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FIFA Football - Test

Tritt den Ball, als wär's wieder 2010

Lobte ich vergangenen Freitag noch SEGAs Einsatz beim geglückten Unterfangen, die aktuelle Ausgabe von Virtua Tennis ohne spürbare Verluste auf Sonys neuen Handheld-Kraftmeier zu übertragen, so demonstriert EA zum Start der PS Vita eine deutlich weniger ambitionierte Handheld-Umsetzung seines wohl ertragreichsten Franchises. FIFA Football beherrscht zwar seine Kerndisziplinen geradezu bewundernswert, fußt aber auf dem nicht auf dem Fundament der aktuellen Version, sondern auf dem der letzten.

Natürlich ist FIFA eine bedeutend komplexere Simulation seines Sports als es Virtua Tennis jemals sein wollte. Dass einige zentrale Serien-Innovationen bei dieser ersten Begegnung von König Fußball mit der PS Vita auf der Bank bleiben, schmerzt jedoch trotzdem. So fehlt zum Beispiel die Impact-Engine, die Kollisionen von Spielern physikalisch authentisch, oft aber auch zum Schreien komische Gliedmaßen-Verdreher auf die Mattscheibe brachte. Und auch das generalüberholte Tactical Defending, das das Spiel im Rückwärtsgang so bereicherte, ist nirgends zu sehen. Abstandhalten- und Pressing-Taste regieren wieder das etwas wüste Verteidigungsverhalten.

Auf den ersten Blick ist allerdings alles in der bestmöglichen Ordnung. Das Spiel sieht fantastisch aus und flutscht nur so übers Grün, dass man auch hier wieder nur anerkennend mit dem Kopf wippen kann. An die 60 Bilder pro Sekunde auf einem Handheld ist man nicht unbedingt gewohnt. Oder war man nicht, bis die Vita kam. Die Entwickler haben die Konsole augenscheinlich schon sehr, sehr gut im Griff, was auch die guten Spielermodelle belegen. Die sehen zwar ein wenig puppenhafter aus als auf Konsolen, sind aber dennoch sehr fein gezeichnet und gut zu erkennen. Auch die Animationen veranstalten ein wunderbar belebtes Gewusel auf dem Platz. Rein optisch ist das hier auf den ersten Blick als FIFA zu identifizieren.

Und auch spielerisch stimmt das meiste, auch, wenn man das Gefühl hat, FIFA 2011 zu spielen, das wohlgemerkt im Herbst 2010 erschien. Die Steuerung klappt dank der zwei Sticks sehr feinfühlig und die hinteren Schultertasten vermisst man nicht großartig. Einstellungsmöglichkeiten für Pass, Schuss sowie Heber-Hilfen und dergleichen sind weiter mit dabei und ermöglichen den gewohnten Grad an Anpassung, der der direkten PES-Konkurrenz abgeht. Man hat nicht das Gefühl, eine verwässerte oder auf Action gebürstete Version der Vorjahresausgabe zu spielen. Es ist FIFA: Taktisch und halbwegs authentisch, wie es seit Jahren nicht nur Käufer, sondern auch Herzen gewinnt. Aber es ist eben FIFA 2011, nicht FIFA 2012. Sicher könnte mich einer der Entwickler auf Unterschiede in der Balance, Spielphysik und KI hinweisen - letztere scheint übrigens ein wenig leichter zu bezwingen sein, als man es von der Reihe kennt -, unterm Strich sind die zuletzt spielbestimmenden Neuerungen aber nicht mit dabei und das prägt einfach den Eindruck nachhaltiger, als alles was da hinter den Kulissen des Gamecodes passieren mag.

Einige Experimente mit den Touch-Eingabefeldern der Konsole wollen unterdessen dem Sporterlebnis seinen Vita-eigenen Spin verpassen, was nicht wirklich gelingt. Die Möglichkeit, einen Spieler per antippen anzuspielen erfordert immer ein Umgreifen von dem rechten Stick und den Buttons auf den Bildschirm, was nicht intuitiver, sondern fummeliger ist. Und die Möglichkeit, das Rückseiten-Trackpad als Repräsentation des gegnerischen Tores zu verstehen und nur die gewünschte Ecke anzutippen, stellt man schnell im Optionsmenü ab, weil jeder normal veranlagte Mensch die Vita so hält, dass er das Touchfeld schon zwangsweise ständig berührt. Hier sind ungewollte Torschüsse vorprogrammiert. Anfreunden konnte ich mich hingegen durchaus mit der Option, die Freistöße mit einer Fingerbewegung über die Mauer zu zirkeln. Ein Flick Kick Football liefert auf dem iPhone aber ein deutlich direkteres und damit befriedigenderes Feedback als FIFAs Gestenlösung. Wer FIFA spielt wie immer, mit beiden Daumen fest auf Sticks und Buttons, hat definitiv am meisten Spaß.

FIFA Football - Trailer

Weitere Abstriche stellt man beim Umfang fest, hier wiegt vor allem der Verzicht auf die Online-Ranglisten-Matches sehr schwer. Unverständlich ist auch, dass sich EA nicht auch für Ultimate Team ein paar Near-Funktionen hat einfallen lassen. Sein Team mit aktiviertem Ortungsdienst spazieren zu tragen, eröffnet theoretisch einige Interessante Möglichkeiten in FIFAs Karten-Ableger. Auch eine halb-automatisierte Tauschbörse wäre im Zusammenspiel mit Near eine coole Idee, die einem schon vor Spielbeginn in den Sinn kommt - leider stellt man anschließend fest, dass der nette Modus ersatzlos aus der Vita-Version gestrichen wurde. So bleibt die soziale Komponente von FIFA Football letzten Endes ein wenig banal.

Unterm Strich ist der Titel dennoch durchaus empfehlenswert, wenn es denn zum Start unbedingt ein Fußballspiel sein muss. Es ist sehr wahrscheinlich, dass erwähnte Abstriche eher dem Timing des Konsolenstarts geschuldet sind, als einer vom Kommerz getriebenen Niedertracht, wie sie Publisher-Riesen wie diesem so oft unterstellt werden. Aber trotzdem wirkt FIFA Football wie ein Hosentaschen-Port, wie er im Buche steht. Als solcher mutet es, trotz aller technischer und spielerischer Klasse, im direkten Vergleich mit dem aktuellen Konsolenspiel einfach ein wenig überholt an.

Und dann wird dem einen oder anderen auch noch der Verzicht auf eine Jahreszahl aufgefallen sein. Das ist auf der einen Seite ehrlich, weil FIFA 12 erwiesenermaßen inhaltlich ein ganz anderes Spiel ist. Überdies erinnert das aber auch daran, dass uns spätestens Anfang Oktober schon die 2013er Ausgabe ins Haus steht - ich weigere mich zu glauben, dass es diese nicht auch sehr zeitnah für die Vita geben wird.

FIFA Football erscheint am 22. Februar.

7 / 10

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