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Far Cry: New Dawn - Wenn das Sägeblatt im Hinterkopf einfach nicht genug ist

Oder Bären Raketen zum Frühstück fressen.

Ich gebe zu, einen Bären mit vier, fünf Schüssen aus einem Raketenwerfer zu erlegen, hat was. Etwas ganz Seltsames, sehr Apokalyptisches. Nicht, weil ich Overkill landen wollte und das Biest war schon nach dem ersten Treffer tot, wie es sich gehört. Nein, das Ding brauchte so viele Treffer, bis es endlich nicht länger durch das entstandene Flammenmeer unentwegt auf mich zustürmte, brennend wie ein Ungetüm aus den unteren Höllen. Das sind die Momente, in denen mich Far Cry: New Dawn schwer atmend zurückließ.

Das kleine Problem dabei ist, dass dies ein Teil der "RPG-Light"-Mechanik ist. Direkt nach dem Start des Spiels war ich selbst und meine Waffen Level eins, der Bär, eine Zufallsbegegnung, Level drei. Am Rande unseres Schlagabtausches ging auch noch ein möglicher Nebenquest-Geber drauf, den ich für diesen Spieldurchgang scheinbar verloren hatte. Nicht so schlimm, es gibt genug zu tun, aber es zeigt, wie chaotisch unstrukturiert und mitunter auch schlicht unfair diese Mechaniken sein können.

Das wird richtig schmerzhaft, wenn es an den Stealth-Teil der Basiseroberungen geht - kleiner Hinweis, es ist ein Far Cry, also gibt es alles, was es seit Teil drei gibt. Türme scheinbar nicht, aber sonst habt ihr Haupt- und Nebenquests, spezielle NPCs, die euch zur Seite stehen, Zufallsbekanntschaften und natürlich feindliche Basen. Durch diese schlich man sich zuvor brav durch, ließ sich nicht sehen, nachdem alle Feinde aus der Ferne markiert waren und arbeitete sich durch die Sichtlinien. Auch daran hat sich nichts geändert. Nur, dass es jetzt in jeder Basis mindestens einen Gegner mit einem höheren Level zu geben scheint und was das bedeutet, das machte mir mein erster Versuch, ihn lautlos auszuschlachten, schmerzhaft deutlich. Die beste Waffe im Spiel ist eine Art lautloser Sägeblatt-Werfer, der absurden Schaden austeilt. Feinde auf eurem Level sterben nicht nur, sie STERBEN!!. Das sollte wohl auch für einen Kopftreffer von hinten für einen Level-zwei-Feind reichen. Pustekuchen, er hatte noch fast die Hälfte seiner Lebensenergie.

Das Konzept ist nicht neu und Ubisoft baut es derzeit in alle seine Spiele ein. Assassin's Creed: Odyssey will auch nicht, dass ihr jeden Feind auf die gleiche Methode mit einem Schlag erledigen könnt, The Division setzt eh komplett auf den Mix aus Shooter und RPG und ist damit ein sehr von seinen Mechaniken getriebenes Spiel. Far Cry: New Dawn passt da perfekt mit rein. Ich habe keine Lösung für diese dezente Dissonanz aus RPG-Konzept und real wirkendem Shooter und ich kann auch nicht sagen, warum es mich hier stört, aber nicht in den anderen beiden genannten Spielen. Das werde ich dann wohl im Test noch ergründen, aber derzeit kann ich sagen, dass mich dieses RPG-Light in dieser Serie nicht begeistert.

Vielleicht auch, weil es mal wieder mit endlosem Sammeln und Hochleveln der eigenen Basis verbunden ist, was sich mehr als Streckung anfühlt und das schon in den ersten Stunden. Was ist so falsch an Meilensteinen in der Handlung, bei denen dann meine Basis neue Waffen produzieren kann? Stattdessen hortet ihr mal wieder alles, was geht, und zumindest inhaltlich macht es irgendwo Sinn. Nach der zumindest zum Start nicht näher erläuterten Atomkatastrophe - die Raketen kamen, aber das Warum bleibt vage - muss halt alles wiederaufgebaut werden. Zumal auch zwischendurch die mal wieder sehr stereotypen Ubi-Hipster-Bösewichte alles noch mal abfackelten. Aber trotzdem, muss denn der Held den Handwerker spielen? In mittlerweile fast jedem Spiel?

Auch bin ich noch nicht von der Idee überzeugt, eine einmal eroberte Basis aufgeben zu können, damit diese dann von neuen, stärkeren Gegnern mit viel Loot in den Taschen wieder besetzt wird. Es fühlt sich sehr schnell nach reinem Overkill an, wenn ihr nach ein zwei Steigerungen diese neuen Super-Feinde nicht mal ankratzen könnt. Das oder ihr wartet und greift sie dann an, wenn ihr so hoch gelevelt seid, dass ihr wahrscheinlich nicht mal mehr dieses Loot wirklich braucht. Könnte alles funktionieren, dafür muss ich länger spielen. Sehr nett sind die Expeditionen. Habt ihr den Hubschrauber in der Basis repariert, werdet ihr zu in sich geschlossenen Nebenmissionen außerhalb des Gebietes geflogen, die ziemlich cool wirken. Eine riesige Eisenbahnbrücke mit lauter Loot-gefüllten Zugtrümmern über einem gewaltigen Canyon, Sachen in der Richtung. Aber statt ein einmaliger Ausflug zu sein, der hängenbleibt, ist es offenbar möglich, diese Expeditionen zu grinden und so mehr Ressourcen als sonst wo in der Welt abzugreifen. Also spielt man einen eigentlich einmaligen, denkwürdigen Ausflug zigmal, um die Fleißaufgaben schneller hinter sich zu bringen. Wie gesagt, "RPG light" in Far Cry hat bei mir noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten.

