Filmkritik: Captain America: The First Avenger
Der Super-Langweiler
Eigentlich ist Captain America ein Super-Langweiler. Immer aufrichtig, gut, aufopferungsbereit und extrem patriotisch. Was die Charakterentwicklung angeht, gibt es da wenig Spielraum. In den Comics machte man den Superhelden deshalb gern mal zum Fanatiker, nahm ihm seinen Schild weg oder brachte ihn gleich ganz um. Diese geschickten Kniffe, um einen eigentlich etwas öden Charakter interessant zu gestalten, bleiben natürlich bei der Verfilmung der Origin-Geschichte aus. Hier geht es um die Helden-Werdung eines Jedermanns, da bleibt eigentlich kein Raum für Besonderes.
Doch einen gewaltigen Unterschied gibt es im Vergleich zu all den anderen Superhelden-Streifen da draußen: Das Ding spielt in der Vierzigern. Statt also mit viel High-Tech und schmissiger Rock-Musik eine brutale Spezialeffekt-Schlacht abzufeiern, erwarten euch hier klassische Swing-Rhythmen und fast schon bodenständige Action. Klar, am Ende geht es doch wieder um böse Hydra-Wissenschaftler mit mystischen Waffen, aber der Stil orientiert sich eher an Indiana Jones als an vergleichbaren Superhelden-Titel. Und das ist am Ende dann doch eine echte Überraschung.
Los geht alles im Jahr 1942 mit dem Soldaten-Sohn Steve Rodgers, der wegen seinem schwachen Körper nicht zum Militärdienst zugelassen wird. Während sein bester Freund Bucky eine Karriere als Sergeant hinlegt, nutzt Rodgers jede Gelegenheit und gleich mehrere falsche Namen, um doch noch gegen die Nazis zu kämpfen. Doch jedes Mal wird sein Spiel durchschaut und er aus dem Rekrutierungsbüro gejagt. Bis er auf Dr. Abraham Erskine (Stanley Tucci) trifft, der für sein Supersoldaten-Programm einen geeigneten Testkandidaten sucht. Er sieht in Rodgers ein Feuer und eine Leidenschaft, die ihn zu etwas Besonderem machen. Interessant ist dabei, wie Darsteller Chris Evans mit Digital-Technik in einen Hänfling verwandelt wird. Das sieht zwar etwas seltsam aus, macht die Verwandlung aber umso beeindruckender.
Zeitgleich überfällt der Nazi-Offizier und Anführer der geheimen Hydra-Organisation, Johann Schmidt (Hugo Weaving – der Bösewicht aus Matrix), das kleine norwegische Dorf Tonsberg. Hier vermutet er ein mächtiges Artefakt, das ihm und seinem Geheimbund einen gewaltigen Vorteil verschafft. Und ja, in einer uralten Kirche wird er fündig und bringt den dort versteckten kosmischen Würfel zum durchgeknallten Dr. Zola (Toby Jones), der mit dessen Macht wahnwitzige Waffen erfindet. Ach ja, wer Thor bis zum Ende angesehen hat, wird sich an diese abgefahrene Energiequelle erinnern. Hier betreibt sie nun brutale Energiestrahlen und mächtige Bomben, mit denen Johann Schmidt, der durch ein imperfektes Supersoldaten-Serum inzwischen zum Red Skull wurde, die halbe Welt ausradieren möchte.
Steve Rodgers bekommt dagegen eine verbesserte Formel verabreicht, die ihn in Captain America verwandelt. Doch am Höhepunkt des Triumphes tötet ein Attentäter Dr. Erskine und klaut die letzte Probe des fertigen Serums. Eine Armee von Supersoldaten, um die Nazis und Hydra vom Erdboden zu fegen, wird damit unmöglich und Rodgers zum Heimatdienst verdonnert. Als Karikatur eines Kriegshelden muss er Kriegsanleihen verkaufen und vor Soldaten sprechen. Ein undankbarer Job. Bis sein Freund Bucky von Hydra-Kämpfern gefangengenommen wird und ihn niemand sonst herausholen kann.
Erst an dieser Stelle, ca. zur Hälfte der Laufzeit, nimmt die Action an Fahrt auf. Starke Charaktere, etwa der von Tommy Lee Jones gespielte Colonel Chester, und humorvolle Dialoge tragen den Film zwar über diese Durststrecke, für ungeduldige Naturen kommt diese 180 Grad Wendung vielleicht trotzdem etwas zu spät. Rodgers schart nun eine Spezialtruppe namens Invaders um sich, um Hydra alle Köpfe abzuschlagen. Bis es dann im gewaltigen Hauptquartier zum Finale kommt, dessen Ende man eigentlich schon zu Beginn des Films erahnen kann. Dort wird nämlich mitten in der Arktis ein altes Flugzeug entdeckt und dort eingefroren Captain Americas Schild. Für mich ein unnötiger Kniff, der selbst Nicht-Kennern der Comic-Figur die Spannung nimmt.
Es sind am Ende solche kleinen Fehler und die etwas spannungsarme erste Hälfte, die Captain America für mich etwas schwächer machen als zum Beispiel Thor. Zum Teil liegt es aber auch an der Abenteuerfilm-Aufmachung und der Fokussierung auf den Zweiten Weltkrieg, die mir ganz persönlich etwas in die Suppe spucken. Nazis beziehungsweise Hydra sind für mich einfach keine vernünftigen Bösewichte, weil sie eben zu einfach gestrickt, zu böse sind. Ein Loki mit seiner zerrissenen Seele war da einfach deutlich spannender und brach etwas die sonst übliche Schwarz-Weiß-Zeichnung auf.
Unterm Strich ist das aber reine Geschmackssache und sollte euch nicht vom Kinobesuch abhalten. Denn abseits dieser Schwächen ist Captain America handwerklich erstklassig gemacht und leistet sich kaum echte Fehler. Der gute Cast, die stimmungsvolle Aufmachung und das gute Produktions-Design sind zum Teil Klassen besser als bei der Konkurrenz. Solange man auf eine Mischung aus gutem Pulp á la Indiana Jones und einem Old-School-Superhelden-Streifen steht, macht man bei Captain America nichts falsch.