Faszination Stealth - Warum Schleichen mehr Spaß macht als stupides Ballern
Ein kleiner Rundgang durch das Military-Stealth-Genre und ein Blick in die Zukunft.
Erinnert ihr euch noch an All Ghillied Up? Falls euch jetzt ein „hä?" durch den Kopf schießt, dann müsst ihr euch nicht unbedingt Sorgen machen. Aber woran denkt ihr in dem Zusammenhang, wenn ich jetzt noch ein „Call of Duty" in die Runde werfe und wenn ihr berücksichtigt, dass es hier um Stealth geht?
Dann kommt euch vermutlich dieser eine Level aus Call of Duty 4: Modern Warfare in den Sinn, der eben auf den Namen „All Ghillied Up" hörte. Schauplatz: Pripyat in der Ukraine. Dieser erste Moment, in dem man nur auf ein Feld blickt und sich plötzlich neben euch etwas in den Gräsern regt. Es ist euer Begleiter, den ihr zuvor überhaupt nicht gesehen habt. Ein echtes Wow-Erlebnis. Regelrecht unsichtbar war man auch später, als man etwa mitten durch ein Feld kroch und Feinde an einem vorbei marschierten.
Aber: So spannend das alles aber beim ersten Mal auch sein mag, so sehr enttäuscht die bittere Realität dann aber auf den zweiten, genaueren Blick. Alles ist geskriptet und wenn ihr euch genau an das haltet, was das Spiel von euch verlangt, kann eigentlich nichts schief gehen. Kleinste Abweichungen vom Plan oder vom Weg sind hingegen nicht vorgesehen. Macht ihr es doch, haut euch das Spiel auf die Finger.
Die volle Ladung oder nur ein Hauch?
Es ist ein kleines bisschen Stealth, das hier zur Auflockerung zwischen dem gewöhnlichen Ballern seinen Weg in ein Call of Duty gefunden hat. Nicht, dass ich mich darüber beschweren würde, immerhin war es wohl einer der besten Level überhaupt in der Reihe. Aber Call of Duty will ja eigentlich auch gar kein Stealth-Titel sein. Insofern kann man wohl nicht erwarten, dass Fans des eben dieses Genres hier spielerisch wirklich zufriedengestellt werden. Da braucht es dann schon eher so etwas wie Konamis Metal-Gear-Solid-Reihe.
Ihr führt Solid Snake durch die verschiedenen Schauplätze und müsst einer Entdeckung durch die Feinde dabei möglichst umgehen, denn wenn erst einmal Alarm ausgelöst wird, bekommt ihr gleich noch mehr Ärger und müsst euch zurückziehen, bis sich alle wieder beruhigt haben. Metal Gear auf dem NES (oder bei späterer Geburt eben Metal Gear Solid) dürfte für die meisten Spieler das erste Mal gewesen sein, dass man Feinde in einem Videospiel am besten nicht direkt über den Haufen schießt, sondern ihnen lieber aus dem Weg geht. Für Spiele, die damals noch deutlich primitivere Machtfantasien lieferten als heute, ein echter Richtungswechsel, bei dem die Weichen für dieses Sub-Genre nachhaltig gestellt wurden. Zugegeben, man ist nicht gänzlich frei, noch immer auf die zur Verfügung stehenden Wege angewiesen, aber es sind eben Spiele wie Metal Gear Solid, die frühen Splinter Cells, Sniper Elite oder Sniper: Ghost Warrior, die zeigen, was am Thema Stealth eigentlich so faszinierend ist.
Die Schwierigkeit, die Dinge einfach zu gestalten
Aber was genau macht denn nun die Faszination aus? Kurz gesagt: Es ist einfach befriedigender. Nehmen wir einmal einen x-beliebigen Ego-Shooter als Beispiel. Ihr betretet einen Raum oder ein Areal und schießt dort alles über den Haufen, was die Waffe gegen euch erhebt. Das kann zwar ohne Frage ganz unterhaltsam sein, aber wirklich anspruchsvoll wird es zumeist nur bei größeren Gegnergruppen oder Titeln mit knallhartem Simulationseinschlag.
Metal Gear auf dem NES dürfte für die meisten Spieler das erste Mal gewesen sein, dass man Feinde in einem Videospiel am besten nicht direkt über den Haufen schießt, sondern ihnen lieber aus dem Weg geht.
