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Far Cry blieb Far Cry - Weit mehr als man erst mal denkt

Konsistentes Ballern seit 14 Jahren.

Der Test zu Far Cry 5 kommt am Montag, bis dahin mal ein kurzer Blick darauf, was eigentlich von Far Cry aus dem Jahr 2004 blieb. Nachdem ich ein paar Gespräche hatte, dass Far Cry ja gar nicht mehr Far Cry sei, sondern Ubisoft-Template X mit Ballern, und ich selbst vielleicht nicht dieses negative Gefühl dabei habe, aber auch, dass das erste Far Cry etwas Anderes war, schaute ich mal genauer hin. Zu meiner eigenen Überraschung stellte ich fest, dass je mehr die Dinge sich gefühlt geändert haben, sie doch faktisch gleichblieben. Spoiler oder Embargobrüche sind dafür nicht nötig, einfach nur, was eh schon über Far Cry 5 bekannt ist und eine kleine Rückbesinnung darauf wie das damals vor so langer Zeit eigentlich mit Far Cry war.

1. Gestrandet und alle sind wahnsinnig

Nicht ganz normal.

Ein durchgehendes Thema. Nummer fünf wie auch schon Teil vier bringen etwas ernstere, näher an der Realität verhaftete Grundthemen mit als "verrückter Wissenschaftler auf Dr. Moraues Insel", aber verrückt sind sie alle. Mit loser Ausnahme des zweiten Teils, der wirklich etwas ernster war, ist der irre Bösewicht fast schon ein Markenzeichen geworden. Ehrlich gesagt wurden sie deutlich verrückter, denn der finale Bösewicht hatte damals relativ konkrete, normale böse Pläne, während der Endzeit-Kult um die neue Truppe ihr komplett eigenes Ding macht. Aber von unterschiedlichen Graden von irre mal abgesehen, daran hat sich in 14 Jahren nicht viel geändert.

Auch daran, dass die Rolle des Spielers immer die des Gestrandeten ist, der sich zurechtfinden muss. Es zieht sich als Motiv fast durch die ganze Reihe, zumindest die großen Teile. Hier ist der Besuch im Tal der Irren zwar nicht ganz freiwillig, sondern Teil des Jobs, aber an dem "Fisch außerhalb der eigenen Umgebung"-Thema ändert das wenig. Kein sonderlich relevanter Punkt, aber eine Gemeinsamkeit.

Nicht ganz normal...?

2. Wissenschaft durch den Wind

Das Thema des verrückten Wissenschaftlers hält sich auch sehr hartnäckig, wobei es im ersten Teil ab der Mitte des Spiels mit den Horden an Mutanten-Monstern natürlich extrem dominierte. In Teil drei gab es die Drogenexperimente, Teil vier hatte göttliche Visionen ominöser Gottheiten und Kämpfe in Parallel-Dimensionen und auch der aktuelle Teil setzt an einem Punkt auf Visionen und Drogen. Sogar eine Art Monster kommt vor. Nie wieder haben wir bisher gegen hunderte von Mutanten kämpfen müssen, während wir unter Zeitdruck von einer explodierenden Bond-Insel fliehen mussten, aber ein wenig außerhalb des strickt Realen blieb die Serie immer.

3. Es spielt sich sehr ähnlich und lässt euch sehr ähnlich spielen

Das vielleicht damals Ungewöhnlichste für einen Shooter war die Freiheit in einem Genre, das diese gerade erst zu entdecken begann. Auch wenn der Ablauf etwas loser in eine feste Reihe von Missionen und Zielen eingebunden war, ihr hattet links und rechts vom Zielmarker ungewohnt viel Freilauf, wie ihr an die Sache rangehen wolltet. Die Gegner, solange ihr sie nicht gestört hattet, wanderten herum, hielten einen Plausch untereinander und warteten geduldig, bis ihr eure Angriffsstrategie gefunden hattet. Das Gebiet war dabei nicht beliebig groß, aber immer groß genug, dass ihr euch aus sicherer Entfernung auf die Lauer legen und mit dem Scharfschützengewehr "arbeiten" konntet, Feinde markiert habt, bevor ihr dann für die letzten drei Feinde und das Finale mit gezogener Pistole den Rambo macht.

Erst aus der Ferne...

Ich spiele Far Cry heute noch exakt so, schlicht, weil es eine effektive Strategie ist und das Spiel mich lässt. Sicher, die Feinde wurden etwas schlauer, suchen euch lange und nicht ganz planlos und gehen nicht gleich wieder zurück auf Position, wenn 20 Sekunden nichts passierte. Ein ganz simpler Camper darf ich nicht mehr sein und muss schon seit dem Dritten meine Position häufiger wechseln. Aber sonst? Sniper mit Rambo-Finale seit 14 Jahren, erfolgreich und erprobt, kann ich nur empfehlen. Egal welches Far Cry ihr spielt.

... und dann das Finale. Bewährt seit 2004.

4. Kein Leveln, keine XP

Jedenfalls nicht richtig. Nach wie vor stellt sich Far Cry gegen den Trend, dass Spieler und Gegner Level haben, die ihr über XP-Sammelei erreichen müsst. Es gibt das Freischalten neuer Fertigkeiten und nach und nach werden die Areale von stärkeren Feinden bewacht, aber vergleicht man es zum Beispiel mit The Division oder dem neuen Assassin's Creed, blieb Far Cry nach wie vor dabei, dass Level nicht nötig sind. Bessere Waffen und ein paar Perks müssen reichen.

