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Far Cry Primal: Mit Eule, Keule und Beule aus der grünen Hölle

Wilma das spielen?

Selbst wenn Ubisoft noch vor der Fertigstellung von Far Cry 4 mit der Entwicklung Primals begann, sind ein Jahr und eine Handvoll Monate sicher kein Polster zum Ausruhen. Ein enger Zeitrahmen wie dieser drängt die Frage auf, wie sehr der Steinzeitableger auf eigenen Füßen steht und inwiefern das überhaupt möglich ist. Nach drei Stunden Spielen kann man sagen, Primal stützt sich erkennbar auf den Vorgänger. Dass es keine Krücken braucht, liegt daran, dass dessen Gerüst erprobtes Terrain absteckt.

Ubisofts Open-World-Skizze ist in den vergangenen Jahren zu einem überladenen Gemälde angewachsen, aus dem sich jeder herauspicken darf, was ihn interessiert. Primal folgt dieser Maßlosigkeit insofern, dass es seine Karte mit Symbolen für dies und das überzieht, denen nachzugehen die Länge eurer Freizeit bestimmt. Unglaublich viel Beständiges steht auch 10.000 v. Chr. nicht zu erwarten. Entweder ihr helft den Stammesfreunden in ihrem Lager um die Ecke oder eben nicht. Entweder unternehmt ihr eine Eskorte zu einem sicheren Lagerplatz und gewinnt dadurch Anhänger oder nicht.

Die Spielwelt ist wieder voller Lager, die man entdecken, ignorieren oder einnehmen kann. Wie immer aus jeder beliebigen Richtung und mit einer Taktik, die in eurer Hand liegt.

Für Ubisoft scheint Primal auch ein Prüfstein, den Satz hauseigener Mechaniken dem Setting entsprechend anzugleichen. Statt mit einem Fernglas Basen auszuspähen und Feinde zu markieren, tut ihr das mit einer Eule (jetzt stellt euch das bitte bildlich vor, einfach Glas gegen Eule tauschen...). Tatsächlich steuert man sie entlang von Baumwipfeln, kann Gegner hervorheben und aus der luftigen Perspektive bereits mental einen Plan fassen, welchen Feind man als Erstes erledigt und womit. Statt Kehlenschlitzer-Takedowns finden sie mit selbstgebauten Keulen oder Speeren statt. Statt Pfeil und Bogen fertigt ihr... eben einen anderen Bogen. Greifhaken zum Klettern sowie Tierhelfer sind dabei und Feuer war in der Steinzeit bekanntlich ebenfalls eine große Nummer - das wilde Herumzündeln inmitten der wunderschönen Natur wird nie alt, besonders in der Qualität. Ich denke, ihr habt eine Vorstellung.

Es sind sattelfeste, gut funktionierende Systeme, rein für sich betrachtet, aber nirgendwo in eine unerwartete Richtung ausschlagend. Wer sich an Far Cry 4 sattgespielt hat, muss schon sehr vernarrt sein ins neue Szenario. Ansonsten kann man Primal sicher als guten Einstiegspunkt in eine Serie betrachten, von der man gespannt sein darf, wie und ob der nächste große Hauptteil den entscheidenden spielerischen Spin hinbekommt oder sich weiter mit leichter Abwandlung des Erprobten begnügt.

Die Figuren mit ihrer steinzeitlichen Sprache sind richtig gut gelungen, zumindest die paar, die ich schon gesehen habe.

Dabei gibt es so manchen Unterschied zu Teil 4. Blinkt dort während des um Bedrückung bemühten Tutorials die erste Loot-Kiste und danach gefühlt alle zwei Minuten eine neue Freischaltmeldung seitlich am Bildrand, verhält sich Primal deutlich weniger aufdringlich. Es lässt sich mehr Zeit zur Charakterisierung des Wenja-Stammes, zum Beispiel anhand einer jungen Frau, die ihr durch Höhlen verfolgt. Der Weg zu ihr ist Einleitung, ein Vertrautmachen mit Keulenbau und den Hexer... Jägersinnen (Blutspuren hervorheben und so was). Wenn sie dann ihre von einem Säbelzahntiger erlittenen Wunden versorgt wissen möchte und die durchgekauten Blätter - jepp, ihr müsst sie sammeln - in eure Hand spuckt, sagt das überraschend viel über ihr Vertrauensverhältnis euch gegenüber. Primal fühlt sich hier angemessen steinzeitlich an und die Schauspieler legen in Sachen Körpersprache alles in ihre Rollen. Als ein Schamane in einer frühen Szene etwa ein Feuer entzündet, spürt man an seiner Reaktion, welche Kostbarkeit es in diesen längst vergangenen Zeiten noch ist.