Viel herausfordernder ist es da schon, wenn man eben in ein solches Areal geschickt wird, das mit Feinden gespickt ist, und dieses ungesehen passieren soll. Oder man muss einfach alle Feinde einen nach dem anderen ausschalten. Oder beides zusammen. Und das alles obendrein noch, ohne Alarm auszulösen, denn dann kommen womöglich noch mehr Gegner als ursprünglich vorhanden waren. Da die Protagonisten in Stealth-Titeln meist weniger aushalten als im üblichen Shooter, ist das nicht gerade empfehlenswert. Anders gesagt: Um sich das Leben in Stealth-Spielen einfacher zu machen, muss man zuerst den anspruchsvolleren Weg gehen.
Aber genau das ist wiederum die deutlich befriedigendere Methode. Nehmen wir mal an, ihr habt in einem Spiel die Wahl, leise oder laut vorzugehen. Ist es nicht wesentlich befriedigender, wenn ihr diesen Abschnitt leise meistert? Wer einfach seine Waffe zückt und alles niedermäht, was nicht bei drei in Deckung ist, hat am Ende zwar das gleiche Ziel erreicht. Aber er hat für die Erreichung dieses Ziels weniger investiert, als jemand, der mit dem Geruch der Jagd in der Nase aus seinem Versteck heraus die Lage analysiert und genau auf den richtigen Moment achtet, um zuzuschlagen. Jemand, der den Atem anhält, weil er kurz davor steht, entdeckt zu werden oder der gerade so einem Feind entgangen ist und jetzt erst einmal tief durchatmet, weil der bislang perfekte Ablauf nicht doch noch vermasselt wurde. Man verspürt dieses tolle Erfolgsgefühl und es fällt einem ein mal mehr, mal weniger großer Stein vom Herzen.
Und wenn es dann doch mal nicht klappt, man vielleicht einen dummen Fehler macht, ist der Ärger umso größer. Dieses Gefühl von Erfolg oder Misserfolg zeigt sich im Stealth-Genre sehr viel deutlicher als in einem gewöhnlichen Third-Person- oder First-Person-Titel, weil in diesen Augenblicken eben mehr auf dem Spiel steht. Wer mehr investiert, gewinnt im Gegenzug auch mehr - und damit ist nicht nur mehr Spielzeit gemeint (schließlich braucht das Beobachten und Ausführen seine Zeit), sondern auch der eigentliche Spielspaß.
Nicht immer hat man jedoch die Wahl. Manchmal ist es zwingend nötig, leise vorzugehen, einen Abschnitt ungesehen zu passieren, um den Alarm und damit den sofortigen „Game Over"-Bildschirm zu vermeiden. Wobei das zumeist früher der Fall war, heute sind die Spiele doch etwas freundlicher, verzeihender gestaltet, lassen euch noch eine Chance, wenn ihr mal einen kleinen Fehler begeht.
Schauen wir uns Sniper Elite oder eben auch das jüngst veröffentlichte Sniper: Ghost Warrior 2 an. Das leise, präzise und unentdeckte Vorgehen bringt euch in beiden Spielen mehr. Im richtigen Augenblick den Abzug zu drücken und zu sehen, wie der anvisierte Feind ohne Aufmerksamkeit zu erregen zu Boden geht, hat einen weiteren positiven Nebeneffekt: Es ist eine Motivation für den weiteren Spielverlauf. Dafür, weiter konsequent diesem Weg zu folgen. Aber gleichzeitig werdet ihr auch nicht sofort knallhart bestraft, wenn es mal nicht hinhaut. Ihr lenkt dann zwar die Aufmerksamkeit auf euch und bekommt vielleicht Schwierigkeiten, müsst jedoch nicht gleich den letzten Spielstand laden. Es sei denn, ihr wollt alles perfektionieren, aber das ist dann wieder ein anderes Thema.
Die nächste Generation
Ein Problem haben die meisten Stealth-Spiele aber gemein: Sie folgen stets dem gleichen Muster. Ihr bekommt eine Aufgabe, habt das eingeschränkte Spielfeld vor euch, müsst die Hindernisse - in welcher Form auch immer - auf dem Weg überwinden, kümmert euch dann um euer Hauptziel und wiederholt das Ganze immer und immer wieder. All das ähnelt anderen bekannten Spielmechaniken, in denen ihr beispielsweise einen Korridor passieren müsst, während aus einigen Bodenplatten in bestimmten Abständen immer wieder Flammen nach oben schießen. Es kommt lediglich auf das richtige Timing an. Das Problem daran ist, dass man sich eben ständig wiederholt. Irgendwann stellt sich das Gefühl ein, alles schon einmal erlebt und gesehen zu haben.
