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Filmkritik: Source Code

Die häufigsten acht Minuten eures Lebens

Mit seinem Debüt "Moon" wurde Duncan Jones vor zwei Jahren mehr oder minder über Nacht zum neuen Hoffnungsträger für Fans intelligenter Science-Fiction. Zu denen zählt sich auch Jake Gyllenhaal. Der Schauspieler war vom Erstlingswerk des Bowie-Sohnes nach eigener Aussage dermaßen beeindruckt, dass er unbedingt einen Film mit ihm drehen wollte. Und er wusste auch schon welchen. Nach einem ersten Treffen mit Jones trug der Mime das Drehbuch zu "Source Code" an den Regisseur heran.

In den Staaten ist der Film bereits im März gelaufen und konnte seine knapp 30 Millionen Dollar Budget – ein Vielfaches von dem, was Jones für Sam Rockwells Kammerdarbietung auf dem Mond zur Verfügung hatte – mit Leichtigkeit wieder einspielen. Nach all der positiven Presse (einen Metascore von 74 Punkten können nicht besonders viele Filme aufweisen, noch weniger ausgemachte Genre-Streifen wie dieser) war meine Vorfreude auf das Nachfolgewerk natürlich gewaltig. Und was soll ich sagen: Trotz einer nicht vollkommen originellen Prämisse und einem Ende, von dem sich einige zunächst etwas überrumpelt wähnen könnten, ist Jones erneut ein ausgesprochen runder, facettenreicher Film gelungen.

Im Grunde teilen "Moon" und "Source Code" sogar einige zentrale Themen, obwohl es sich beim Drehbuch dieses Mal nicht mehr um Jones' eigenes Material handelt. Beide Filme bleiben nah an einem zentralen Charakter, beide drehen sich zu guten Teilen um die Suche nach Identität und in beiden stellen sich zwei ahnungslose Hauptfiguren ein bisschen unfreiwillig einem Rätsel, das nur sie lösen können. Jake Gyllenhaal gibt den Army-Piloten Captain Colter Stevens, der herausfinden soll, wer kurz vor Chicago einen Pendler-Zug in die Luft gesprengt hat. Der Verantwortliche hat nämlich einen weiteren Anschlag angekündigt – dieses Mal mitten in der Metropole.

Der Kniff: Die Einsatzleitung aus Colleen Goodwin (klasse in Uniform: Vera Farmiga) und Dr. Rutledge (ein Jeffrey Wright, der eventuell einen Wahnsinniger-Wissenschaftler-Film zuviel gesehen hat) benutzt den Source Code. Eine revolutionäre Vorrichtung, mit der sich die letzten acht Minuten eines der verstorbenen Passagiere des Zuges rekonstruieren lassen. Stevens wird immer aufs Neue für acht Minuten in den Körper des Lehrers Sean Fentress transferiert – vom Start der Erinnerung bis zur Detonation – bis er weiß, wer all die Leute auf dem Gewissen hat. Jedes weitere Wort zu dem "Was" oder "Wie" ist, so leid es mir tut, zu viel des Guten und sollte auf den Tag nach eurem Kinobesuch verlegt werden. Ich freue mich schon auf die Diskussionen!

Im Grunde müsst ihr doch nur eines wissen: Jones holt aus dem "Groundhog-Day"-Ansatz nicht weniger heraus, als die besten Beiträge zu diesem Thema, das ja an und für sich schon so eine Art Sub-Genre in der Science-Fiction darstellt. Er findet einen außerordentlich packenden Rhythmus, hält sein Werk mit schlanken 93 Minuten keine Sekunde zu kurz oder lang und stellt seinen Protagonisten über die gesamte Dauer vor interessante Dilemmas.

Source Code Trailer

Davon profitieren Film und Hauptdarsteller. Der Film, weil "Source Code" nach dem bedrückenden Mondflug von vor zwei Jahren vieles sein darf: Lustig, spannend, schnell, actionreich, ruhig und dann wieder tragisch. Sogar ein gewisser romantischer Aspekt kommt zum Tragen, weil Stevens eine smarte Brünette gegenübersitzt (Michelle Monaghan, für die wohl nicht nur ich mich mehrfach in die Luft sprengen lassen würde), die ihn offensichtlich besser kennt als er sie.

Gyllenhaal, dem ich bisher ziemlich egal gegenüberstand, entlocken Drehbuch und Regisseur auf diese Weise eine unerwartet komplette und überzeugende Darbietung. Mit jedem Durchlauf durch Fentress' letzte Momente darf er andere Aspekte seiner Figur zeigen. Er ist im Wechsel verzweifelt, melancholisch, desorientiert, charmant, witzig, brutal und kompromisslos. Wann immer man es zu vergessen droht, zeigt er knallhart, dass Stevens ein Soldat ist. Jemand mit der Lizenz, der Fähigkeit und Bereitschaft, im Rahmen dieser Simulation alles zu tun, das Unglück zu verhindern. Für mich die Überraschung des Jahres – bisher zumindest.

Der einzige Knackpunkt: Wie bereits angerissen fühlt man sich von der Auflösung zunächst ein wenig hintergangen. Nachdem der Film von euch bereits verlangte, die zugrunde liegende "Science" hinter dem Source Code zu akzeptieren, leistet er sich am Ende den Luxus, von euch gleich noch einen Sprung des Glaubens einzufordern. Nur hat er für diesen zuvor vielleicht die eine oder andere zu überzeugende falsche Fährte gelegt, was den unmittelbaren Effekt der Auflösung für einige ein wenig mindern dürfte.

Wir sprechen wirklich vielleicht besser hinterher noch einmal darüber. So oder so: Zu diesem Zeitpunkt haben Jones, Gyllenhaal und die rasant erzählte Geschichte an Bord eines zum immer wiederkehrenden Tode verurteilten Pendlerzuges schon so viel Kredit beim Zuschauer, dass dieser gerne bis zur Endstation mitfährt. Insofern, kein perfekter, aber ein auf die gute Weise massenkompatibler, kluger und nicht zuletzt überraschend emotionaler Film, den man aus dem Kino noch lange mit nach Hause nimmt. Weitere Großtaten von Jones können eigentlich nicht schnell genug folgen. Geht am Donnerstag mal wieder ins Kino!

Source Code – 2010 – 93 Min. – Regie: Duncan Jones – Buch: Ben Ripley – Darsteller: Jake Gyllenhaal, Vera Farmiga, Michelle Monaghan, Jeffrey Wright – ab Donnerstag im Kino

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Alexander Bohn-Elias Avatar
Alexander Bohn-Elias: Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.