Fairytale Fights
Geschwister Grimmig
„Ihr steuert eine Märchenfigur, deren Ruhm etwas verblasst ist. In Fairtytale Fights sollt ihr der Verschmähten zu neuem Ansehen verhelfen“, fasst van Beem die Story des Actionspiels zusammen. Wer sich mit den Gebrüdern Grimm & Co. ein wenig auskennt, entdeckt dementsprechend viele Zitate. Bereits im Menü lümmelt sich der Gestiefelte Kater, der Wolf wird durch einen Fleischwolf gedreht und ihr lauft später zum Beispiel über die mit Mausefallen bestückten Regale im Schloss des bereits angesprochenen Riesen Tulpe aus „Hans und die Bohnenranke“.
Playlogic treibt für Fairytale Fights einen enormen Aufwand, wie van Beem betont: „Etwa 100 Leute arbeiten an dem Spiel.“ Das überrascht sogar Kenner. Sicher, das Spiel sieht gut aus, aber 100 Personen? Selbst an Wolfenstein oder Risen arbeiten weniger. Das erklärt zwar, warum Fairytale Fights zum Vollpreis auf DVD und nicht als kostengünstiger Download-Titel wie Castle Crasher veröffentlicht werden soll, aber auf den ersten Blick wirkt Fairytale Fights trotzdem nicht, als ob sich der Aufwand rechnet.
„Ich liebe Castle Crashers. Aber das ist im Grunde doch nur ein besseres Flash-Spiel", rechtfertigt van Beem. „Wir haben da mehr zu bieten.“ Das stumpfe Dauergeprügel bei der Präsentation ließ aber dennoch an der Langzeitmotivation zweifeln. Auch an noch so blutigen Hinrichtungen sieht sich der Splatter-Fan irgendwann satt. Aber gut, ich lasse mich gern überzeugen.
Einen Trumpf hat Fairytale Fight nämlich in der Hinterhand – den Vier-Spieler-Modus. Genau: Vier Spieler dürfen gleichzeitig vor dem Fernseher ran. Nett auch, dass man sich dabei gegenseitig die Ohren langziehen kann. „Ob wir es schaffen, dass sich auch online vier Spieler gleichzeitig in das Abenteuer stürzen können, wissen wir momentan noch nicht“, dämpft van Beem die Vorfreude.
„Wir arbeiten daran. Besonders das dynamische Blut bereitet uns allerdings noch Schwierigkeiten. Auf jeden Fall lässt es sich mit drei Spielern vor einem Fernseher und einem Freund online spielen.“ Immerhin. Und da der zweite Mitstreiter als Schneewittchen antritt, braucht sich der Rotkäppchen-Spieler auch nicht mehr alleine albern vorkommen. Die übrigen zwei Spielfiguren will Playlogic auf der Spielemesse Gamescom in Köln enthüllen.
Mascara Massacre nennt sich ein Level. Rotkäppchen und Schneewittchen stehen auf einem Floß. Aus dem Wasser taucht ein Biber auf, der offenbar seit frühester Kindheit Wachstumshormone genascht hat. Schneewittchen und Rotkäppchen wirken wie Fußgänger vor dem Empire State Building. Mit irrem Blick lässt das Nagetier seinen buschigen Schwanz über die Holzbalken kreisen. Jetzt sind Nerven gefragt. Nur wer rechtzeitig springt, überlebt. Als die Schwanz-Attacke nicht zum Tod der Spieler führt, reißt der Biber sein Maul auf und brüllt. Phase 2 beginnt. Die zwei Spieler sammeln Schwertfische vom Boden und schleudern sie dem Levelboss in den Rachen. Einen nach dem anderen. Eine Mahlzeit, die dem Biber offenbar schlecht bekommt.
Mit einem monströsen grünen Strahl verteilt er seinen Mageninhalt über die Planken. Erneut ist Ausweichen angesagt. Lachen bilden sich. Als der Biber sich mit gequältem Gesichtsausdruck und heraushängender Zunge eine Auszeit gönnt, prügeln die beiden Spielfiguren auf das Vieh ein als gäbe es kein Morgen. So lange, bis es mit einem letzten Haken in den rotierenden Sägeblättern des angrenzenden Sägewerks landet. Wieder ist ein Stück Ruhm im Märchenland zurückerobert und ein Level gemeistert.
Fairytale Fights ist märchenhaft. Allerdings nicht vom regulären Spielablauf her, der wirkt bisher eher gewöhnlich. Märchenhaft sind die unglaublich kranken Spieldesigner-Fantasien, die es hier tatsächlich in ein Spiel geschafft haben. Die überzogene Kombination aus Bonbon-Grafik und Kettensägen-Massaker verleiht der Prügelei das Flair eines Kindergeburtstags, bei dem man Drogen in die Torte gemischt hat. Einzigartig. Daran wird man sich noch in Jahren erinnern.
Ehrlich gesagt: Als ich Fairytale Fights vor einem Jahr auf einer Spielemesse in einem Hinterzimmer gesehen habe, hätte ich nicht gedacht, dass es jemals erscheint. Zu inkompatibel für den Massenmarkt wirkte die Märchenvergewaltigung für den Otto-Normal-Spieler. Ich habe mich geirrt. Ob das Spiel jedoch mehr als ein Geheimtipp für verkappte Märchenonkels wird, hängt von zwei Dingen ab: 1. Schaffen es die Entwickler, die Levels mit genügend Abwechslung zu füllen? 2. Werden die vier Mitspieler auch online antreten dürfen? Wegen der mutigen Aufmachung drücke ich persönlich die Daumen. So fest bis sie bluten.
Erscheinen soll Fairytale Fights im Oktober für Xbox 360 und Playstation 3. Eine PC-Version folgt voraussichtlich im ersten Quartal 2010.