Far Cry 3: Blood Dragon – Test
Rex Colt in
Was zur Hölle?! Wie kamen sie darauf? Ok, falsche Frage, wie sie darauf kamen, ist klar: Wer will bitte keine 80s-Action-Movie-Komplett-Hommage produzieren? Nur die Eier dazu haben, es durchzuziehen, noch dazu als das erste Spin-Off zu einem der erfolgreichsten Shooter des letzten Jahres ... das will schon was heißen.
Eines ist klar, ein Mangel an Eiern war bei Ubisoft Montreal kein Thema. Die haben Messing-Eier. XXL.
Angefangen beim Trash-Look mit leichtem VHS-Flimmern, über die epische Konzeption, dass rausgerissene Cyber-Herzen Godzilla in die Feindbasis locken, bis hin zum ausgestreckten metallischen Cyber-Mittelfinger wird hier eine längst vergangene Ära gefeiert. Terminator ist dabei die qualitativ obere Ausgangslage, man kannte wohl aber auch den ganzen Trash bis hinunter in den schleimigen Sumpf von Reb Browns Robowar. Oneliner en masse, Cyber-Roboter, weil Cyber muss, die Bösen sind die Omega Organisation, der Gute heißt Rex Colt und er muss seinen Freund rächen, der nur noch zwei Tage bis zur Pensionierung hatte.
Das allein wäre schon mutig, aber die Zwischensequenzen in leicht animierten Amiga-Standbildern zu erzählen ist brillant bescheuert glorreich großartig bekloppt. Ich liebte es, jede Sekunde davon, auch weil es nie aufgesetzter wirkte als seine Originale. Seien sie aus dem VHS-Rekorder oder dem 500er-Diskettenlaufwerk. Das Auflebenlassen all der Dinge, die Ruthless Reviews feiert, funktioniert von vorn bis hinten. Ok, der Homoerotik-Faktor bewegt sich konstant auf Steven-Seagal-Niveau und die Novelty Kills sind überarbeitungswürdig, aber man kann ja nicht alles haben.
Die Bestie mit dem Herzen lenken
Nur die Godzillas oder vielmehr die Blood Dragons, wie sie genannt werden, könnten ein wenig trashiger sein. Sicher, es sind im Dunkeln in Regenbogenfarben leuchtende, 12 Meter hohe Riesenechsen, die Laser-Augen haben, aber in einer wahnsinnigen Welt ist das praktisch normal. Vielleicht ist es besser, dass sie nicht in Stop-Motion animiert worden sind. Gesehen hätte ich es trotzdem gerne. Egal, sie sind das wichtigste neue spielerische Element, denn mal abgesehen davon, dass ihr euch bemühen solltet, beim Erkunden der neuen, Post-Nuklearkrieg verwüsteten Insel, nicht von ihnen gefressen oder geröstet zu werden, könnt ihr sie wie zuvor die Tiger als Waffe nutzen.
Ihr braucht dafür die Herzen eurer Feinde. Reißt sie raus und werft sie, wo die Bestie hin soll. Meist haben sich die Bösen hinter einem Schutzschild verschanzt, aber das Biest kann zumindest durchschießen und so lässt sich manche Basis erschüttern, während das Asylum-Monster aus der Lagune vorn klopft und ihr den Hintereingang nehmt, um von dort aus Hintern zu treten. Es ist nicht das Bedrohungsszenario, das es in Far Cry 3 war. Zumindest nicht für euch. Aber es macht mindestens so viel Spaß.
Das Grundgerüst des Ballerns ist dabei so solide wie atomar gestählte Echsenhaut. Die Bewegungen, die Waffenmechaniken, es sitzt alles auf den Punkt und wurde gar nicht groß verändert. Das Aufleveln wurde vereinfacht. Statt der Fertigkeitenbäume bekommt ihr nach einem festgelegten Level-Muster neue Kunstgriffe und schaltet kaufbare Waffen-Extras frei, es blieb immer noch genug Tiefe übrig um euch durch 10 bis 15 glorreiche Stunden zu bringen.
1 Saurier, 3 Tiger, 20 Kanonenfutter = 1 glücklicher Held
Gut so, denn die Handlung ist sicher nicht, was euch am Laufen hält. Aber so wie man Commando guckte, weil es immer krachte und der Böse zum Schluss mit einer Metallstange aufgespießt wird - ich weiß, zahm nach heutigen Maßstäben -, ist die Post-Apokalypse-Saga um einen durchgedrehten General auch nur Füller, um euch über die große Insel zu hetzen. Die ist wirklich erstaunlich groß, in etwa so wie eine der beiden aus Far Cry 3, gespickt mit einem Dutzend unterschiedlich gesicherter Feindbasen, die ihr alle übernehmen könnt. Hier ist wieder Stealth der bessere Weg um ein paar Bonus-Punkte zu sichern, aber weit öfter als in Far Cry 3 schulterte ich in Blood Dragons einfach die schwerste Knarre, die ich hatte, und wanderte aus der Hüfte ballernd durch den Haupteingang. Weil Arnie das auch so gemacht hätte.
Blood Dragon lässt es richtig krachen und 20, 30 Feinde auf offenem Feld niederzumachen, ist ein Erlebnis, das euch Far Cry 3 verwehrte.
