Siedler: Neue Allianzen geschlagen hat
Zum kleinen Early-Access-Preis durchaus einen Blick wert.
Puh, Ubisoft, es ist gerade nicht leicht mit dir. Nach einem durch Rainbow Six Siege eingeleiteten guten Lauf von rund einer halben Dekade, in der man The Division perfektionierte, doch noch den Spaß in Watch Dogs fand, Assassin’s Creed eine spannende neue Richtung zeigte und allgemein sehr kundenorientiert rüberkam, scheint das Unternehmen gerade arg orientierungslos. Besorgniserregende Berichte über Fehlverhalten von Führungspersonal und mehrere Projekte in der Entwicklungshölle machen einem der größten Publisher trotz weltberühmter Marken schwer zu schaffen. Ein starkes neues Die Siedler hätte da Signalwirkung haben können, zumindest hierzulande.
Wenn man mal darüber nachdenkt (was wir Sofa-Entwickler vermutlich nicht zu feste tun sollten): Wie schwer kann es sein, den sympathisch bierbäuchigen, knollnasigen Papa des teutonischen Wuselspiels wiederzubeleben? Nun, offenbar sehr schwer, denn irgendwo muss während der Entwicklung etwas passiert sein, was das Team dazu veranlasste, von der Aufbau-und-Gedeih- in die Wettrüsten-und-Kaputtmachen-Richtung umzuschwenken. Das Resultat ist ein passables, aber in Ambition und Vision limitiertes Echtzeitstrategiespiel, auf das niemand gewartet hat. Nun leben wir aber in einer Zeit, in der kleine Entwickler regelmäßig die Lücken füllen, die die Großen aus Sorge über die finanzielle Machbarkeit hinterlassen.
Manor Lords war so eines, das letzten Herbst mit einer Aufsehen erregenden Demo Aufbau-Freunde und -Freundinnen in helle Aufregung versetzte, nur um sich dann wieder ins stille Kämmerlein zu verziehen, wo man fleißig weiter an der Wusel-Revolution werkelt. Doch das wunderbar flexible Mittelalter-Aufbauspiel geht in eine entschieden realistischere Richtung und überhaupt ist nicht absehbar, wann wir das nächste Mal Hand daran legen dürfen. Auftritt Fabledom, das mit Märchen-Thema und zum schlappen Preis von 15 Euro in den Steam Early Access startete, um die Scherben aufzukehren, die Die Siedler: Neue Allianzen geschlagen hat.
Oder sagen wir es so: Es bückt sich tief runter, hat Kehrblech und Handfeger schon in der Hand, aber aufgrund seines frühen Stadiums noch nicht alle Moves drauf, die es braucht, um das Schlamassel zu beseitigen. Schon jetzt spricht aber für Fabledom, dass gestern Abend aus „kurz mal reingucken“ im Handumdrehen eine Sitzung bis 1:00 Uhr nachts wurde. Und wer wie ich zwei kleine Kinder hat, weiß, wie selten man eine solche Session heutzutage noch in sich hat. Irgendwas macht Fabledom also sehr richtig. Fragt sich nur, was?
Alles beginnt mit der Generierung der Welt auf Basis eines Seeds, den ihr auch selbst eingeben und mit Freunden teilen dürft. Auf der resultierenden Karte sucht ihr euch eine Region aus, in der ihr starten wollt, und arrangiert euch mit den Monarchen der Nachbarländereien. In der aktuellen Version beschränkt sich das noch auf das Bezirzen oder verprellen einer Prinzessin und militärische Handlungen sind bislang noch nicht vorgesehen. Trotzdem gibt es jetzt schon genug zu tun.
Zuallererst natürlich, die schamlos niedliche Optik zu bewundern. Man sieht zwar, dass der Titel einem kleinen Team entsprungen ist, vor allem auch, weil die Spielfelder ein bisschen altertümlich in quadratische Grundeinheiten eingeteilt sind. Wer in Straßenbau-Tools also gerne elegante Kurven zieht, muss draußen bleiben. Aber davon abgesehen gefallen mir so gut wie alle stilistischen Entscheidungen ausgesprochen gut, von der erquicklichen Farbpalette bis zu den rundlichen Bewohnern. Die sind zwar noch spärlich animiert, aber jetzt schon sympathisch. Alles beginnt mit Gehöften, die jeweils drei Bewohner beherbergen und um die man stets einen Garten aus mindestens drei weiteren Feldern zieht. Hier könnt ihr individuell Erweiterungen platzieren, die die Nahrungsgrundversorgung der Bewohner zumindest grundlegend sichern (Bienenstöcke, kleine Gewächshäuser) oder die Attraktivität steigern (Plumpsklo, Wäscheleine). Ihr könnt das manuell machen oder den Computer wählen lassen.
Weiter geht es mit Holzfällern und Bauernhöfen, Kornkammern, Mühlen, Bäckern, Förstern, Köhlern, Steinmetzen und… nun ja, ihr kennt das! Das Wachstum der Bevölkerung durch periodisch zuziehende neue Bürger, solange nur genügend Behausungen verfügbar sind, wirkt ein bisschen kontraintuitiv (nix ist mit Bienchen und Blumen). Aber es macht die Ausdehnung von einer kleinen Hüttensiedlung zum Städtchen gut kontrollierbar. Das ist nett, wenn man regelmäßig die Komposition seiner Schöpfung anpasst, um die Zufriedenheit der Bewohner zu steigern oder wenn man Anlagen zum Abbau mittlerweile erschöpfter Ressourcen in neu zugekauften Regionen frisch hochziehen muss. Man rennt dem Wachstum nicht hinterher, sondern gibt es ein Stück weit vor. Das hat eine entspannende Wirkung, die dieser Sorte Spiel gut zu Gesicht steht, was nicht bedeutet, dass nicht immer noch genügend Herausforderungen gäbe.
