Final Fantasy Countdown: Final Fantasy IX
Das letzte seiner Art
Wenn die Kamera das erste Mal über die Häuser von Alexandria schwenkt, dann fühlt sich der erfahrene Filmkenner nicht von ungefähr an Disneys wunderschönen Animationsklassiker Pinocchio erinnert. Und wenn Zidane, Steiner, Garnet und Vivi aus dem versteinerten Wald flüchten, dann sind die Assoziationen an den Zauberer von Oz mit Dorothy, Löwe, Vogelscheuche und Blechmann auch kein Zufall.
Aber so gut geschrieben und liebevoll inszeniert Final Fantasy IX auch ist, ein paar Schwächen hat das Spiel dann doch. Durch die sehr, sehr aufwendige Technik wirkt es oft etwas träge. Die Kämpfe sind etwas langsamer und die Ladezeiten etwas länger als früher, die Handlung nimmt sich mehr Zeit, um in Fahrt zu kommen... im Gegensatz zu den Kitase-Nomura-Vorgängern ist die Storyentwicklung ruhiger und weit weniger halsbrecherisch, Final Fantasy IX setzt auch weniger auf radikal-überraschende Story-Twists, das soll aber natürlich nicht heißen, dass die Handlung keine Wendungen hätte.
Aber auch die Charaktere selbst haben ihre Schwächen. Zumindest manche. Von den acht spielbaren Figuren ist eine – Amarant – eine charakterliche Nullnummer: Er taucht auf, kämpft gegen die Party und schließt sich dann einfach an – das wars. Nerviger ist aber, dass viele Figuren auch spielerisch überflüssig wirken: Mit Zidane, Steiner, Vivi und Garnet sind alle wichtigen Funktionen abgedeckt.
Experimentierfreudige Spieler freuen sich zwar über Quina als letzten wirklich nützlichen blauen Magier der Seriengeschichte oder holen auch gerne mal Freija als Dragoon in die Party, aber die erst spät eingeführte Eiko ist als zweite Heilerin und Beschwörerin doch irgendwie... naja, überflüssig.
Das Charakterentwicklungssystem funktioniert dafür wieder ziemlich gut: Nach den austauschbaren Helden von Final Fantasy VII und VIII hat jetzt wieder jede Figur eine feste Rolle und eine feste Auswahl an Skills, die sie erlernen kann. Das geschieht dieses Mal über das Anlegen der Ausrüstung – die meisten Helme, Rüstungen und Waffen kommen mit inhärenten Fähigkeiten oder Resistenzen daher, die nach genügend verdienten AP auf den Träger übergehen – ein rundes, stimmiges System das einerseits natürlich weit zugänglicher als das komplexe Junction-System von Final Fantasy VIII wirkt, andererseits aber spielerisch auch weniger Freiheiten bietet.
Die Frage, welche Version von Final Fantasy IX man heute am besten spielt, ist schnell beantwortet – momentan gibt es nämlich nur eine, eben die PSone-Fassung. Im Gegensatz zu den beiden Nachfolgern wurde Final Fantasy IX nicht auf den PC umgesetzt und ist bisher auch noch nicht im PSN-Store erhältlich, das soll sich demnächst aber ändern, entsprechende Ankündigungen seitens Square wurden bereits gemacht.
Diesmal raten wir sogar von der PAL-Version nicht ganz so deutlich ab wie noch bei Final Fantasy VII und VIII: Die deutschen Texte wurden hier sehr liebevoll und sorgfältig übertragen, die englischen Texte dagegen beinhalten so manchen ärgerlichen Transkriptionsfehler, der Anspielungen auf frühere Episoden unfreiwillig verschleiert. Dagegen läuft die US-Version natürlich in 60HZ... die Vor- und Nachteile sollte hier jeder für sich selbst abwägen.
Final Fantasy IX war tatsächlich das letzte seiner Art. Das Spiel, das zunächst eigentlich als Nebenprojekt geplant war, wurde aufgrund der überraschend aufwändigen Produktion des PS2-Titels Final Fantasy X zum vollwertigen Serienteil aufgestockt und bereitete dem guten Ruf der Reihe auch keine Schande, tatsächlich ist es ein wunderbares Abschiedsgeschenk an die Fans geworden. Final Fantasy IX verbindet gekonnt die Stärken der alten und neueren Episoden und spielt diese konsequent aus. Mit herrlicher Grafik, einem wunderschönen Soundtrack und einer stets warmen, ansprechenden Atmosphäre fühlt sich Final Fantasy IX fast wie die alten 16Bit-Klassiker an. Doch das ist es nicht, was dem Spieler in erster Linie in Erinnerung bleibt. Wer Final Fantasy IX gespielt hat, der wird sich vor allem an Draufgänger Zidane, den unverschämt sympathischen Sturkopf Steiner und natürlich an den kleinen Vivi und seine Erkenntnis der eigenen Vergänglichkeit erinnern.
Im Abspannvideo von Final Fantasy IX, das ein Jahr nach den Ereignissen des Spiels einsetzt, ist Vivi als einzige Hauptfigur übrigens nicht zu sehen.