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Fast 30 Jahre King of Fighters in einem Buch? Das geht, aber die ultimative Historie ist es dann nicht

King of Fighters: The Ultimate History muss einfach Abstriche machen. Sonst wären es 2000 Seiten geworden.

Wenn es um schiere Masse geht, dann macht King of Fighters so schnell keiner was vor. Egal in welcher Disziplin. Seit 1994 gab es 24 Spiele, knapp 50 Kämpfer, zig Stages, Musik bis zum Abwinken, es ist in seinem Genre ein Mega-Franchise. Umso verwegener, ein Buch zu veröffentlichen, dass da „Ultimate History“ heißt. Es gibt hier so viel Historie, dass es für eine ganze Buchreihe reichen müsste. Nun, 544 Seiten sind eine Menge, werfen wir mal einen Blick rein.

Ihr habt nach Einleitung und Vorwort – zu ganzen vier Absätzen ließ sich Yasuyuki Oda hinreißen – 60 Seiten vorwiegend in Text gefasste Historie, dann folgen 220 Seiten Pixel aus allen Spielen. Allen Spielen? Nun, weitestgehend. ´98 Ultimate Impact wird gewürdigt, ebenso 2002 Unlimited Match, R1 und R2 sind dabei, aber die Maximum Impact Reihe ließ man als Spin-Off außen vor, wie auch Neowave oder die Gameboy Advance Ausgaben. Auftritte der Figuren in anderen Serien oder Patchinko-Slots fielen ganz unter den Tisch, aber das ist bei der immer noch gewaltigen Masse an Spielen verzeihlich. Weiter geht es dann mit 140 Seiten Charakter Artworks und noch mal 70 oder so für Key-Artworks der einzelnen Spiele. 50 Seiten Interviews schließen das Buch, einen Index gibt es nicht, ist aber auch hier nicht wirklich nötig.

Die Luxus-Edition kommt im Schuber mit Goodies daher (ca. 65 Euro), während die normale Edition nur 40 Euro kostet. Das Buch an sich ist aber identisch.

An anderer Stelle sagte ich gerade schon etwas dazu, hauptsächlich, um jetzt nicht auf King of Fighters Ultimate History herumzuhacken. Das Buch ist zu gut, als dass es verdient hätte, jetzt die volle Breitseite abzubekommen, aber ja: Wie alle Pixel-Bücher zeigt es die Spiele, wie sie nie aussahen. CRT-Bildschirme reihten nicht die Pixel sauber aneinander und so stürzt auch hier der Look in dieses seltsame Uncanny Valley der eigenen Erinnerungen. Es kommt mir bekannt vor, aber es ist nicht das, was ich kenne…

Aber gut, sehen wir da mal drüber weg. Jeder Titel bekommt mal zehn bis 16 Seiten, mal auch nur sechs. Schade fast, ich hätte gern noch eine Seite mehr zu den R-Titeln gehabt, aber gut, der Game-Boy-Look des Neo Geo Pocket ist nun mal nicht jedermanns Sache (und wer einen hatte, weiß, dass es auch hier nie so aussah). Was beim Durchblättern schnell auffällt ist, dass die Spiele zwar so hintereinander weg alle zur Geltung kommen, aber es gibt nur wenig direkte Vergleiche in der Entwicklung der wiederkehrenden Stages und Charaktere über die Spiele und Jahrzehnte hinweg.

Ihr findet aufwendig inszenierte Szenen...

Was definitiv fehlt, ist etwa eine Seite, die Robert Garcia oder Terry Bogart von 94 bis heute zeigt. Die Details, was sich verändert hat, was blieb, welche Moves kamen und gingen. So etwas fehlt komplett, wie auch überhaupt eine Seite, die mehr auf die Moves und ihre Entwicklung bei jedem Kämpfer eingeht, wie diese sich neuen Mechaniken anpassten. Stattdessen gibt es im Kapitel der Kämpfer – eine Doppelseite pro – meist nur eine Handvoll Konzept-Zeichnungen, die ein paar wenige Elemente der Evolution der Figuren aufzählt. Stattdessen gibt es im hinteren Teil dann 70 Seiten größtenteils recht bekannte Key-Art-Bildchen. Bei vielen von denen ist es oft genug etwas, was auch bei Suchen nach „King of Fighters XX Artwork“ aufpoppt. Da hätte man gern tiefer graben dürfen, zum Beispiel fehlen japanische Arcade-Werbe-Flyer oder Kabinett-Artworks komplett.

