Final Fantasy Brave Exvius - Zu nett für diese harte Free-to-play-Welt
Der nette Mobile-Gaming-Verwandte, der euch ständig auf etwas einlädt.
Meine generelle Meinung zu Free-to-play habe ich oft genug deutlich gemacht, aber es gibt auch genug goldene Ausnahmen, die die traurige Regel bestätigen, dass Free-to-play meist eine primitive Abzocke mit gestörten Mechaniken ist. Einige dieser Ausnahmen wären zum Beispiel World of Tanks oder Hearthstone, beides Spiele, die ohne Geld gut genug funktionieren und bei denen der Einsatz von ein paar Euro kleine, optionale Extrafreude bringt, die man sich gönnen kann oder auch nicht. Ab einem gewissen Punkt macht man das ja auch gern, wenn ein Spiel so lange Spaß macht, dann möchte man ja auch was kaufen.
Final Fantasy Brave Exvius macht jetzt aber eine neue Kategorie auf und zwar nicht nach unten, wo der Sumpf der Paywall-Klickis vor sich hin blubbert, sondern in die komplett andere Richtung: Free-to-play, das so gut ist, dass man eigentlich schon mal ein paar Euro für irgendwas ausgeben möchte. Aber das einem gleichzeitig wie ein zu großzügiger Verwandter fast jeden Wunsch erfüllt und der sofort dazwischen springt, wenn man doch mal die Rechnung bezahlen will. "Nein, lass mal, ich mach' das schon." Exvius ist dieser Verwandte und da das Ganze nun schon seit Ende 2015 läuft, gibt es wohl auch keine akute Gefahr, dass sich das schnell ändert. Genug Leute kaufen scheinbar trotzdem Sachen, auch wenn es wirklich nicht nötig ist.
Kurz für alle, die nicht wissen, was Exvius ist: In gewisser Weise ist es ein wenig von dem Final Fantasy, nach dem alle seit Jahren schreien. Rundenbasierte Kämpfe und so. Ein wenig ist es ein Sammelkartenspiel. Und vor allem ist es ein auf Monate und Jahre ausgelegtes Aufleveln. Es gibt eine lineare Story der Kategorie "solide für das Genre", die in einem "echten" JRPG auch nicht fehl am Platze wäre. In dieser kommt ihr alle paar Runden zu einem Boss und immer wieder schaltet ihr optionale Bereiche frei, in denen ihr das Gebiet, in dem ihr bis eben exklusiv gekämpft habt, erkunden und absuchen könnt, weiterer Boss inklusive. Es gibt praktisch im Wochentakt immer wieder Events mit verschiedensten Arten von Belohnungen in Form mal exklusiver Items, mal seltener Materialien. Ihr habt einen lockeren Multiplayer, in dem ihr eure Heldentruppe gegen die Gruppen anderer Spieler austestet, eine kleine Arena und noch ein paar mehr Beschäftigungen. Es gibt immer was zu tun.
Der Kern des Ganzen ist das Sammeln und Aufrüsten der eigenen Streiter. Ihr startet mit ein paar Standardhelden, die auch die Rollen in der Story-Erzählung spielen, aber sicher nicht zu den Besten zählen. Weitere Premium-Charaktere zieht ihr über Tickets, die euch das Spiel immer wieder mal zusteckt oder im Tauch gegen die Premium-Währung, genannt "Lapis".
Und hier kommen wir zu dem Teil, bei dem ich sagen würde, dass Exvius fast schon zu nett für diese Welt ist. Ich habe so gut wie nie einen echten Mangel an dieser Währung, obwohl ich bisher noch nie auch nur einen Cent ausgegeben habe. In praktisch allen anderen Free-to-play-Spielchen machte ich die Erfahrung, dass sie anfangs noch etwas großzügiger sind, dann aber der Fluss schnell versiegt. Schließlich will man ja irgendwann Geld verdienen. Exvius scheint diese Ambition nicht wirklich zu hegen.
Praktisch zu jedem Zeitpunkt hatte ich eine Reserve von um die 2000 Punkte, was beim Einkauf 20 Euro entspräche. Nicht, dass ich nie etwas ausgeben würde. Immer wieder mal kaufe ich einen der Packs, die so um die 300 bis 500 Punkte kosten und mir Level-Boosts, Tickets für neue Charaktere und mehr geben. Immer wieder gönne ich mir bei besonders harten Bossen den faulen Ausweg, meine Charaktere für 100 Punkte wiederzubeleben, schlicht weil ich genug Punkte habe. Das wurde mir klar, als ich in der zweiten Welt auf einen Boss stieß, den ich für eine Paywall hielt. War er nicht. Nicht wirklich. 300 Punkte gab ich für drei Continues aus. 150 Punkte steckte mir das Spiel allein für diesen Sieg danach zu. Weitere Lapis-Punkte folgten schnell. Mein Lapis-Konto blieb an dem Tag so gut gefüllt wie es zuvor war.