Was dagegen wirklich ein großer Spaß ist ... So ziemlich alles andere. Erst einmal sieht die Welt hinreißend aus. Die Idee, dass nach der Katastrophe erst einmal eine lange Dürre folgt, dann nach Jahren endlich wieder Regen fällt und wie bei einer Wüste mit dem Wasser die Vegetation hundertfach zurückkommt, klingt recht greifbar. Vielleicht nicht ganz wissenschaftlich akkurat, da lasse ich mich gern aufklären, aber passen tut es. Und es ist eine wunderbare Ausrede, eine weitere Endzeit nicht grau-braun zu gestalten, sondern farbenfroh. Manchmal ein wenig zu sehr, denn die Bösen markieren ihr Territorium gern mit bunten Neon-Farben. Ganze Bergwerke und Dörfer wurden bunt gestrichen, was ein paar Fragen aufwirft, die man wohl nicht stellen sollte. Wo haben die die ganze Farbe her? Haben sie Farbfabriken? Malen die Typen, die auf mich schießen alles an oder gibt es Geheimkommandos, die nachts alles bunt anstreichen? So viele Fragen ...

Aber ja, aussehen tut Far Cry: New Dawn fantastisch und meine Sorge, dass die Ähnlichkeiten zu Teil fünf zu groß sein könnten, haben sich bisher nicht bewahrheitet. Schließlich ist es ja die gleiche Gegend, aber die Bomben haben schon ihren Teil getan, ein wenig Erde umzuschichten und die neue Vegetation lässt es wie ein anderes Land wirken. Immer wieder jedoch stoßt ihr auf Relikte und Orte aus dem Vorgänger und sie Jahre später nach der Katastrophe zu sehen, gibt ihnen einen weit spannenderen Appeal als sie in Far Cry 5 je hatten. Auch Spuren des Kultes aus dem Vorgänger sind natürlich da, einige der Kultisten leben noch und warum auch nicht. Am Ende hatten sie ja recht und waren als einzige wirklich vorbereitet.

Es ist eine interessante Verquickung aus einer neuen, bisher etwas generisch wirkenden Handlung und den Spuren der Vergangenheit. Auch einige alte Vertraute der Serie tauchen neben neuen Gesichtern auf und eine Mischung daraus wäre natürlich der neue Hund Timber. Euer alter vierbeiniger Freund ist natürlich lange tot, ihr spielt auch einen neuen Helden - keine Ahnung, ob ihr auf den alten trefft, aber vorstellen könnte ich es mir -, aber schnell findet ihr einen neuen Kläffer, der perfekt das Stealth-Spiel beherrscht. Was wäre eine Endzeit ohne einen Hund. Da kann The Road Warrior noch so alt sein, seine Fußstapfen sind halt tief.

In den Missionen habt ihr neben reinem Schleichen, Abmurksen und offenen Ballern wieder ein wenig Hüpfen und sogar kleine "Rätsel" mit verbaut. So wollte ich einen verlassenen Bunker ausräumen, aber eine massive Tür mit Kartenleser verhinderte das. Also kramse ich in den Ruinen der alten Kirche weiter herum und fand einen Zettel, der andeutete, dass ein abgerichteter Bär kommt, wenn man ihn ruft. Wie könnte man ihn rufen? Ein Schuss auf die Kirchenglocke und siehe da, der Bär kommt, Schlüsselkarte um den Hals. Der Schreiber des Briefes sagte noch, dass er seine Zweifel an dieser Maßnahme hat und dass er fürchtet, dass der Bär eines Tages den Eigner des Bunkers auffressen würde. Das erklärt wohl die Reste am Eingang. Es sind halt diese kleinen Geschichten am Rande, die dieses Far Cry auszeichnen könnten.

Far Cry: New Dawn führt die Geschichte interessant genug weiter, es hat definitiv die Technik auf seiner Seite und die Welt wirkt spannend und einladend. Rein von den Shooter-Mechaniken, der Bewegung und den vertrauen Missionsmerkmalen ist alles wie gehabt und erprobt, das funktioniert als Open-World-Shooter tadellos. Und es ist eine Welt, die ich bisher gern erkundet habe. Die alten Lokalitäten im Hinterkopf, jetzt, Jahre nach der Katastrophe neu zu entdecken, machte mehr Spaß, als ich in Far Cry 5 insgesamt hatte. Hätte es New Dawn dabei belassen, es hätte mich schon fast überzeugt. Aber das Überstülpen von Teilen der Division-RPG-Mechaniken, das Sammeln und das Zwangs-Crafting, ich bin noch sehr unschlüssig, was das angeht. Es passt sicher ideal zum Gaming-Zeitgeist, der die RPG-isisierung von praktisch allem verlangt und Crafting zur Pflicht erklärt hat. Aber brauchte ein so gradliniger, ehrlicher Shooter, wie Far Cry das in seinem tiefen Herzen immer noch war, wirklich? Bald werden wir es wissen.


Entwickler/Publisher: Ubisoft Montreal / Ubisoft - Erscheint für: Switch, PC, iOS, Android - Erscheint am: 15. Februar 2019

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