Skip to main content

Far Cry 3 - Vorschau

Grün ist allgegenwärtig, aber die wahrhaft essenzielle Erfahrung ist Weiß

"Während man sich unter dem Einfluss von Halluzinogenen befindet, ist Weiß eine essenzielle Erfahrung." - Dr. Earnhardt

Das ist so ziemlich das Normalste, was ihr auf den Inseln von Far Cry 3 so hören werdet. Den wunderschönen, weiten, sonnigen, grünen, wilden und vor allem gefährlichen Inseln. Und das Unbedrohlichste, was euch jemand sagt. Warum der Doktor dieser Ansicht ist? Nun, Psilocybin mag da wohl einer der vielen Faktoren sein, auch wenn sein Verhalten und vor allem das einiger andere Bewohner der Eilande ein wenig extremer ausfällt, als es nach allgemeiner Ansicht auf Pilzgenuss der Fall sein sollte. Da ist wohl noch was anderes im Wasser. Aber die Anwesenheit eines mörderischen Wahnsinnigen in der unmittelbaren Nachbarschaft hilft sicher nicht.

Der Doktor, der einmal die Woche sein gesamtes Haus neu streicht - in schneeblütenreinem Weiß, jeder braucht ein Hobby -, ist aber trotzdem gerne bereit, einem gestrandeten Backpacker zu helfen. Quid pro quo natürlich. Ihr mögt gerade erst einem heißen Feuergefecht entkommen sein, da sollt ihr als Kontrapunkt ein paar besonders schöne Exemplare lichtscheuer Pilze aus einer Höhle ergattern. Ein letzter Blick über die strahlend blaue Lagune, bevor es in den Untergrund geht. Ein paar Kletterpassagen, eine ungeschickte Bewegung und schon verteilt ein ganzer Strauch von Unterwelt-Gewächsen seine Pollen über den Reisenden.

Was folgt ist keine normale Höhlenexpedition. Es ist eine Achterbahnfahrt in das Hasenloch und hinter die Spiegel. Der furiose Drogentrip des Helden zeigt Visionen, spielt mit eurer Vorstellung von Perspektive und Zusammenhang und entlässt euch erst nach einer ganzen Weile wieder hinaus in die normale Welt. So normal, wie diese in Far Cry 3 halt sein kann. Es ist ein so wilder, spannender und vor allem unterhaltsamer Ausflug in das, worin die prominenten Bewohner sich seit Jahren freiwillig abtauchen, dass euch der Gedanke kommt, dass sie sich eigentlich noch gut gehalten haben. Und es fällt auch erst im Nachgang auf, dass euch das Spiel irgendwo auf dem Weg die sonst omnipräsente, vor der Nase herumwackelnde Waffe wegnahm. Nicht sprichwörtlich, sie taucht früh genug wieder auf. Nur werdet ihr es gar nicht bemerkt haben, so geschickt spielte die ermunterte Vorstellungskraft mit euch. Es gab euch keinen Grund auf etwas zu schießen und beschäftigte euch und eure Vorstellungskraft anderweitig, um eine atemlose Atempause zu erheischen.

Far Cry 3 - Trailer

Jenseits solcher Ausflüge in eine imaginäre Anderswelt wird natürlich ordentlich geballert. Die Schergen des komplett verrückten Vaas - dessen Definition von Wahnsinn entweder ihn als den Wahnsinnigen oder den einzig Normalen übrig lässt, alles eine Frage der Perspektive - wollen euch tot sehen. Und Jason Brody will das nicht. Das hat er am ersten Tag beschlossen. Am zehnten Tag ist er der gefährlichste Mann auf der Insel. Vielleicht. Es ist ja immer noch nicht klar, wer die Stimme am anderen Ende der ominösen Funkverbindung ist. Ein Freund? Ein besonders tückischer Gegenspieler, der sein eigenes Problem mit Vaas hat? Vaas, der selbst spielt? Nein, so wahnsinnig ist wohl nicht einmal er. Aber vielleicht ist es für ihn der einzige Weg, etwas zu ändern. Seine Definition zu zerbrechen. Far Cry 3 setzt euch in eine Atmosphäre der Unsicherheit, was jeden der Bewohner angeht. Die einzige Sicherheit, die ihr habt, ist, dass sie alle verrückt sind. Bis zu welchem Grad und ob für euch eher nützlich, hinderlich oder mörderisch gefährlich, das ist die Frage.

Was Jason angeht, Ubisoft Montreal kann den ganzen Tag erzählen, dass er kein Ex-GI, Dschungelkämpfer im Ruhestand oder Superheld sei. Kein Rucksacktourist wandelt sich so schnell, wie Jason es hier tut. Das Spiel will mit der Frage spielen, wie sich die Psyche eines Menschen verändert, wenn er bis an das Limit getrieben wird. Jasons Freundin und seine Reisekumpanen wurden alle gekidnappt. Ob Vaas oder ein anderer der Irren der Insel sie hat, das ist die Millionen-Frage, aber auch, was Jason tun wird, wenn er sie retten kann. Werden sich seine Prioritäten gewandelt haben, ist er nur noch ein Tier, das auf Überleben und Rache aus ist? Bewahrt er sich seine Menschlichkeit und seine geistige Stabilität? Wird das dann genug sein, um dem Wahn zu begegnen? Das sind in einem Lost-Setting mit mehr Feuerwaffen und Halluzinogenen legitime Fragen, nur der Zeitraum ist es, der mich stört.