Der einzige Punkt, an dem ich wirklich sehe, dass man an die Grenze des Systems stößt und doch Geld bezahlen muss, ist, wenn ihr wirklich Stunden am Stück ununterbrochen spielen wollt. Wie in vielen Spielen dieser Art kosten viele Dinge Aktions-Punkte, die sich langsam - sehr langsam, einer alle fünf Minuten - aufladen. Im Laufe der Zeit steigt ihr Ränge auf und habt mehr Punkte, aber das Aufladen lässt sich nicht beschleunigen. Einmal den ganzen Vorrat auffüllen kostet 100 Punkte. Seid ihr hart am Grinden, ist dieses Reservoir aber schnell wieder geleert. Spielt ihr Exvius jedoch als Pausenfüller und gelegentlichen Spaßbringer, dann kommt ihr nur selten in diese Verlegenheit, zumal es oft auch genug Dinge zu tun gibt, die keine oder andere Punkte kosten. Der Multiplayer hat seinen eigenen, komplett separaten Aktionspunktezähler. Sich mit dem Craften zu beschäftigen, das Team zusammenzubasteln und vor allem zu gucken, wie man es optimiert mit dem, was man hat, kostet nichts. Auch Besuche in den Städten, wo ihr NPCs findet, die euch Quests geben, ist immer möglich. Sogar das Erfüllen dieser Quests ist oft genug drin, da eine Reihe davon keinen Besuch in den Kampfgebieten erfordert.
Ein Faktor ist natürlich, dass ihr auch Geduld haben müsst. Es wird nicht passieren, dass ihr die Top-5-Charaktere vom Start weg bekommt. Arbeitet mit dem, was ihr habt, nach und nach schenkt euch das Spiel genug Tickets und irgendwann wird schon was Passendes kommen. Ich warte noch auf meinen Noctis oder meine Lightning, um die Lücke des starken Brawlers in meinem Team zu füllen, aber deswegen fange ich jetzt sicher nicht an, Geld in Lapis zu stecken, um wie ein Irrer Tickets zu kaufen. Bis es dann irgendwann passiert, muss halt Bartz es richten. Die Figuren innerhalb von Tagen auf ihren Maximalwert zu pushen, geht sicher nicht ohne Unsummen auszugeben. Ihr müsst den Weg dahin als die Reise begreifen, die Exvius darstellt.
Es ist nicht mal so, dass die Komplexität auf der Strecke bliebe. Erst mal ist der Schwierigkeitsgrad, wenn man eben nicht mit "unendlich" Continues spielt, bei einigen der Bosse ordentlich. Es gibt aber immer Wege, sich das Leben einfacher zu machen und in diesem Punkt ähnelt es stark den echten Final Fantasy Games. Findet den Schwachpunkt heraus, nutzt ihn aus und wenn nötig grindet zuvor noch ein wenig. Diesen Schwachpunk zu nutzen, wird euch aber oft genug in die umfangreichen Wikis zu Exvius schicken, denn in welcher Kiste jetzt der Schutzzauber gegen Eisattacken liegt, das bleibt ganz schön geheimnisvoll. Wie vieles andere auch und damit gehört es zu den stark Community-getrieben Spielen, in denen Süchtige wie auch immer all diese Geheimnisse finden, sie teilen und euch dabei helfen, die Lapis zu schonen. Zu gucken, wie man etwas besser machen kann, ist schließlich auch ein netter Zeitvertreib, während sich der Aktionspunkte-Zähler wieder erhöht.
Ehrlich gesagt, ich mache mir fast ein wenig Sorgen um Final Fantasy Brave Exvius. Ich habe mein gut gerüstetes Hochlevel-Team, nähere mich langsam dem aktuellen Ende der Story - die immer wieder mal erweitert wird -, schlage mich ordentlich in der PvP-Arena, mische in jedem Event mit und nehme alles, was das Spiel hat. Ohne auch nur einen Cent bezahlt zu haben. Ich fühle mich fast ein wenig schlecht dabei, das waren über die Monate bestimmt ein paar Dutzend Stunden Spielzeit. Aber was soll ich machen? Nutzt ihr die Systeme auch nur halbwegs intelligent und seid ihr ein klein wenig sparsam, mit dem, was euch gegeben wird, dann habt ihr alles, was man woanders kaufen muss, in Exvius umsonst, schlicht, weil das Spiel eine dermaßen großzügige Natur an den Tag legt.
Wisst ihr was, ich denke ich werde es einfach mal im Google-Store nett bewerten. Ist ja das Mindeste, was ich tun kann.
Ups, dafür gibt es mir auch schon wieder Punkte...