FIFA 16 - Test
Sinnvolle Verbesserungen und ein paar schöne Neuerungen.
Kann man EAs FIFA-Reihe eigentlich Jahr für Jahr für zu wenige Neuerungen kritisieren? Durchaus, allerdings ist das alles stets eine Frage der eigenen Erwartungshaltung. Immerhin wird auch der Fußball nicht in jedem Jahr aufs Neue revolutioniert, was sollte man also schon großartig über den Haufen werfen? Dementsprechend bleibt es zumeist bei zahlreichen Detailänderungen und hier und da gibt es mal ein neues Feature. Das ist bei FIFA 16 nicht anders. Ein sehr gutes Spiel bleibt es dadurch dennoch.
Fangen wir mit einem Problembereich von FIFA 15 an: den Torhütern. Sie waren nicht immer so ganz auf der Höhe und machten mehr Fehler, als sie es vermutlich sollten. Daran hat EA in diesem Jahr gearbeitet. Wie in fast jedem anderen Bereich sind neue Animationen hinzugekommen, daneben wurde an ihren Reaktionen und dem Stellungsspiel gefeilt. Das Resultat sind Keeper, die die jeweilige Situation besser im Blick haben und sich in gewissen Momenten nicht mehr so einfach austricksen lassen. Was nicht heißen soll, dass sie fehlerfrei sind. Bei der einen oder anderen Flanke oder Ecke sollte der Schlussmann vielleicht nicht unbedingt nach draußen rennen, wie er es tut, aber ansonsten machen sie ihre Sache diesmal recht gut.
Gleichzeitig spendiert man den Verteidigern ein paar neue Tricks. Die KI-gesteuerten Spieler versuchen, die Räume bei einem gegnerischen Angriff möglichst eng zu machen, ebenso hat man ihre Agilität gesteigert, damit sie besser an ihren Gegenspielern dranbleiben können. In der Theorie bedeutet das alles, dass die Spieler abwägen, ob sie nun in den Zweikampf gehen oder lieber den offenen Raum absichern. Zugleich sollt ihr euch so in einen Zweikampf stürzen können, während sie den Platz hinter euch abdecken. In der Praxis funktioniert das recht ordentlich, wobei das stets situationsabhängig ist. Wenn bei einem Konter sonst niemand mehr da ist, der euch bei der Absicherung hilft, nützt selbst die beste Verteidiger-KI nicht mehr viel. In normalen Spielsituationen klappt das jedoch recht gut - sowohl beim eigenen Team als auch bei den Gegnern.
Zugleich gibt es neue Optionen für den Zweikampf. Ihr könnt nun etwa Rempler antäuschen und so einen Gegner womöglich dazu verleiten, darauf zu reagieren, was ihn wiederum unter Umständen aus dem Konzept bringt. Überhaupt hat man ein wenig an der Intensität der Zweikämpfe geschraubt, besonders in der Luft. Speziell nach Eckbällen hatte ich schon den einen oder anderen Torerfolg mehr als zuvor. Das gilt aber gleichermaßen für die KI. Bei Kopfbällen nach Ecken oder Flanken kann sie sehr gefährlich sein, wenn ihr nicht im richtigen Moment dagegenhaltet.
Auf diese Änderungen der Defensive reagiert wiederum das Mittelfeld. Grundsätzlich ging es in FIFA schon immer darum, euer Spiel geduldig aufzubauen. Das ist hier nicht anders, allerdings sprinten eure Mittelfeldspieler nun öfter mal in den freien Raum, etwa an der Seite des Spielfelds, wo ihr ihnen dann den Ball vorlegen könnt, nachdem ihr selbst die Verteidiger auf euch gezogen habt. Anders gesagt: Die Spieler reagieren schneller auf neue Spielsituationen, etwa wenn ihr den Ball im Mittelfeld abgefangen habt, wodurch ihr meist direkt einen Gegenangriff starten könnt.
Jedenfalls müsst ihr clever spielen und einen Ball nicht zu lasch (aber auch nicht zu hart) zum Mitspieler befördern, da sonst ein Verteidiger in den Passweg läuft und sich die Kugel schnappt. Behaltet ihr die Situation im Auge, könnt ihr euch mit Besonnenheit und guten Pässen in die Nähe des Strafraums bringen. Eine gute Möglichkeit ist etwa, seitlich in den Strafraum hinein zu sprinten und einem mitgelaufenen Spieler in der Nähe des Elfmeterpunktes den Ball vorzulegen. Klappt nicht immer, aber wenn der Ball durchkommt und der Angespielte in einer guten Position ist, ergibt sich eine wunderbare Torchance.
