Final Fantasy Tactics A2: Grimoire of the Rift
Einfach aber komplex!
Hier das DS, dort die PSP. Hier eine Kindergeschichte für alle von 8 bis 14, dort ein komplexes Epos. Hier knuddeliger Zeichentrickpop, dort fast schon künstlerisch angehauchte Tuschzeichnungen. Hier ein Kinder-Held, der mit großen Kulleraugen durch das Hasenloch fällt, dort ausgearbeitete Charaktere, die schon vor der ersten Spielminute mehr Hintergrund mitbringen, als andere Spiele in einer ganzen Serie.
Hier Final Fantasy Tactics A2: Grimoire of the Rift, dort das letztjährige Remake von Final Fantasy Tactics: War of the Lions.
Selten gab es zwei Spiele, die sich in ihrem Kern so ähneln, praktisch stellenweise identisch daherkommen und dabei trotzdem die beiden Handhelds klar definieren. Das DS existiert in allererste Linie für Kinder und Jugendliche, anders kann bei einem Blick auf den neuesten Tactics-Ableger der Final Fantasy–Serie das Urteil nicht lauten. Euer Held spielt mit anderen Kindern in der Schule. Nicht einer Kriegerschule in einem Fantasyländle, sondern einer ganz normalen in unserer schnöden Realität. Dann schlägt er ein altes Buch auf, das er zufällig entdeckt und – Booom! – befindet er sich 20 Sekunden später in Ivalice und steht einem Monsterhuhn gegenüber.
Michael Ende würde angesichts der überhasteten Inszenierung im Grab rotieren, aber wir könnten das für einen Moment durchgehen lassen. Nicht gerade ein neuer Gedanke, aber doch einer, der in der Vergangenheit funktionierte. Und während noch unser Held überlegt, wie er wohl vermeiden könnte, als Hühnerfutter zu enden, eilen ein paar Krieger zu Hilfe. Die „Wendung“ der Ereignisse kennt Ihr, geht ja nicht anders, aber warum in drei Cids Namen nehmen sie ihn innerhalb von weiteren HÖCHSTENS 20 Sekunden in ihren Clan auf und lassen ihn mitkämpfen? Geben ihm Dutzende von Items zur freien Verfügung. Nicht mal der ADAC hat mich in diesem Tempo aufgenommen! Was ist aus der Entwicklung einer Geschichte geworden, dem Aufbau der Spannungskurve? Werte von früher, streicht es.
Und von da an geht es bergab mit der Geschichte. Wo War of the Lions eine immer dichtere und dramatischere Geschichte spann, verliert sich Grimoire in Belanglosigkeiten, die nicht nur ein Who is Who der Fantasy-Rette-Dies-Töte-Das-Klischees ablaufen. Sondern dies auch noch in einer Erzählweise und mit einem Wortschatz zelebrieren, die ich so nicht mehr hatte, seit ich aufhörte, Europa-Kassetten zu kaufen.
Es ist sicher nur konsequent, dass Euer Held statt sich ernsthaft einen Weg nach Hause zu suchen, lieber den Pokemon-Traum lebt und es als Ziel seines Lebens erklärt, den eigenen Clan ganz nach vorn zu bringen. Vielleicht noch Ivalice vor dem großen Bösen zu bewahren, das diese Welt ja wie ein Magnet anzuziehen scheint. Hätte ich mit 10 auch nicht anders gemacht. Selbst die Einbindung in die eigentlich relativ gut ausgearbeitet Welt von Ivalice hilft wenig, da man mehr Bezug auf die Charaktere von Final Fantasy 12 und natürlich Revenant Wings – Hallo Vaan, hallo Penelo! – sucht, statt einen Schritt in Richtung des weit epischeren Lions War zu machen.
Sobald Ihr Euch dann aber erst mal auf den Schlachtfeldern von Ivalice befindet, ist der dürftige Fünf-Freunde-Meets-Harry-Potter-Im-Wunderland Plot schnell vergessen. Das hier ist Fantasytaktik im Reinstformat. Schachbrettmuster auf dem Boden, Geländeunebenheiten en masse, rundenweise ziehende Einheiten. Maximal sechs Kämpfer auf Eurer Seite stehen einer mal stets variierenden Anzahl an Monstren, Räubern und sonstigen Schurken gegenüber.
Per Zufall passiert hier nichts, Action im eigentlichen Sinn sucht Ihr vergeblich. Und es ist eines der fesselndsten Spielprinzipien, die ich persönlich kenne. Jeder Zug will genau geplant sein. Mit welcher Waffe stelle ich mich wie an den Gegner heran, um ein Maximum an Schaden zu erreichen, ohne dabei aber anschließend ziehenden Feinden den Rücken anzubieten. Ihr könnt es Euch als Schach mit tausend Sonderregeln vorstellen und einmal angefangen, entfaltet es hemmungslos sein „nur noch ein Zug, nur noch ein Kampf“-Potential. Und Grimoire gelingt dies im Prinzip nicht schlechter als den anderen Großen des Genres.
Die Komplexität des Originals definierte vor 10 Jahren das Genre praktisch neu, nur kam seitdem erstaunlich wenig dazu. Eigentlich fehlt sogar ein kleines, aber ausgesprochen feines Detail. Es mag bei der winzigen Größe des Schlachtfelds nicht spektakulär erscheinen, dass Ihr in Grimoire die Karte nicht drehen und zoomen könnt, nur rotten sich die Kämpfer ja per Definition gern recht eng auf einem Punkt zusammen. In dem Gewusel auf dem unterem Screen dann genau auszumachen, ob Ihr jetzt exakt auf dem richtigen Feld hinter der kleinen Bodenwelle stehen werdet, lässt sich mitunter nicht so richtig feststellen.
So hübsch gezeichnet die Landschaft auch herumsteht, zugunsten der Übersicht der PSP-Vertreter FF Tactics oder Jeanne D´Arc hätte ich darauf gern verzichtet. Der Eyecandy nutzt sich einfach schneller ab. Da Ihr aber jeden Zug bis zur finalen Ausführung zurücknehmen dürft, ist es nur ein ärgerliches, aber kein verhängnisvolles Manko.
Der Rest im grundsätzlichen Kampfablauf ist wohl bekannt. 400-mal, häufiger für kleine Nebenaufgaben als den Hauptplot, werdet Ihr in Grimoire das Schachbrettmuster besuchen, auf denen Eure Kämpfer antreten. Gezogen wird in der Reihenfolge der Geschwindigkeitswerte, anschließend – oder auch vor dem Ziehen – mittels Nahkampf, Fernwaffen oder Magie angegriffen. Dazu kommt noch ein wenig Heilen, Items oder die gelegentliche Spezialfähigkeit, die Final Fantasy-obligatorischen Espers wieder mal inklusive.
So ging es eine Weile, bis mir nach ca. 40 Kämpfen ein weiterer Unterschied zum Original sehr deutlich auffiel. Nicht nur, dass ich bis hier noch keinen Kampf verloren hatte, nicht mal ein einziger Kämpfer hatte während einer Runde seinen letzten Lebenspunkt eingebüßt! Grimoire gibt sich nicht nur inhaltlich kindgerecht, auch in allen anderen Belangen verhält es sich so einsteigerfreundlich, wie Ihr es Euch nur vorstellen könnt.