FIFA 19 - Test: Ein Schritt nach vorne
Aber der Hallenmodus fehlt noch immer.
Fußball ist ein Spektakel. Eines, das seinen Fans Höhen und Tiefen vermittelt. Und das regelmäßig im Abstand von zum Teil wenigen Minuten. In einem Moment ist alles toll, ihr fühlt euch euphorisch und ein paar Minuten später bricht überspitzt formuliert die Welt zusammen. Ich denke da an die schmerzhafte Niederlage der Bayern im Champions-League-Finale gegen Manchester United im Jahr 1999. Bis zur 90 Minute führte Bayern mit 1:0, bevor Manchester in der Nachspielzeit mit zwei Treffern die Partie drehte. Innerhalb von drei Minuten schlug die Begeisterung und Vorfreude auf den Sieg ins komplette Gegenteil um. Solche Momente brennen sich einem in den Kopf. Genauso wie der bezaubernde 7:1-Sieg Deutschlands gegen Brasilien bei der WM vor vier Jahren und der darauffolgende Weltmeistertitel.
Und dann haben wir da ein FIFA. Ein Spiel, das spielerisch betrachtet auf hohem Niveau unterwegs ist. Was fehlte, waren solche Momente. Dinge, an die ihr euch Monate oder Jahre später noch zurückerinnert. Ob das bei FIFA 19 in einem halben Jahr der Fall ist, zeigt sich noch. Die Grundlage dafür hat Electronic Arts geschaffen und geht unter anderem damit einen Schritt in die richtige Richtung. Kurz gesagt: FIFA 19 fühlt sich so gut an wie nie zuvor.
Und das liegt nicht daran, dass EA hier die Dinge großartig umgekrempelt hätte. Im Gegenteil: es sind Detailanpassungen, die in ihrer Summe ein besseres Spielerlebnis ermöglichen. Die Spieler sind schnell und wendig unterwegs, reagieren flott auf eure Eingaben. Es gibt zahlreiche neue Bewegungsanimationen und die KI spielt überwiegend gut mit. Der eine oder andere Aussetzer ist nach wie vor mit dabei. Durch die neuen Bewegungen sowie Anpassungen an der First-Touch-Steuerung und den Schüssen fühlt sich FIFA 19 natürlich, dynamisch und unvorhersehbar an. Ein Angriff gleicht selten dem anderen.
Das hat FIFA gebraucht. Das Spiel spornt zur Kreativität an, gibt euch die Möglichkeit dazu, verschiedene Vorgehensweisen auszuprobieren und mit jeder davon zum Erfolg zu kommen. Und sei es durch einen Abpraller oder einen anderen glücklichen Umstand. Ob schnelle Konter, drückende Überlegenheit oder ein Tor in letzter Minute, alles ist möglich. Das ist vor allem der Mitarbeit der KI zu verdanken. Ergibt sich eine Konterchance, schwärmen die Mitspieler aus und versuchen sich taktisch geschickt in Position zu bringen oder in den freien Raum vorzustoßen.
Das gilt nicht allein für die Offensive. Die Verteidiger gehen näher auf Tuchfühlung und agieren körperbetonter, was Stürmern das Leben schwer macht, wenn sie es im eins gegen eins versuchen. Sie gehen aktiv auf die Passwege und verteilen sich intelligent im Abwehrbereich. Das klappt in großen Teilen ganz gut, gelegentliche Aussetzer bei der Verteidigung - auf einmal stehenbleibende Abwehrspieler - oder beim Torwart, der neben Glanzparaden auch mal eine dumme Aktion vollführt, bleiben nicht aus. Zum Glück kommt das kaum vor und ist kein dauerhaft störender Faktor.
Gab euch FIFA in den letzten Jahren ein wenig das Gefühl, wie auf Schienen zu spielen, ist es in diesem Jahr auf jeden Fall anders. Der Spielablauf ist dynamisch und verändert sich mit jeder Balleroberung. Es geht hin und her und es kommt Spannung auf. Bisweilen hatte ich das Gefühl, exakt zu wissen, was jetzt passiert. Diesmal nicht. Ich weiß nicht warum, aber ich spielte FIFA 18 nach dem Test insgesamt nicht für lange Zeit im Anschluss. FIFA 19 macht mir schon im Testzeitraum deutlich mehr Spaß und ich sehe mich unzählige Stunden darin versenken. An wie vielen Schrauben EA im Detail gedreht hat, vermag ich nicht mal genau zu sagen. Es waren so viele kleine und definitiv die Richtigen.