An den Pässen wurde dabei ebenfalls gearbeitet. Es ist nun etwa einfacher als zuvor, selbst auf kürzere Distanz einen härteren Pass sicher zum Mitspieler zu bringen. Übertreiben solltet ihr es mit der Stärke aber nach wie vor nicht. Unterdessen könnt ihr nun ohne Ballkontakt von der Dribblingsteuerung Gebrauch machen. Verschiedene Tricks oder Richtungswechsel führt ihr dadurch selbst ohne Ballkontakt aus, um den Gegner zu verwirren oder schlicht auszuspielen.
Was die Flanken in den Strafraum anbelangt, verlangt man in diesem Jahr etwas mehr Präzision von euch. Reichte es in den letzten Jahren meist aus, grob die Richtung vorzugeben, haben in FIFA 16 nun schon kleinste Abweichungen einen Einfluss darauf, ob euer Ball in den Strafraum genau in dessen Mitte, zu weit hinten oder eher in den Armen des Keepers landet. Das macht Flankenläufe insgesamt etwas anspruchsvoller und ihr ärgert euch umso mehr, wenn ihr einen Ball so stark verzieht, dass er zum Beispiel auf dem Tornetz landet.
Alles in allem macht FIFA 16 spielerisch mit all diesen Optimierungen einen weiteren Schritt nach vorne. Ihr könnt hier richtig gute Spielzüge aufziehen und von freien Räumen profitieren, die sich durch geschicktes Spielen ergeben. Manche Partien entwickeln sich zu einem echten Hin und Her, in anderen dominiert ihr oder werdet in die Defensive gedrängt und auch die Tore selbst fallen aus den unterschiedlichsten Situationen heraus. Bislang habe ich noch recht wenige Tore gesehen, die immer wieder auf den gleichen Spielzügen basierten, und die Topspieler zaubern einige wirklich ansehnliche Treffer auf den Bildschirm.
Das einzig wirklich Nervige ist wie im Vorjahr das Zeitspiel. Je nach Spielsituation, natürlich bevorzugt bei einer knappen Führung, verkriecht sich euer Gegner wenige Minuten vor Schluss gerne in der Nähe eurer Eckfahne. Das mag zwar durchaus realistisch sein, für mich hat das wie im echten Fußball allerdings nichts mit Fair Play zu tun. Ich hätte mir gewünscht, dass es nach der Einführung in FIFA 15 möglichst schnell wieder aus dem Spiel fliegt. Leider ist das nicht der Fall und so begnüge ich mich weiterhin damit, mich darüber zu ärgern und Zeitspieler mit einer Grätsche unsanft von den Beinen zu holen.
Für Neueinsteiger bietet EA Sports diesmal ein neues Hilfesystem - FIFA-Trainer genannt -, das dem aus NHL 16 ähnelt. Ihr seht um den gewählten Spieler herum einen Kreis, der euch einerseits die empfohlene Richtung vorgibt, anderseits werden immer Buttons für Aktionen eingeblendet, die in der jeweiligen Situation sinnvoll wären, zum Beispiel für Pässe oder Schüsse. Auf jeden Fall ist es eine gute Option, um Neulingen den Umgang mit der Steuerung auch direkt im Spiel verständlich zu machen. Ansonsten könnt ihr eure Fähigkeiten wie gewohnt mit den Skill-Spielen auf die Probe stellen.
Interessante Neuerungen gibt es unterdessen im Karriere- und im Ultimate-Team-Modus. Fangen wir mit der Karriere an. Hier könnt ihr während der Sommerpause nun Turniere rund um die Welt absolvieren. Je erfolgreicher ihr seid, desto größer ist am Ende der Bonus, den ihr euch für euer Transferbudget verdienen könnt. Ein paar Millionen sind bei einem Sieg drin und je nach Mannschaft ist das ein mehr als willkommenes Extra auf dem virtuellen Konto, das euch eurem Wunschspieler einen großen Schritt näher bringen kann.
Ergänzend ist außerdem das Spielertraining hinzugekommen. Einmal pro Woche wählt ihr hier maximal fünf Spieler aus, die ihr je nach Position in verschiedenen Bereichen trainiert. Das könnt ihr entweder manuell tun, indem ihr mitunter wirklich knifflige Skill-Spiele mit ihnen absolviert. Alternativ lasst ihr das Ganze simulieren. Je erfolgreicher das Training verläuft, desto mehr steigen die einzelnen Werte und damit letzten Endes auch Stück für Stück die Gesamtstärke.