Wie auch in den Klassikern erreicht man irgendwann eine buchstäblich kritische Größe, bei der es schwierig wird, alle Mäuler zu füttern und alle Projekte, die man sich vornimmt, zum Ende zu bringen. Bei mir war dies das erste Mal der Fall, als ich die zweite Kategorie Bewohner anzulocken begann. Nach den normalen Arbeitern, den Landsleuten, kommen Bürger mit Wohneigentum hinzu, die in Häuserblöcken wohnen und wiederum andere Ansprüche haben. Auf sie folgen irgendwann Adlige, die die Jobs für grundlegende Sachen dann nicht mehr erledigen. Es gilt also, eine Balance zu finden. Diese Verkomplizierung auf Bevölkerungsebene kontert Fabledom Warenkreisläufe mit einfach gestrickten Warenkreisläufen, die eigentlich eher kurze Ketten sind: Stein wird zu Ziegeln, Getreide zu Mehl und Mehl zu Brot, Holz zu Brettern oder Kohle und Tulpen zu Zuneigung einer benachbarten Prinzessin. Viel mehr ist da bisher nicht (Eisen und die magischen “Prismaflüssigkeit” stehen als Ergänzungen jedoch schon auf der Early-Access-Roadmap).
Dennoch ist es nicht komplett trivial, sicherzustellen, dass alle zufrieden und versorgt sind. Was vor allem daran liegt, dass nicht nur Grundbedürfnisse wie Essen, Trinken und Behausung wichtig sind. Auch Wärme im Winter ist nicht zu verachten, ebenso Annehmlichkeiten wie eine nahe Schänke oder ein fußläufiger Bäcker oder schlicht die Abwesenheit von Störfaktoren wie einer Köhlerei direkt vor dem Fenster. Sich maßvoll in alle Richtungen zu strecken, das ist der alte Balance-Akt, der diese Spiele reizvoll macht und Fabledom legt mit wenigen Steinen schon ein ordentliches Fundament.
Fragezeichen gibt es vor allem noch über die militärischen Ambitionen von Grenaa Games’ Aufbauspiel. Aktuell können wir zwar schon einen Helden durch die Siedlung klicken, viel zu tun gibt es für den bislang aber noch nicht, außer “Begegnungen” auf der Karte in Textform aufzulösen, die mir bisher nur dekorative Elemente für meine Stadt verliehen. Die sind auch gleich das andere mögliche Problem, das ich bisher ausmachen konnte. Alle dekorativen Elemente belegen ein eigenes Feld auf der Karte. Ihr könnt dort nichts anderes mehr hinstellen und da sie bislang keine Wirkung außer einer kosmetischen haben, sehe ich kein Szenario, in dem ich die Verschwendung eines Fleckchens Stadt mit einer dieser Verschönerungen rechtfertigen kann. Das ist, gelinde gesagt, nicht optimal. Weiterhin könnten die Entwickler das Märchenthema ein wenig deutlicher herausarbeiten. Alle paar Monate mal eine Hexe meine Bewohner in doppelt so hungrige Skelette verwandeln zu lassen, setzt dieses Spiel auch nicht entschieden stärker von anderen idealisierten Mittelalterspielen ab.
Es ist also noch nicht alles in trockenen Tüchern, zumal sich zu diesen Unklarheiten noch übliche Early-Access-Kleinigkeiten gesellen. So kann man sich zum Beispiel leicht in Situationen hineinmanövrieren, in denen weiterverarbeitende Gebäude alle Basisrohstoffe aufbrauchen, die man für grundlegendere Gebäude aber immer noch benötigt. Was helfen mir Lager voller schöner Ziegel vom Steinmetz, wenn ich normale Steine brauche, um meine Bäckerei fertig zu bekommen? In solchen Situationen produziere ich offensichtlich nicht genug Überschuss, was das Spiel nicht deutlich genug signalisiert. Bisherige Lösung: Weiterverarbeitende Gewerbe gezielt manuell stilllegen, was für meinen Geschmack ein bisschen zu fummlig ist und oft erst einfällt, wenn auf der aktuellen Baustelle längst Bandabriss herrscht. In einer Situation verhungerten außerdem reihenweise meiner Bürger, obwohl meine Vorräte noch knapp zwei Wochen hätten reichen sollen.
Und doch habe ich nach einem langen Abend sorgloser Aufbau-Unterhaltung jetzt schon das Gefühl, dass man für die schmalen 15 Euro nicht allzu viel falsch macht, mit Fabledom. Ich bin nicht sicher, wie variantenreich es letztlich wird und ob die prozedural generierten Karten und die vom Spiel gesetzten Missionsziele wirklich grundlegend unterschiedliche Stadtbauprojekte gewährleisten. Zumal der rechtwinklige Aufbau der meist perfekt ebenerdigen Gegenden Schönspielern nicht unbedingt die größten Anreize bietet. Für die knapp vier Stunden gestern drückte es jedoch exakt die richtigen Knöpfe bei mir und jetzt bin ich neugierig, wie sich das Spiel auf der Weltkartenebene und in Sachen Militär entwickeln wird. Betuliches Siedeln auf saftig grünen Auen hätte mal wieder eine Chance verdient.