Final Fantasy 15 - Der Sprung in die Moderne
Das neue Spielgefühl einer alten Serie.
Was ist wo und wohin gehört es? Fragen, die selbst beinharte Fans der Final-Fantasy-Rollenspielserie nicht mehr eindeutig beantworten können. Vom klassischen Spielsystem der 8- und 16-Bit-Tage blieb schon im vergangenen Jahrzehnt kaum etwas übrig. Erstaunliche drei Iterationen des dreizehnten Teils taumelten zwischen den Extremen. Irgendwo zwischen Kampfautomatik und festgefahrenen Quest-Ketten, zwischen Schlauchpfad und Zeitreise ging bei aller durchaus vorhandenen Qualität ungemein viel vom Charme und von der Zielsicherheit verloren, die Square(-Enix) einst zu einem der angesehensten japanischen Entwickler erhob. Mit dem fünfzehnten „großen" Final Fantasy wird wohl selbst der letzte Funken Retro-Gefühl verschwinden, denn sowohl rundenbasierte Schlachten als auch die Kontrolle der begleitenden Party fliegen über Bord. Mehr noch: Aus Steampunk- und Sci-Fantasy-Kulissen werden Schauplätze, die stark an unsere Gegenwart erinnern. Hier und da geben Anleihen aus anderen Spielen preis, wie sehr Square um westliches Publikum wirbt. Eine Prise Uncharted, ein Hauch Dark Souls, ein Eckchen Assassin's Creed, fertig ist das neue Spielgefühl.
Muss man da gleich meckern? Womöglich den Untergang der fernöstlichen Rollenspielkultur voraussagen? Nun, schade ist der Schnitt schon, denn ein Mangel an actionorientierter Software besteht auf keiner Plattform. Andererseits reagiert Square mit der Einführung eines direkt zu steuernden Kampfes auf den Zeitgeist. Action ist umsatzfördernd, und da die Kritik an der halbautomatischen Party in Teil 13 drastisch war, bleibt kaum eine andere Option als das völlige Entkoppeln der Runden.
Überblendungen in Kampfarenen? Zeitraubendes Suchen in ausladenden Menüs? Nichts davon in Sicht, da sämtliche Aktionen auf der Oberwelt stattfinden. Feinde umgehen oder von hinten heranschleichen? Wird sogar vorausgesetzt! Was nicht heißt, dass Hauptfigur Prinz Noctis und seine drei Begleiter beim Schnetzeln kreativ gestalteter Monster nach Lust und Laune mit dem Schwert herumwedeln. In Final Fantasy 15 kostet beinahe jede Aktion Mana-Punkte, vom Schwertstreich bis zur Parade. Allem voran jedoch ein spektakuläres Warp-Manöver, mit dem Noctis innerhalb von Sekundenbruchteilen Distanzen von mehreren Metern zurücklegt. Genauer gesagt schickt er sein Schwert voraus und hält sich schlicht daran fest, was sowohl blitzschnelle Angriffe als auch eine flinke Flucht ermöglicht. Gehen die MP zuneige, ist es ratsam, sich ein ruhiges Plätzchen zu suchen und auf Besserung zu warten. Gegebenenfalls an einer schlecht erreichbaren Stelle wie auf Baumwipfeln oder Strommasten. Ist es besonders dringend, so genügt Deckung hinter einem Stein.
Während unser Held hinter jenem Stein kauert, kämpfen seine Kumpanen Ignis, Gladiolus und Prompto fleißig weiter - und zwar vollautomatisch. Mehr als ein paar strategische Vorgaben sind nicht einzustellen. Für mehr wäre in den Echtzeitschlachten auch kaum Zeit, denn es ist völlig gleich, ob man einem Zwei- oder Vierbeiner gegenübersteht: Blocken und ausweichen können sie alle. Entsprechend gut muss man auf Stellung und Timing reagieren. Heißt im Klartext: Auf eines von vier Schwertern zurückgreifen, die unterschiedliche Fähigkeiten beherbergen. Auch Magie wird wieder zum Angriff genutzt, wenn auch mit elementarem Flair. Den Entwicklern zufolge sollen keine magischen Projektile mehr herumgeworfen werden.