5. Die Karte ist wieder unbekannter

Eine Stärke des ersten Teils war sicher, dass die Karte nur anzeigt, was ihr entdeckt habt und so das Abenteuer-Flair der einsamen, unerforschten Tropeninseln besser unterstützte. Das ging mit den Ubi-Towers der letzten Far Crys etwas verloren, als ein Besuch bei einem Turm mehr zeigte als eine zweiwöchige Beschattung durch einen CIA-Satelliten. Und euch blieb nur übrig, das abzuarbeiten was gezeigt wurde.

Die Ubi-Towers (hier Teil 4) sind fürs erste Geschichte.

Far Cry 5 geht nicht ganz zurück, handhabt eure Progression durch die Welt aber viel natürlicher. Ihr habt ein paar Punkte zum Start und von dort aus findet ihr Karten - absolut zufällig, sie sind nirgendwo eingezeichnet -, die euch etwas mehr freischalten. Sprecht mit geretteten NPCs, die euch manchmal das eine oder andere über die Gegend verraten. Und Missionen bringen euch in neue Bereiche. Aber ihr habt nie das Gefühl, dass das Spiel die Open-World-Gießkanne ausschüttet, sondern ihr euch erarbeitet, was ihr seht, was ihr sucht und was ihr spielt.

Das dürfte auch de wichtigste Punkt sein, der die ersten Far Crys und das neue miteinander verbindet, während die Teile dazwischen etwas außen vor bleiben.

6. Nicht nur zu Fuß

Fahrzeuge waren schon immer Teil der DNA.

Inzwischen kam noch die motorisierte Eroberung der Lüfte dazu, aber mit Autos, Booten und Gleitern waren wir schon immer in Far Cry unterwegs. Mittlerweile steuern sie sich sogar ganz brauchbar.

7. Der Grafikschock in exotischen Umgebungen

Der Urknall des ersten Far Cry lässt sich natürlich nicht beliebig wiederholen. Für seine Zeit, mit dem Grad der Details in der Vegetation in Verbindung mit den extremen Sichtweiten kann man ohne schlechtes Gewissen argumentieren, dass Far Cry im Jahr 2004 das bestaussehendste Spiel war. Doom 3 zeigte mehr Details, Half-Life 2 war der König vieler Klassen, aber wenn es um die Sichtweiten und den Eindruck einer freien, unglaublich schönen Welt ging, gab es keinen Konkurrenten. Nicht mal GTA: San Andreas, das sicher jede Menge andere Qualitäten bot, aber selbst dieses muss sich hier der Macht des ersten CryEngine-Auftritts beugen. Es half natürlich auch, gleich so stark zu starten, wie Far Cry das tat. Den gestrandeten Flugzeugträger hat wohl keiner vergessen, der das Spiel je angefangen hat. Ein Moment, den das Spiel danach leider nie so richtig toppen konnte.

Große Momente, 2004.

Das heute zu wiederholen ist praktisch nicht möglich. Zu viele Spiele bewegen sich im Triple-A-Bereich auf einem zu hohen, gemeinsamen Level, den sie wie auch die Engines teilen. Und trotzdem, Far Cry 5 mag jetzt nicht alles aus dem Wasser hauen, was es sonst gibt, aber wenn die Sonne über einem Tal richtig steht, auf dem Wasser des Flüsschens reflektiert, dann bleibt man schon immer noch mal stehen und denkt sich: Meine Güte, sehen Spiele heutzutage gut aus. Wobei man natürlich sagen muss, dass dieser Teil bei der Exotik der Locations ein wenig passen muss. Es ist halt Montana. Big-Sky-Postkarten-Country. Keine gestrandeten Flugzeugträger hier zu finden.

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Far Cry blieb überraschend Far Cry

Es gibt natürlich viele Dinge, die anders sind. Die Masse an NPCs, die wirklich freie Welt, die nur selten in spezifischen Missionen ein wenig eingeschränkt wird, das weit umfangreichere narrative Element und deutlich mehr Abwechslung in den Missionen selbst, auch wenn es nach wie vor oft auf Zielen und Schießen hinausläuft. In vielen Kernpunkten jedoch unterscheidet sich Far Cry im Jahr 2018 nicht so sehr von 2004 wie man erst mal meinen sollte, wenn man etwas nostalgisch an den Moment zurückdenkt, in dem man das erste Mal das Licht der Sonne über grünen Inseln sah, um ein wenig später die Mutanten-Monster eines verrückten Wissenschaftlers zusammen mit seinen Söldner-Horden zurechtzustutzen. Vor allem der Verzicht auf die Ubi-Towers und damit das zu bequeme Freischalten aller Dinge, die die neue Welt bietet, bringt es nah zurück an dieses Gefühl, gestrandet zu sein und gucken zu müssen wie man durchkommt. Den Retro-Charme, den Far Cry sich im Kopf bewahrte - was ein lustiger Satz bei einem Spiel ist, das einen derart technischen Sprung bedeutet und heute nach ansehnlich genug ist -, wird immer da sein. Aber ich kann ehrlich sagen, dass je länger ich darüber nachdenke, Far Cry sich selbst weit mehr treu blieb als ich gedacht hätte.

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