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Feist - Test

Überlebenstrip im Monsterwald.

Sieht aus wie Limbo, spielt sich aber deutlich gehetzter. Wer hier nicht aufpasst, wird schnell zum Opfer tödlicher Schmeißfliegen.

Die gemeine Schmeißfliege eignet sich hervorragend als Gegner in einem Computerspiel. In Feist, einem 2D-Plattformer des kleinen schweizerischen Entwicklerstudios Bits & Beasts, macht sie mir jedenfalls Angst. Sie ist groß, fett, schimmert seltsam grün-braun und hat für ihren Körper unpassend große, alienartige Facettenaugen. Ein echtes Monster von der richtigen Perspektive aus betrachtet. Die richtige Perspektive ist in diesem Fall nicht die eines Menschen, der ein solches Vieh ja schnell mit einer Tageszeitung besiegen (vulgo: zermatschen) könnte. Es ist die eines kleinen, unschuldigen Fellballs, selbst nicht größer als besagte Monsterfliege, die ihrerseits auch noch in der Lage ist, riesige Stacheln zu verschießen. Der kleine Kerl spielt in Feist die ebenso sympathische wie hilflose Hauptrolle.

Mit seinen Schatten und minimalistischen Silhouetten erinnert Feist grafisch stark an Limbo - spielerisch ist es allerdings einigermaßen weit davon entfernt. In Feist geht es weniger darum, Puzzles zu lösen, viel mehr ist das Spiel ein ständiger Kampf ums Überleben. Tödliche Fallen säumen den Waldboden, über den ihr euch bewegt, und neben den eingangs erwähnten Schmeißfliegen will euch auch jede Menge anderes Getier an die Gurgel: Stachelige Riesenraupen, herumfliegende, einäugige Igelmonster und mehr. Ekliges Getier.

Zur Verteidigung stehen dem Fellball nicht viel mehr als Stöcke und Tannenzapfen zur Verfügung.

Um dem zu entkommen, müsst ihr euch verstecken - hinter Baumstämmen und unter Pilzen beispielsweise. Geschickter ist es aber, die Gefahren gegeneinander auszuspielen: Wer etwa eine Falle aktiviert, die tödliche Stacheln vom Himmel herabregnen lässt, und sich dann gleich wieder versteckt, kann so einige fliegende Gegner vom Himmel holen. So ist in Feist eben immer wieder nicht nur Geschick, sondern auch Taktik gefragt.

Jeder Gegner hat ein eigenes Angriffsmuster, jeder verlangt nach eigens auf ihn zugeschnittenen Verteidigungsmaßnahmen - obwohl sich optisch nicht allzu viel ändert, bleibt Feist auf diese Weise abwechslungsreich. Die Schmeißfliegen beispielsweise sind brandgefährlich, wenn sie ihre Stacheln durch die Lüfte schießen, lassen sich aber mit ein wenig Geschick aus der Luft fischen und ihrerseits als Waffe verwenden, mit der wiederum andere Gegner besiegt werden können. Das führt zu Momenten, in denen ihr auf die Gegner zuspringen wollt, um sie zu greifen, euch aber dann vielleicht doch nicht traut, weil sie zu gefährlich sind.

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In solchen Momenten ist Feist wie ein ständiges Ringen mit dem eigenen Schweinehund, ein Kampf um Mut. Diese Schmeißfliegen sind wirklich furchtbar. Am schlimmsten aber sind die großen Waldschrate. Während ihr euch gegen herkömmliche Gegner mit Stöcken oder Tannenzapfen noch notdürftig verteidigen könnt, helfen gegen sie nur die Waffen von anderen, also Fallen oder andere Gegner. Manchmal ist auch übereiltes Wegrennen ganz nützlich.

Ich hätte den mit seinen kleinen Glühwürmchen und fremdartigen Wesen magisch erscheinenden Wald in Feist gern ein bisschen mehr genossen. Zeit, die wunderbare Atmosphäre des Spiels aufzusaugen, bleibt aber nur in sehr begrenztem Maß. Weil Feist nämlich fies ist. Wer zum ersten Mal auf einen neuen Gegner trifft, wird ihm mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Opfer fallen. Zwar sterbt ihr nicht immer gleich beim ersten Treffer, aber viel hält die Fellkugel nicht gerade aus.

Diese Waldschrate sind die Antagonisten des Spiels.

Der Wald ist eine einzige Aneinanderreihung von Todesfallen, die nur sehr selten Raum zum Atmen lässt. Das kann frustrierend werden, vor allem, wenn ihr den Eindruck habt, nichts für euren Tod zu können. Wenn Gegner Fallen auslösen beispielsweise oder wenn ihr von einem Abhang springen müsst, ohne überhaupt zu sehen wohin. Manchmal müsst ihr einen Felsen an eine bestimmte Stelle rollen, um auf einen höheren Vorsprung springen zu können - das kann zur Sisyphusaufgabe werden, wenn ihr währenddessen immer wieder von Feinden attackiert werdet, gegen die ihr euch nicht richtig wehren könnt.

Feist ist ein recht eigenwilliger Plattformer, der sich kaum mit klassischen Vertretern des Genres wie den Mario- oder Sonic-Spielen vergleichen lässt. Das Spiel präsentiert sich als Trip durch einen monsterverseuchten Wald, als ständigen Kampf ums nackte Überleben. Diese Atmosphäre ist packend, verschwitzte Hände sind oft die Folge. Ein bisschen weniger unberechenbar und zugänglicher hätte das Spiel hier und da aber sein können. Unzählige Bildschirmtode sind unvermeidbar. Frustresistenz ist eine Grundvoraussetzung für den Genuss des ansehnlichen Debüts der Schweizer von Bits & Beasts.

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Markus Grundmann Avatar
Markus Grundmann: Seine ersten Videospiele konsumierte Markus auf dem Game Boy. Heute spielt er so ziemlich alles, bei dem er auf Knöpfe drücken kann – mit besonderer Vorliebe für Nintendo und extravagante Indie-Titel.

Informationen zu unserer Test-Philosophie findest du unter "So testen wir".

In diesem artikel

Feist

PS4, Xbox One, PC, Mac

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