In Sachen Kulissenaufbau ist höchstens zu befürchten, dass sie ihre Schönheit durch die Marker ein Stück weit selbst untergräbt. So funktionieren diese Spiele eben, man kann den meisten Blinkkram abschalten, und wie gesagt, Primal hält sich mit der Kirmes deutlicher zurück als der Vorgänger. Es hat schon seinen Vorteil, dass es in der Steinzeit keine Funkgeräte gab und man nicht jederzeit erreichbar war. So oder so ist es eine herrlich urwüchsige Welt zwischen Steppe, Nadelwäldern und Gletschern. Ein willkommener Gegensatz zur etwas monotonen grünen Hölle eines Far Cry 4. Ubisofts Landschaftsgestalter taten, was sie seit Teil 2 am besten können, und bauten erneut ein kleines Ökosystem aus Wildtieren und den ihnen gegebenen Feinden, den Menschen.

Auch wenn es hier vielleicht anders aussieht: Der Nahkampf in den ersten Stunden ist nicht besonders packend, sondern reiht einen Schlag an den nächsten.

Die dabei entstehenden Unwägbarkeiten sind es, die trotz aller Routine im spielerischen Aufbau versöhnlich stimmen können. Wer behauptet denn, dass ein Bär kein Lagerfeuer streifen, Feuer fangen und eine ganze Wiese in Brand setzen kann, während er sich gegen andere Jäger wehrt? Wer sagt, dass Zurückhaltung in so einem Moment nicht deutlich unterhaltsamer sein kann, als brüllend einzugreifen? Und wer sagt, dass man mit brennenden Pfeilen nicht eine geschickte Falle legen und das NPC-Verhalten ein Stück weit gegen sich richten kann?

Obwohl es weder Granaten noch Flammenwerfer gibt, verspricht Primal wunderbare Kettenreaktionen, und ich müsste lügen bei der Behauptung, damit nicht viel Spaß gehabt zu haben. Säbelzahntiger oder Wölfe lassen sich mit einer Fackel prima in Schach halten und eine abgewandte Dorfseite mit einem Brandpfeil zu spicken, sich dann aber von woanders anzuschleichen, das wird nie alt.

Was im ersten Moment enttäuschte, ist der Nahkampf. Vielleicht entwickelt er sich im Rahmen des Skill-Baums in eine gehobenere Richtung, aber zu Beginn haut man einfach nur mit einer Keule auf Köpfe. Einer nach dem anderen bezieht Dresche. Derzeit gibt es noch keine Möglichkeit, feindliche Angriffe abzuwehren oder zu kontern, Ausdauer ebenfalls nicht, was die Auseinandersetzungen sehr simpel erscheinen lässt. Über zehn Stunden hätte ich darauf ehrlich gesagt wenig Lust.

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Das Zähmen der Raubtiere dagegen könnte mehr werden als nur das Abarbeiten einer Liste mit Bären- oder Wolfsköpfen. Zuerst wirft man ihm einen Köder hin und sieht, wie es sich daran labt. Nun keinen Fehler machen, schleichen, Geräusche vermeiden. Ihr müsst unbemerkt in die Nähe kommen, was bei einem Säbelzahntiger ohne eine ordentliche Portion Mumm eine größere Überwindung ist, als es der Rahmen eines Videospiels im ersten Moment erahnen lässt. Auf einigen Tieren könnt ihr reiten, andere sind im Zusammenspiel mit dem Verhalten der restlichen Spielsysteme eine nette Ablenkung, etwa die Flucht ergreifende Kleintiere, wenn man auf einem Tiger reitend des Weges kommt. Wölfe können Ressourcen oder Lebewesen markieren, Leoparden sogar schleichen, Beute von hinten reißen und beim Auskundschaften eines Camps behilflich sein.

All das krempelt Ubisofts bekannten Ansatz nicht von innen nach außen, was hier und da sicher begrüßenswert wäre. Primal polstert ihn mit szenariokonformen Systemen so weit neu aus, wie es ein Spin-off keine eineinhalb Jahre nach Teil 4 zulässt. Kann man machen, zumal die Spielwelt wunderschön aussieht, das Tierverhalten eine Wonne sein kann und das Feuer spielerisch so herrlich lodert wie eh und je. Ein letztes Mal nehme ich es gern, wie es kommt, sozusagen als Rausschmeißer aus dem Ubitower, kann aber auch jeden verstehen, der das nicht mehr haben möchte.

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