Doch wie sieht die Lösung aus? Die Technik spielt dabei künftig sicherlich eine nicht unwichtige Rolle. Hierbei könnte sich insbesondere die kommende Konsolengeneration mit ihrem deutlichen Arbeitsspeicher-Schub als ziemlich hilfreich erweisen, wovon letztendlich ebenso die PC-Fassungen profitieren werden. Aber andererseits liegt es natürlich auch an den Designern der Spiele, das alles deutlich abwechslungsreicher zu gestalten und mit wechselnden Bedrohungsszenarien und changierenden Einsätzen die Stimmung und Fallhöhe des jeweiligen Einsatzes zu variieren. Auch muss man sich in Sachen künstlicher Intelligenz von den Einschränkungen vergangener Generationen befreien, um dem Spieler ein unvorhersehbareres Gegnerverhalten in den Weg zu stellen. Blickt nicht in die Vergangenheit, sondern in die Zukunft!
In vielen Spielen fehlt zudem einfach das wirklich freie Einbeziehen der Spielumgebung, wenn man mal von irgendwelchen vorgegebenen Luftschächten oder den obligatorischen Überwachungskameras und Geschütztürmen absieht. Für manche scheint der Schritt in Richtung mehr Action der richtige zu sein, wie man es etwa bei Splinter Cell: Conviction sehen konnte. Aber das überzeugt die echten Stealth- und in diesem Fall auch Splinter-Cell-Fans nicht unbedingt, das ließ sich bereits anhand des Feedbacks zu besagtem Titel ausmachen.
Warum kann ich nicht einfach irgendwo nach Belieben ein Loch in eine Wand sprengen und mir selbst einen neuen Durchgang schaffen? Einen, der so nicht vom Spiel á la „genau hier kannst du ein Loch reinsprengen" vorgegeben wird.
Es braucht neue Ideen, größere Schauplätze, mehr Interaktivität in der Spielwelt anstatt immer nur die gleichen Ideen in anderer Form erneut zu verwenden. Warum kann ich nicht einfach irgendwo nach Belieben ein Loch in eine Wand sprengen und mir selbst einen neuen Durchgang schaffen? Einen, der so nicht vom Spiel á la „genau hier kannst du ein Loch reinsprengen" vorgegeben wird. Warum kann ich nicht irgendwo eine Leiter herunterlassen und somit eine Wache außer Gefecht setzen? Oder eine Tür auftreten, die einem Widersacher gegen den Kopf knallt? All das beruht noch viel zu sehr auf strikt vorgegebenen Möglichkeiten. An einer Stelle habe ich eine bestimmte Option, an anderer Stelle trotz gleicher Voraussetzungen wiederum nicht.
In Zukunft muss das Genre von seinen Grenzen befreit werden, die es jetzt noch einschränken. Dank neuer Technik und mehr Arbeitsspeicher dürfte das zumindest theoretisch einfacher werden. Aber was erwartet uns dann? Vorstellen könnte man sich zum Beispiel eine Spielwelt von der Größe eines Just Cause 2. Die einzige Vorgabe, die ihr bekommt, ist euer Ziel, der Rest liegt an euch. Wo es sich befindet? Wann es sich dort oder woanders aufhält? Sammelt die nötigen Informationen, indem ihr Nachforschungen anstellt. Und dann wartet, bis das Ziel mit dem Auto fährt und sprengt es in die Luft. Sucht euch einen einsamen Platz in einem Kilometer Entfernung und lauert ihm in seinem Haus auf. Oder geht auf Tuchfühlung, schleicht euch an etwaigen Wachen vorbei und erledigt euer Ziel im Nahkampf. Ebenso wichtig ist die Interaktion mit der Umgebung, auch mithilfe von Gadgets. Ich würde gerne öfter mal ganze Häuser wegsprengen und nicht immer mit diesen Gebäuden konfrontiert werden, die selbst starke Explosionen aushalten. Man könnte ein paar an einem Abhang gestapelte Baumstämme ins Rollen bringen oder vielleicht sogar etwas Geröll von einem Berg ins Tal regnen lassen. Kurz gesagt: Mehr Spielraum, mehr Freiheiten.
Das Stealth-Genre ist so schon ziemlich faszinierend und lebt im Vergleich zu den meisten Third- und First-Person-Shootern allen voran und auch ohne bombastische Inszenierung von seiner Spannung. Mit der kommenden Technik- und Konsolengeneration könnte es aber noch mal einen deutlichen Sprung nach vorne machen. Es liegt an Entwicklern wie Kojima Productions (Metal Gear Solid 5), Rebellion (Sniper Elite 3) oder auch City Interactive (Sniper: Ghost Warrior 3), genau das zu bewerkstelligen und zu beweisen. Die Möglichkeiten sind da, man muss sie nur nutzen. Lasst die nächste Spiele- und Hardware-Generation nicht nur eine technische, sondern auch eine spielerische Evolution sein!