Er hätte sicher auch einen atomar leuchtenden Mutanten-Tiger mit dem Messer abgestochen. Weil es ein ultimativer Kampf zwischen zwei Kriegern des Dschungels oder so wäre. Mann gegen Natur. Was auch immer, die Flora mag etwas verkümmert sein, aber die Fauna sieht echt anders aus, nachdem die Bombe fiel. Hauptsache leuchtet. Wie schon zuvor könnt ihr wieder Aufgaben annehmen, die euch optional Tiere oder auch Omega-Soldaten jagen lassen oder in denen ihr Geiseln befreit. In fast 20 solcher Such-und-Stealth-Bonus-Runden werden euch noch mehr Sprüche gereicht, wobei die Missionsbeschreibungen entweder ultimativ oder faul sind, je nachdem wie ihr "Wen interessiert es, warum die Geisel da ist, Hauptsache ein paar Typen killen und Sachen explodieren lassen!" auslegen wollt.
Die Waffenauswahl wurde wie das Aufrüsten vereinfacht. Erfüllt Nebenmissionen, findet alte Röhrenfernseher und "leiht" VHS-Tapes aus, die über die Insel verstreut liegen. Fragt nicht, warum ihr dann vier der fünf Waffen verbessern dürft, aber so läuft es halt in der Zukunft, die ja eigentlich die Vergangenheit - 2007 - ist. Der Bogen wird nicht besser, aber in was sich Pistole, Shotgun oder Sniper-Gewehr aufrüsten lassen, da kann nicht viel mithalten. Gebt euch ein wenig Mühe und schon bald feuert ihr Explosivmunition, mit der Pumpgun aus vier Rohren oder sogar mit Lasern statt schnöder Sturmgewehre. Blood Dragon lässt es richtig krachen und 20, 30 Feinde auf offenem Feld niederzumachen, ist ein Erlebnis, das euch Far Cry 3 verwehrte. Wenn es sich mal ergibt, dann ist das hier Commando, Godzilla und City Cobra in einem einzigen, gewaltigen Schlagabtausch. Es lässt sich halt nicht immer forcieren, manchmal will das Spiel euch nicht die richtige Kombi aus drei Tigern, einem Drachen und zwanzig Omega-Soldaten geben, aber wenn es passiert, am Besten noch mit einem Hubschrauber, dann ist es so schön, dass man weinen könnte. Wenn es denn in den 80ern erlaubt gewesen wäre, zu weinen.
Das war es eigentlich auch schon. Reicht ja auch. 15 Euro und eigenständig spielbar, ihr braucht kein Far Cry 3, um das noch mal deutlich zu sagen.
Far Cry 3: Blood Dragon ist brillant und es sagt viel über den Mut und die Hingabe des Studios, ihr Spiel derartig auf den Kopf zu stellen, ihm statt orchestraler Klänge einen Brad-Fiedel-Ripoff zu verpassen und das Titelbild mit Laser-Augen-Godzilla, 80s-Heldenpose und noch mehr Cyborgs zu verunzieren - rosa Schriftzug vor unausgefüllten Vektor-Bergen inklusive. Es ist so komplett, so vollständig, so perfekt, es ist das, was man 1989 für den Amiga hätte kaufen können. Wenn der Amiga ein auf Spiele durchgezüchteter Cray 2 gewesen wäre. Modernes Shooter-Gameplay, das auf dem Maskenball richtig Geld für seine Verkleidung hinlegte und zeigt, dass Retro eben nicht nur dicke Pixel sein muss, sondern eben genau das sein kann, was wir damals als Spiel gerne gehabt hätten - jaja, schrei nur, du "Früher-war-alles-besser"-Fraktion, Far Cry 3 ist ein fantastischer Shooter, dafür hätten wir damals beide Beine gegeben -, nur halt im Zeitgeist des Action-Kinos seiner Zeit. Inklusive des so offensichtlichen wie hinreißenden Gedankens, Michael Biehn als Sprecher des Hauptcharakters an Bord zu holen. Schließlich war er im wichtigsten Action-Streifen seiner Zeit dabei: Navy SEALs.
Ich will gar nicht sagen, dass ich genau so etwas wie Far Cry 3: Blood Dragon jetzt häufiger sehen will. Diese spezielle Art Messing-Eier lässt man, wenn überhaupt, nur alle paar Jahre heraushängen. Insoweit: Danke, Ubisoft Montreal, dass ihr es dieses eine Mal, wo es frisch ist, gleich richtig gemacht habt. Aber das Maß an Ideen und Kreativität, wie man in einem Spin-Off oder DLC mit dem Quell-Material umspringen kann, um eine neue Erfahrung zu liefern, das ist etwas, an das ich mich wirklich gewöhnen könnte. Um genau zu sein, es gibt nur drei Gründe, warum weiter unten keine 10 steht:
1. Es gibt keine Volleyball-, Einöl- oder Russensauna-Szene.
2. Es gibt keinen sinnlos brutalen und denkwürdigen Novelty Kill.
3. Der ultimative Oneliner fehlt noch. So was in der Liga von "If it bleeds, we can kill it."