In der Offensive kommt das Abschlusstiming als neue Spielerei hinzu. Es ist im Grunde nicht mehr als das. Rein theoretisch verbessert ihr mit diesem euren Torabschluss oder vermasselt ihn noch mehr. Mit Sicherheit ist es kein garantierter Erfolg, denn wenn der Schuss von vorneherein schlecht ist, rettet ihn das Abschlusstiming nicht. Zum Auslösen betätigt ihr im richtigen Moment ein zweites Mal die Schusstaste. Mit dem Trainer lernt ihr grob, wann das nötig ist. Verpasst ihr das Timing, weil ihr zu früh dran seid, bringt es euch wenig und Schüsse gehen zum Teil deutlich neben den Kasten. In den bislang gespielten Partien erwies sich diese Funktion nicht als Game-Changer, weswegen ich sie als (auf Wunsch deaktivierbare) Spielerei betrachte.
Interessanter sind da die dynamischen Taktiken. Vor dem Spiel regelt ihr alle möglichen Dinge über Schieberegler und brüllt dann während des Spiels Anweisungen aufs Feld, die die Spieler sichtlich umsetzen. Und ihr spürt es im Gegensatz zu den Schnelltaktiken. Für jede Taktik gibt es ein Gegenmittel. Setzt euer Gegner zum Beispiel auf Ballbesitz, dann erhöht das Pressing und versucht ihn zu Fehlern zu zwingen. Ihr habt damit die Chance, auf verschiedene Spielsituationen zu reagieren, euch bei steigendem Druck zurückzuziehen und auf Konter zu setzen oder durch eigenen Ballbesitz ein wenig Ruhe ins Spiel zu bringen. Fühlt sich gut an.
Was die Spielmodi betrifft, spielt The Journey erneut eine große Rolle. Wie EA betont, ist es das letzte Kapitel von Alex Hunters Geschichte. Die bestreitet ihr nicht mit ihm allein. Ihr spielt obendrein mit seinem Kumpel Danny Williams und seiner Halbschwester Kim, die ihre eigenen Erfahrungen in der Fußballwelt machen. Mir gefiel The Journey von Anfang an, aber mittlerweile fallen manche Dinge mehr durch ihren Nervfaktor auf. Ist es nach all den Jahren in Alex' Karriere noch nötig, dass ich mich im Training unter Beweis stelle? Nach solchen Trainingssessions in FIFA 17 und 18 ist das mehr langweilige Routine als aufregend. Die Story ist im Allgemeinen ein Fall von nett, dass es da ist. Kein Oscar-Material mit intelligenten Dialogen und doch eine interessante Abwechslung zum üblichen FIFA-Prozedere, das darin besteht, ohne Intermezzo dazwischen ein Spiel nach dem anderen zu absolvieren.
Interessant ist, dass sich in diesem Jahr beim Anstoß einiges getan hat. In den letzten Jahren habt ihr dort Freundschaftsspiele absolviert. Punkt. Im neuesten Ableger kommen zusätzlich zur klassischen Variante gleich mehrere Optionen hinzu. Ihr bestreitet Champions-League-Spiele - dank der erworbenen Lizenz mit allem Drum und Dran -, ein Pokalfinale, ein aus Hin- und Rückspiel bestehendes Aufeinandertreffen oder eine Best-of-Serie mit drei oder fünf Partien.
Am interessantesten sind die Hausregeln mit verschiedenen Modifikatoren. Mit der Distanz-Option zählen Treffer von außerhalb des Strafraums doppelt, im nächsten Modus gelten allein per Volley und Kopfball erzielte Tore und bei der Torvorgabe gewinnt ihr durch ein Golden Goal oder eine vorgegebene Anzahl an Toren. Dann hätten wir noch ein Spiel ohne Regeln, bei dem Abseits, Fouls und Verwarnungen deaktiviert sind. Und es gibt einen Survival-Modus, in dem bei einem Torerfolg ein zufälliger Spieler eures Teams (Torwart ausgeschlossen) den Platz verlässt, bis ein Team sieben Spieler hat. Das sind ein paar schöne neue, abwechslungsreiche Optionen für den Couch-Koop-Modus. Wäre es da zu viel verlangt, den Hallenmodus zurückzubekommen? Er wäre eine gute Ergänzung dazu.