...wie auch Panoramen wie hier ausgewählte Stages.

Versöhnlicher bin ich dann beim geschriebenen Wort: Es beginnt mit einer unterhaltsam erzählten Geschichte der Spiele mit vielen Zitaten der Verantwortlichen. Auch hier habt ihr zahlreiche Illustrationen, aber der Text steht klar im Vordergrund und bemüht sich redlich keine Langfassung der Wikipedia-Artikel zu sein, sondern euch 25 Jahre Prügel-Historie unterhaltsam und in einem soliden Fluss näherzubringen. Ich kann das definitiv nicht für alle Bücher dieser Art sagen, aber hier habe ich diesen Teil gern gelesen.

Gleichen gilt für die Interviews. Im letzten Abschnitt habt ihr auf etwa 50 Seiten ausführliche Interviews mit sechs Entwicklern aus dem Kernteam der ersten Spiele, was sie sich damals so dachten, wo sie mit dem Spiel hinwollten, was ihr Gedanken zum Werdegang der Reihe sind. Entwickler, Planer, Komponist, es ist ein guter Querschnitt des Teams. Die Interviews selbst wirken etwas hektisch und sprunghaft, bügeln öfter über eigentlich spannende Themen hinweg oder beantworten sie praktisch nicht. So eine Stelle, wie man mit den Balancing-Problemen umging, die von 94 zu 95 auftraten, wo man dann die Teams selbst wählen konnte, wird mit einem „es nahm den Reiz des Charakters eines Teams, aber war es wert“ quittiert. Wer mal Japaner interviewt hat, weiß, dass das mitunter nicht einfach ist, gern mal was Lost in Translation bleibt oder der Partner lieber über was anderes sprechen möchte und man die Hinweise, dass das so ist, verpasst hat.

Etwas enttäuschend ist das Kapitel der Charaktere, das sich oft mit einigen Zeichnungen begnüght und nur wenig von der Entwicklung der Figuren über 25+ Jahre verfolgt.

Was den Druck und die Bindung angeht, gibt es hier rein gar nichts zu bemängeln. Wie immer liefert tadellos ab, die Farben sind kräftig und die Bilder auf schwarzen Grund zusetzen, hat sich bewährt. Der Kontrast setzt sie noch einmal besser in Szene.

Die Ultimate History of King of Fighters ist ehrlich gesagt ein wenig enttäuschend. Sicher, es gibt gute Texte und Interviews, die Bilder sind zahlreich, aber es ist auch eine absurde Menge an Spielen und ganz, ganz viel blieb da auf der Strecke. Nach wie vor, ein paar Beispiele wären die direkte Evolution der langjährigen Charaktere im Detail und nicht nur kurz angerissen auf ein paar sich leicht willkürlich anfühlenden Konzeptbildern. Ein anderer Punkt wäre Marketingmaterial, immer ein Highlight in der Retro-Ecke, da sieht es ganz mau aus. Ansonsten bekommt man halt das, was man kennt. Unnatürlich perfekte Pixel, schön aufgearbeitet und sortiert, aber ohne viel ins Detail zu gehen. Erneut, die schiere Masse an Spielen und Jahren macht es hier nicht leicht zum Beispiel auf Details in den Hintergründen zu gehen, wenn man für einen Titel wie King of Fighters 98 gerade mal etwas mehr als ein Dutzend Seiten hat.

Die langen Interviews sind sicher für Fans eines der Highlights des schön gestalteten Buchs.

Harte Fans finden hier ein paar interessante Texte, aber sonst wenig, was sie nicht so oder ähnlich kennen würden. Lose interessierte Retro-Fans können entspannt durchblättern, was diese History recht klar in die Ecke der Kaffeetisch-Bücher schiebt. Als solches ist es auf jeden Fall gelungen, schön genug ist es allemal. Aber die Zeit, in der man sich freute, dass überhaupt Bücher dieser Art erschienen, ist vorbei. Und selbst 500+ Seiten sind nicht genug, um eine solche Masse an Games fundiert abzuarbeiten.

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Martin Woger Avatar
Martin Woger: Chefredakteur seit 2011, Gamer seit 1984, Mensch seit 1975, mag PC-Engines und alles sonst, was nicht FIFA oder RTS heißt.

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