Wenn man einen Menschen so weit treibt, dass er töten muss, um zu überleben, dann wird er das wohl tun. Jason zumindest tut es. Aber das ist eine Sache und die ersten Kills sind in diesem Shooter plump, fast widerwillig und zaghaft. Man will Jason glauben, dass er kein Profi ist. Das Bild eine Woche später muss dann wohl aber eher in Richtung "eingerostet" revidiert werden.

Wie ein Meister-Attentäter schleicht er sich an das Bootswrack heran, auf dessen Oberdecke ein wichtiger Sender steckt. Als hätte er sein Leben lang nichts anderes gemacht, überwältigt er lautlos mit einem Messer die ersten zwei, drei Wachen, bevor er entdeckt wird. Auf geht es in den Tanz. Kalaschnikow raus, mit Blindfeuer in die Deckung, weitere Wachen sinken zu Boden. Systematisch arbeitet sich Jason durch das Boot. Das Waffenfeedback wirkt machtvoll, die keineswegs dumm agierenden Schergen versuchen immer wieder Jason zu treiben und auszumanövrieren. Schnell bewegen, schnell denken, keine Zeit für ausgedehnte, zögerliche Deckungsgefechte, dafür sind es zu viele.

Far Cry 3 - Die Definition von Wahnsinn

Er erreicht das Oberdeck. Wie es die Stimme aus dem Funkgerät ihm "empfohlen" hatte, bedient er den Sender. Zeit zu flüchten. Zu spät. Verstärkung rückt an. Auf an das Geschütz, das sonst eigentlich Boote abwehren soll. Er zerfetzt die Jeeps, die ungeschickterweise zwischen den weltweit handelsüblichen roten Fässern heranrauschten, während Jason sich die Seele aus dem Leib brüllt. Emotional ist er ja immerhin noch, in dieser Hinsicht hat ihn sein wunderhaftes Dschungelcamp-Schnelltraining nicht abstumpfen lassen.

Ein paar Granaten hinterher, die mit befriedigend wuchtigen Explosionen hochgehen, und der Weg ist fast frei. Schnell in den Jeep, geflüchtet über den holperigen Pfad, weg, bevor sich Vaas' Schergen neu sortieren können. Der Weg ist auf der Minimap vorgezeichnet, aber Jason muss ihn nicht nehmen. Er hätte sogar ganz anders vorgehen können. Er hätte die Nacht abwarten können, sich den Hängegleiter nehmen und versuchen können, wie ein lautloser Schatten zu dem Boot zu segeln. Den Sender aktivieren, verschwunden sein, bevor einer weiß, was los ist. Hätte. Jetzt rast er im Jeep über eine Insel, die vom reinen Gefühl her sehr an Jacks Ausflug im ersten Teil erinnert. Grüne, dichte Vegetation, traumhafte Lagunen, ein Ferienparadies für mörderische Irre aller Herren Länder.

Er nähert sich dem Haus des Professors. Leicht verwundet kann er trotzdem noch Blicke auf die Reste einer Zivilisation erhaschen. Die wahrscheinlich noch vor zehn bis 50 Jahren hier ganz üblich existierte. Kleine Steg-Wege, verfallene Hütten, es war wohl nicht immer die Hölle in Grün, was war seitdem geschehen? Das Haus des guten Doktors, jetzt ein weiß strahlendes, aber angejährtes Juwel scheinbar viktorianischer Ära deutet eine noch weit ältere Historie an. Was zum Teufel ist das für ein Ort? Eine der vielen Fragen, die Jason nur dann beantworten kann, wenn er am Leben bleibt. Und das heißt, für den Professor die Pilze in der Höhle finden. Also auf in das Hasenloch und hinter die Spiegel. Habt ihr je die Definition von Wahnsinn gehört? Er bedeutet, das immer Gleiche immer wieder zu tun und zu erwarten, dass sich etwas ändert...

Nun, etwas hat sich geändert. Zumindest im Vergleich zu Far Cry 2. Was für mich kein Far Cry war. Oder ein gutes Spiel, aber das ist ein anderes Thema. Hier, in Far Cry 3, findet sich alles, was den ersten Teil auszeichnete und noch mehr. Keine ständig kaputten Waffen, kein endloser Respawn, kein sinnloses Herumcruisen in einer großen, aber toten Welt. Dem Anschein nach gelingt es Far Cry 3 erneut, eine Verbindung aus Freiheit und Fokus, die Far Cry zu einem fesselnden Abenteuer werden ließ. Die Spielmechaniken wirken schon in der Pre-Alpha tadellos, die visuellen Eindrücke kann ich einfach nur als 'atemberaubend schön' beschreiben und mit Vaas und Co. kehrt nach dem Afrika-Ausflug ein weniger realistischer, aber weit verstörender und unterhaltsamer Wahnsinn auf die Insel zurück.

Sei es nun die verblüffend schnell fesselnde Handlung, die donnernde Action oder der Abgrund am Rande der Vorstellungskraft in den kleinen Drogentrips, Far Cry 3 wirkt wie eine geschlossene, stimmige Erfahrung, die einen nicht ganz unberührt zurücklassen wird. Es wird ein Shooter. Aber gleichzeitig könnte es so viel mehr werden. Ein furioses Comeback, dem es gelingt, seine Vorgänger in den Schatten zu stellen.

Far Cry 3 erscheint am 6. September für PC, Xbox 360 und PlayStation 3.

Schon gelesen?