Im Karrieremodus hat sich wenig getan, aber bei Ultimate Team erwarten euch ein paar Änderungen. Der Modus versprüht nach wie vor den Reiz des Kartensammelns, auch wenn er mich nie vereinnahmte. Besser so für meinen Geldbeutel. Ich baute eine Zeit lang ein Team auf, absolvierte ein paar Matches, schaltete Erfolge frei und hatte dann die Nase voll. Die Karriere ist eher mein Ding und ich erwarte nicht, dass sich das mit FIFA 19 ändert. Es gibt genügend Gründe, die Pay-to-win-Mechaniken und Karten-Packs (Lootboxen) von FUT zu kritisieren. Am Ende liegt es an euch, ob ihr euch auf dieses Spiel einlasst oder nicht. Klar, es ist möglich, ohne Geld und mit viel Zeit ein gutes Team aufzubauen, aber wie das mit Verlockungen so ist... der eine oder andere verfällt ihnen. EA zeigt ab FIFA 19 an, wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, Karten mit einer bestimmten Gesamtstärke zu erhalten. Tief ins Detail gehen diese Angaben nicht und lassen noch immer viele Fragen offen.
Es gibt einen Grund, warum EA mit diesem Modus Millionen verdient. Da ist es wenig überraschend, dass sich die Entwickler intensiv darum kümmern. Die Squad Battles sind erneut mit dabei, die Squad Building Challenges verlangen euer Geschick bei der Teamzusammenstellung. Im neuen Division-Rivals-Modus kämpft ihr unter der Woche um Siege und Belohnungen, ebenso ist er mit der Qualifikation für die Weekend Leagues verknüpft. Apropos Wochenende. Die Weekend Leagues sind weniger anspruchsvoll und verlangen nur noch 30 gespielte Partien am jeweiligen Wochenende von euch statt 40. Die erforderliche Zeit reduziert sich also um 25 Prozent. Mich betrifft das weniger, die FIFA-Pros da draußen haben ein bisschen mehr Zeit für andere Dinge als am Wochenende FIFA zu spielen. Gut für sie.
Was mir in diesem Jahr vor allem auffiel, war die gesteigerte Detailverliebtheit der Entwickler. Beim Einlaufen seht ihr zum Teil riesige Ebenbilder von Cristiano Ronaldo oder Lothar Matthäus auf den Tribünen, während die Fans für Stimmung sorgen und echte Stadionatmosphäre verbreiten. Am Spielfeldrand neben dem Tor liegt Konfetti oder was auch immer es ist, das vor dem Spiel von den Rängen fliegt. Nach dem Abpfiff seht ihr den mitgenommenen Rasen, von dem einzelne, herausgetretene Stücke herumliegen. Und die Spieler schwitzen sichtlich.
Optisch macht FIFA 19 keinen gewaltigen Sprung, sieht durch solche Detailergänzungen und die neuen Bewegungsanimationen insgesamt aber eine Spur besser aus als der Vorgänger. Im Grunde das, was ihr von einem Nachfolger erwarten könnt. Manche Spielergesichter wirken nahezu gruselig real, vor allem bei den internationalen Topstars. Die Qualität schwankt hier und da, doch in seiner Gesamtheit macht FIFA 19 technisch einen sehr sauberen Eindruck.
Auf der gamescom hatte ich aufgrund der kurzen Anspielzeit nicht die Gelegenheit, mich derart von FIFA 19 begeistern zu lassen, das konnte ich nun nachholen. Es fühlt sich in diesem Jahr auf dem Platz richtig gut und dynamisch an, sorgt für allerlei unvorhergesehene Spielsituationen und für viele einzigartige Tore. Die neuen Anstoß-Möglichkeiten sind eine tolle Ergänzung. FUT ist wie immer ein Streitpunkt, im Karrieremodus hat sich wenig getan und The Journey ist nach wie vor eine nette Dreingabe. Allein wegen The Journey würde ich keinem von euch den Kauf von FIFA 19 nahelegen, es ist mehr das überzeugende Gesamtpaket, das in diesem Jahr glänzt. Und für die Zukunft bitte noch mehr und einzigartige Couch-Koop-Optionen und natürlich den Hallenmodus.
Entwickler/Publisher: EA Sports/Electronic Arts - Erscheint für: PC, PS4, Xbox One, Switch - Preis: ca. 60 bis 70 Euro - Erscheint am: 25. September (Champions Edition), 28. September (Standard Edition) - Getestete Version: PS4 - Sprache: Deutsch, Englisch und andere - Mikrotransaktionen: Ja (Ultimate Team)
PC-Spiele testen wir auf Lenovo Legion PCs und Laptops, die uns von Lenovo zu diesem Zweck zur Verfügung gestellt wurden. Hier erfahrt ihr mehr über Gaming-Laptops 2018 im Allgemeinen und hier geht es zur Website von Lenovo Legion Gaming.