Davon profitieren vor allem Jugendspieler, die ihr mit regelmäßigem Training schnell verbessern könnt, um sie dann selbst einzusetzen oder auf dem Transfermarkt zu verkaufen. Natürlich könnt ihr ebenso eure Starspieler ins Training schicken, vor allem für die jüngeren Kicker lohnt es sich aber. Abseits dessen gibt es in der Karriere noch weitere Detailänderungen. Ihr könnt etwa in Freundschaftsspielen unbegrenzt wechseln, die Kurzleihe wurde von drei auf sechs Monate erhöht, ihr könnt Spieler für zwei Jahre verleihen und auch die Scout-Berichte stehen statt drei Monaten nun ein Jahr zur Verfügung.
Ultimate Team wurde unterdessen mit dem Draft-Mode um eine neue Spielvariante ergänzt, die ihr sowohl offline gegen die KI als auch online gegen andere Spieler bestreiten könnt. Euer eigentlicher Ultimate-Team-Kader spielt hier keine Rolle, stattdessen wählt ihr erst mal eure Formation und einen Kapitän, bevor ihr euch für jede Position (Bank und Reserve mit eingeschlossen) für einen von fünf zufällig ausgewählten Spielern entscheidet. Dabei kommt es auf eure Fähigkeit zur Teamzusammenstellung an, denn es gelten die gleichen Grundregeln wie sonst auch. Eine gute Teamchemie kann entscheidend sein - oder werft ihr euren Kader doch lieber bunt zusammen, indem ihr ausschließlich auf die Stärkewerte achtet?
Mit dieser Formation und dem gewählten Team absolviert ihr dann maximal vier Spiele gegen immer schwerer werdende Gegner, wobei mit jedem Sieg die Belohnung größer ausfällt (abhängig vom Schwierigkeitsgrad). Für zwei Siege auf Profi-Niveau bekam ich zum Beispiel ein normales Gold-Set, ein Jumbo-Gold-Set und ein Jumbo-Silber-Set. Keine schlechte Ausbeute, allerdings ist für den Draft-Mode eine Teilnahmegebühr fällig, die entweder 15.000 Münzen oder 300 FIFA Points beträgt. Teilnahmeberechtigungen für den Draft-Mode findet ihr aber auch hier und da in normalen Kartensets - zudem habt ihr anfangs einen Freiversuch. Es ist ein spannender neuer Modus, der euch einerseits gut belohnen kann, euch aber gleichzeitig die Möglichkeit gibt, mit einigen der besten verfügbaren Spieler anzutreten.
Mitbekommen habt ihr sicherlich, dass es erstmals Frauen-Nationalmannschaften ins Spiel geschafft haben. Zwölf Teams sind mit dabei, darunter natürlich das deutsche Team, mit denen ihr Offline- und Online-Freundschaftsspiele sowie Offline-Turniere absolvieren könnt. Sie bleiben allerdings unter sich und können nicht gegen Männerteams antreten. Spielerisch gibt es hier eigentlich keine größeren Unterschiede zum gewohnten Spielablauf, im nächsten Jahr darf EA Sports aber mit mehr Teams und Modi gerne darauf aufbauen.
Technisch läuft alles weitestgehend einwandfrei, wobei wie immer vor allem die diversen neuen Animationen auffallen. Am Spielfeldrand gibt es auch das eine oder andere neue Detail, wodurch ihr beim Torjubel nun etwa mit dem Kameramann interagieren könnt. Aussetzer bei Zusammenstößen von Spielern gibt es hier und da mal, das lässt sich wohl kaum vermeiden und sieht vor allem bei den Torhütern manchmal ganz witzig aus, wenn ihnen währenddessen der Ball noch an der Hand klebt. Nettes Detail am Rande: Es gibt in FIFA 16 mehr Wetterbedingungen (abhängig vom Stadion), darunter leichter Nebel, Bewölkung oder verschiedene Regenintensitäten. Und während zu Beginn eines Matches bei Schneefall noch ein wenig Grün vom Rasen durchschimmert, wird nach und nach immer alles weißer. Auswirkungen auf das Spiel hat das aber nach wie vor nicht.
Spielerisch macht FIFA 16 gegenüber der Vorgängerversion wieder einen Schritt nach vorne und profitiert von mal kleineren, mal größeren Anpassungen in den verschiedensten Bereichen, ob nun beim Torwart oder allen anderen Spielern auf dem Platz. Der Spielablauf fühlt sich insgesamt realistischer und unberechenbarer an, es gibt einige schöne und sinnvolle Ergänzungen (Frauen, Neuerungen in Karriere und Ultimate Team) und alles in allem bekommt ihr hier ein umfangreiches Fußballpaket mit fast unzähligen Lizenzen, in das ihr wieder Monate eurer Zeit stecken könnt. Nehmt nur endlich das verdammte Zeitspiel wieder raus.