Fimbul angespielt - mit Schwert und Axt gegen nordische Sagengestalten
Der letzte Winter vor dem Weltuntergang steht bevor.
Wie passend, dass die Temperaturen um Gefrierpunkt lagen und die Straßen vom Schnee noch weiß angezuckert waren, als Entwickler Zaxis und Publisher Wild River Games zur Anspielsession des neuen Action-Adventures Fimbul in München einlud. Denn wie ich wenig später erfahren durfte, hat der Name des Titels so einiges mit der Winterzeit gemeinsam.
Zur Einstimmung gab es erst einmal eine interessante Geschichtsstunde in nordischer Mythologie. Wie ich erfahre, steht Fimbul nicht nur namensgebend für das Spiel, sondern leitet sich vom altnordischen "Fimbulvetr" (Fimbulwinter) ab. Selbiger setzt sich aus den Worten "Fimbul" und "Winter" zusammen und lässt sich am ehesten mit "harter oder strenger Winter" übersetzen. Dabei handelt es sich um eine dreijährige Kälteperiode, die dem Ragnarök als erstes Vorzeichen vorausgeht. Die Ragnarök beschreibt wiederum den Kampf der Götter und Riesen, in dessen Folge die Welt untergeht.
Der Zusammenhang mit dem Spiel besteht insoweit, dass man als Spieler in die Rolle des Wikingers Kveldulver schlüpft, der im letzten der drei Fimbulwinter-Jahre den bevorstehenden Weltuntergang aufhalten soll, indem er das magische Amulett "Ymnerfir" findet, das der König der Jötunn-Riesen dafür benötigt. Dabei stehen dem Protagonisten nicht nur die Geschöpfe aus den nordischen Sagen (Trolle, Riesen etc.) im Weg, sondern auch Horden verfeindeter Wikinger und die eigene Vergangenheit, über die man nach und nach mehr erfährt. Ich will hier nicht zu viel über die Handlung verraten, denn die steht mit Abstand im Vordergrund.
Erzählt wird die Geschichte von Kveldulver im Comic-Book-Stil. Das betrifft nicht nur die Rahmenhandlungen, sondern auch beispielsweise Gespräche mit NPCs. Wie man es von einem Story-lastigen Titel erwartet, trifft man unterwegs auf viele freundliche und feindliche Charaktere und muss des Öfteren Entscheidungen treffen, die sich später bemerkbar machen und sich insbesondere auf das Endgame und den finalen Kampf auswirken. Beispielsweise kann man sich nach einem bestimmten Bosskampf entscheiden, ob man den Gegner verschont oder enthauptet. Entscheidet man sich für Ersteres, wird man ihm später im Spiel noch mal begegnen. Der alternative Weg dürfte klar sein.
Neben der Handlung legt das Action-Adventure seine Schwerpunkte aufs Erkunden der Endzeitwelt und den Kampf und geht dabei gerne unübliche Wege. Neben seiner optischen Erscheinung ist der markanteste Punkt hierbei die Tatsache, dass euch das Spiel nur dort zur Hand geht, wo es unbedingt notwendig ist. Bedeutet: Es gibt keine Karte, die den Aufbau der Welt zeigt, oder ein Questlog, das sagt, was man wo erledigen soll. Stattdessen erfährt man in erster Linie durch die Story-Comics, was zu tun ist, und macht sich dann daran, nach den entsprechenden Dingen zu suchen. Hier tritt ganz deutlich der Erkundungsschwerpunkt in den Vordergrund.
Das schreckt den einen oder anderen vielleicht ab, doch wer die Schnauze voll davon hat, bei jedem Schritt von der Spiel-KI geführt zu werden, wird hier sicher ganz kribbelig. Außerdem kommt Fimbul hervorragend ohne derartige Systeme aus und schafft es dabei auch noch, dass man sie nicht wirklich vermisst. Ein Grund dafür ist sicher, dass die Spielwelt entlang fester Bahnen verläuft und keine Open World mit sich bringt. Das bedeutet aber nicht, dass man auf der Suche nach dem richtigen Weg nicht minutenlang an ebenjenen vorbeiirren könnte.
In diesem Zusammenhang muss man auch die Kameraperspektive erwähnen. Heutzutage ist man es ja gewohnt, so gut wie überall freie Hand über die Kamera zu haben. In Fimbul ist das nicht der Fall, stattdessen folgt die Kamera Kveldulver und schwenkt automatisch mit, wenn ihr einen bestimmten Punkt in der Welt erreicht habt oder es für einen Kampf notwendig wird. Das Ganze ist anfangs vielleicht etwas gewöhnungsbedürftig, macht aber Sinn, da es im Spiel auch ein Stück weit genutzt wird, um Wege zu verstecken. Man muss also wirklich jeden Winkel erkunden und erlebt dabei so einige "ach hier geht es ja auch lang"-Momente.
Loot hat in Fimbul eine vergleichsweise geringe Bedeutung. Das überrascht etwas, denn die heutzutage anzutreffenden Action-Adventures kommen oftmals mit einem umfassenden Loot- und Inventar-System daher. Fimbul geht den gegenteiligen Weg und reicht nur das zur Hand, was man braucht, um sich durch die Gegnerhorden zu hacken. Einen Helm und einen Schild zur Verteidigung und Schwert, Axt und Speer für den Angriff - mehr braucht der moderne Wikinger nicht, um alles in Rot zu färben. Beim Anspielen sind mir bei diesen Gegenständen auch keine Unterschiede oder Qualitätsstufen ins Auge gesprungen: Ein Helm blieb immer ein Helm und ein Schild immer ein Schild.