Viel interessanter als die eigentlichen Schlachten, aber weit weniger episch als bei Final Fantasy gewohnt verhält es sich mit dem Grund für die Kampfrunden. Übergreifend geht es wieder mal um das Thema „magische Kristalle". Eben jene haben einen Konflikt zwischen zwei großen Ländern entfacht, der nun durch einen Friedensvertrag aus der Welt geschafft werden soll. Inwiefern unsere Helden darin verstrickt sind, ist noch unklar. In den beiden Demos, die Square bislang veröffentlichte, waren nur wenige Hinweise auf den übergreifenden Sinn hinter der Reise der vier Gefährten zu finden, darum bleibt es bisher bei der einfachen Prämisse „Vier junge Männer suchen das Abenteuer". Noctis schnittiges Cabrio (ja, ein schnödes Auto) dient als fahrbarer Untersatz, benötigt aber bald eine Reparatur. Darum entschließen sich die vier in stylisches Schwarz gekleideten Herren, ein großes Monster zu erlegen, auf das ein Preis ausgeschrieben wurde. Mit der verdienten Kohle bezahlt die Truppe eine Mechanikerin, deren Outfit nicht knapper sein könnte.
Mitteleuropäisch anmutende Wald-und-Flur-Umgebung, sexy Mechanikerinnen mit Südstaatenakzent, Jünglinge mit Sixpack, Autos, Road-Trips.... das wirkt alles verdammt stark auf westliche Geschmäcker zugeschnitten, auch wenn fernöstliche Einflüsse im Design nicht abzustreiten sind. Square verspricht zudem eine riesige, frei erkundbare Welt, die mit abwechslungsreichen Missionen und Sammelgegenständen dauerhaft bei Laune hält. Wie einfallsreich der offene RPG-Sandkasten am Ende sein wird, lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt freilich nur schätzen.
Schon jetzt erkennt man einige Anleihen, die zwar vornehmlich dem Action-Segment angehören, aber erstaunlich viel Rollenspiel vermitteln. Beispielsweise muss unsere Heldentruppe einen passenden Ort zum Zelten finden, um voll zu Kräften zu kommen. Das ist ganz besonders wichtig, wenn einem von ihnen die Lebenspunkte im Kampf ausgehen, denn dann verringert jede weitere Wunde die Anzahl maximaler Trefferpunkte. Die Lebensleiste bleibt so lange verstümmelt, bis man sich eine Nacht lang voll auskurierte und eine möglichst stärkende Mahlzeit verspeist. Definitiv ein Nicken in Richtung der Hardcore RPG-Szene mit Dark Souls und Co., wenn auch deutlich milder in seiner Konsequenz. Enge Felsspalten, durch die man gemächlich schleicht, erinnern dagegen eher an Tomb Raider, Uncharted und andere Actionspiele.
Wer nun fürchtet, Square könnte wirklich alle klassischen Final-Fantasy-Merkmale vergessen, kann beruhigt sein. Chocobo-Reitvögel treten genauso ins Rampenlicht wie überdimensionale Aufrufzauber, in denen Götter wie Bahamut kurzzeitig Gestalt annehmen, um euren Widersachern mit pompösem Effektgewitter das Lichtlein auszublasen. Breite Klopperschwerter und übertrieben kühne Attitüden dürfen auch nicht fehlen. Es ist, als ob man Final Fantasy in ein anderes Universum verfrachtet hätte, wodurch die neuen Umstände weit mehr Kontrast zeichnen als bei allen bisherigen Ablegern der Reihe. Jedes Final Fantasy fühlte sich im Laufe der Jahre auf ganz eigene Weise neu an. Dieser Teil wird „noch neuer" und noch stärker in der realen Welt verankert, als es die ersten Bilder von „Versus" vor vielen Jahren andeuteten.
Mitverantwortlich für den realen Touch ist nicht nur der Grafikstil, sondern auch die verwendete eigene Engine, die auf den Namen „Luminous-Engine" hört. Der Name ist Programm: Fein abgestimmte Licht- und Schattenberechnung lassen die Umwelt in realistischen Farben erstrahlen, von saftigem Grün auf den Wiesen bis zum kalten Grau in den Städten. Tiefenunschärfe schwämmt den Hintergrund auf, dessen Horizont ewig weit in der Ferne liegt. Wenn es um die Grafik geht, bestehen jedenfalls kaum Gründe zur Beschwerde. Wie gut das restliche ambitionierte Vorhaben glückt, sehen wir 2016, wenn Final Fantasy 15 den Goldstatus erreichen soll.