Bevor man sich also in den nächsten Kampf stürzte, musste man sich ausrüstungstechnisch nur eine Frage stellen: Hab ich einen Helm auf dem Kopf und einen Schild in der Hand? Lautet die Antwort "Ja" -> alles gut, auf in den Kampf. Wenn "Nein" -> erstbesten Schild oder Helm aufheben und es kann weitergehen. Letzteres ist übrigens der häufigere Fall, denn nach zwei bis vier abgefangenen Treffern müssen sie ersetzt werden. Ersatz gibt es in der Regel mehr als genug, schließlich hackt man sich durch so einige Wikinger, Trolle und andere Wesen, die den Kram nicht mehr brauchen.
Das sparsame Beute-System hört sich vielleicht komisch an, hat aber den Vorteil, dass der Spielfluss nicht von den üblichen halbstündigen Pausen unterbrochen wird, in denen man sein Inventar durchgeht, zig Items vergleicht und Werte mit dem Taschenrechner gegenrechnet, um zu erfahren, welcher Gegenstand nun der bessere ist. Hier steht klar die Geschichte im Vordergrund und die will man so wenig wie möglich unterbrechen.
Trotzdem wäre Fimbul ohne ein Kampfsystem im Grunde undenkbar, die Welt der Wikinger und die nordischen Sagen triefen bekanntlich vor Blut und Gewalt. Das verdeutlichen hier nicht nur die Comics mit entsprechend hohem Rotanteil, sondern auch die Kämpfe, die den verschneiten Boden rot färben. Man sieht quasi sofort, ob man zum ersten Mal an einer Stelle vorbeikommt oder schon einmal hier war.
Grundsätzlich ist Protagonist Kveldulver in so gut wie allen Kämpfen erst einmal unterlegen. Kämpft man gegen andere "normale" Wikinger oder mythische Geschöpfe, sind diese immer zahlenmäßig in der Überzahl (selbst wenn man eigene Verbündete im Schlepptau hat). Bosse sind noch mal ein ganz anderes Kaliber und halten und teilen selbst ohne Verstärkung entsprechend mehr aus. Um dem entgegenzuwirken, muss man das Kampfsystem zu verstehen und meistern. Erwartet hier aber keinen Schwierigkeitsgrad wie bei einem Dark Souls oder Bloodborne. Schnell hat man kapiert, wie man Schwert, Axt und Speer bei normalen Gegnern am besten einsetzt. Spätestens nach der ersten Spielstunde blockt man Angriffe mit dem Schild, weicht mit einer Rolle aus oder positioniert sich gleich so, dass man dem Feind in den ungeschützten Rücken fällt, als ob man nie etwas anderes gemacht hätte.
Was ihr ebenso wenig erwarten dürft, ist eine Komplexität des Kampfsystems, wie man es beispielsweise von Devil May Cry kennt, wo jede Waffe ein Dutzend individueller Styles mitbringt, die sich auch noch zu Combos und waffenübergreifenden Angriffsserien aneinanderreihen lassen. In Fimbul gibt es neben den "normalen" schnellen Hieben, die eher wenig Schaden anrichten, und langsamen, aber dafür verheerenden Angriffen nur noch eine Handvoll spezieller Attacken, für die jedoch eine gewisse Menge Wut erforderlich ist, die durch die normalen Angriffe erzeugt wird. Mit diesen Moves lassen sich beispielsweise Gegner mit einem Schlag enthaupten oder eine Standarte aufstellen, die in kleinem Umkreis heilt. Besonders gefiel mir die Tatsache, dass man die gesammelte Wut auch schnell wieder einbüßt, wenn man getroffen wird. Dadurch muss man deutlich mehr auf die Gegner und ihre Angriffe achten und kann nicht einfach wie Schwarzenegger mitten ins Getümmel rauschen.
Bei Bossen zieht der Schwierigkeitsgrad vergleichsweise ordentlich an. Einfach drauflos zu hacken, endet in der Regel mit dem Tod. Stattdessen muss man hier beobachten und ausprobieren, was vor allem in den ersten Kämpfen für gewisse "Aha"-Effekte gut ist. Grundsätzlich hält jeder Boss unglaublich viel Schaden aus. Normale Angriffe interessieren sie daher recht wenig. Um ihnen beizukommen, muss man sie zuerst in einen geschwächten Zustand versetzen. Das herauszufinden, ist Teil jedes Bosskampfes, auch wenn sich die Vorgänge öfters wiederholen. Beispielsweise musste ich mich im Kampf gegen einen hausgroßen Troll-Boss erst ein paar Mal in den Schnee treten lassen, bis ich kapiert hatte, ihm die umherliegenden Speere auf seine Füße zu schleudern, wenn er zum Angriff ansetzt. Gelingt das, ist er kurzzeitig außer Gefecht und nimmt mehr Schaden.
Unterm Strich geht Fimbul recht leicht von der Hand, was nicht zuletzt am großen Story-Fokus und dem nicht zu hohen Schwierigkeitsgrad liegt. Man wird unterwegs auf paar Stellen stoßen, an denen man sich fragt, was, wo oder wie man etwas tun soll, doch das gehört in meinen Augen zum Erkundungspart dazu, denn sonderlich lange muss man in der Regel nicht suchen. Wer sich also für Wikinger und die nordische Sagenwelt interessiert, sollte hier ruhig einen Blick riskieren, denn allzu viele Spiele bedienen diese Mythologie-Sparte nicht. Auf der anderen Seite ist die Grafik wohl der Punkt, an dem sich die Geister scheiden - entweder man mag den Comiclook oder nicht.
Entwickler/Publisher: Zaxis / Wild River Games Erscheint für: PC, PS4, Xbox One, Nintendo Switch - Geplante Veröffentlichung: 28. Februar