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Final Fantasy XII: The Zodiac Age - Test

Schönheit ist vergänglich, alles andere strahlt heller den je.

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An der Grafik muss man vorbei, dahinter warten eine fesselnde Geschichte und dank der Überarbeitung mehr denn je faszinierende Mechaniken.

Die Geschichte wird Dir schon zeigen, wo Du am Ende stehst und im Falle von Final Fantasy XII muss ich wirklich sagen, dass ich seinen Platz so nicht eingeschätzt hätte. Ich mochte es damals wirklich gern, hielt es für einen spannenden Versuch und ein guter Teil des Rufs, dass es mit XII dann abwärts ging, kommt wohl eher daher, dass XIII dann nicht wusste, wohin mit der Richtung und mit sich selbst. XII als eigenständiges Experiment in einer Zeit, in der MMOs, wie wir sie heute praktisch schon wieder vergessen haben, ihren Zenit noch vor sich hatten, war ein unglaublich spannendes Spiel. Eines, bei dem es uns in seiner eigenen Zeit gar nicht möglich war, es angemessen abzuschätzen und einzuordnen. Heute schon. Und es sieht wirklich gut aus.

Nicht grafisch. Final Fantasy XII: The Zodiac Age hat viele Qualitäten, aber technische Schönheit ist keine davon. Sicher, es ist ein PS2-Port, was soll man schon erwarten. Schaut ein wenig an den Texturen vorbei auf die innere Schönheit und so. Kneift man die Augen zusammen und tut das lange genug, bis die lustigen Punkte anfangen zu flimmern, dann sieht es manchmal für eine Sekunde wie ein modernes Spiel aus. Der Sehnerv braucht eine Sekunde für den Fokus, genießt diesen Augenblick. Also nein, von der technischen Brillanz, die eine überforderte Konsole damals an die Grenzen trieb, blieb herzlich wenig.

Kneift die Augen ein wenig zusammen, guckt am Screen vorbei und glaubt... Dass eure PS2 einen Orgasmus hatte und nun in 481i läuft.

Im Soundbereich sieht es viel besser aus. Jedes Final Fantasy, selbst Geächtete wie XIII, hatte seine großen, melodischen Strukturen, übergreifende Themen, individuelle Passagen für spezifische Bereiche und dies sind die Melodien, die die Fans Jahre später unbewusst summen und für die eine Rückkehr zu einer nicht gerade audiophilen, aber zumindest akustisch grundbereinigten Version ein Vergnügen ist. Vorsichtig gesagt: Ihr habt eine komplette Orchestrierung der alten Tracks und der Unterschied zu den piepsigen und doch geliebten Sounds ist enorm. Und es ist ein erster Hinweis auf die innere Größe dieses Titels.

Um sich diese wirklich gewahr zu werden, müsst ihr es ein paar Stunden spielen. Wie gesagt, leicht schielend an der Grafik vorbeigucken, aber ansonsten einfach spielen. Die Dialoge lesen, den Figuren folgen und die ersten Schritte in eine eigene Welt der Kampfmechaniken wagen. Was ihr dann nicht feststellen werdet, ist, dass dieses Spiel sich veraltet spielt. Kein Stück. Ihr fangt an mit komplexen Dynamiken in den Setups der Figuren zu spielen, grübelt schon nach den ersten Levelaufstiegen, wie die Truppe mit welchen Talenten besser harmonieren könnte, und beobachtet dann etwas, das damals meiner Erinnerung nach fast ausschließlich geliebt, aber oft auch gehasst wurde, wie geschickt ihr euch bis dahin angestellt habt. Der Kampf war wirklich eigen. Damals.

Das Kampfsystem aus FF XII ist eine der vielleicht meistverkannten Stärken eines Spiels überhaupt, zumindest wenn es um Würdigung zum Release geht.

Heute ist ein Kampfsystem, in dem ihr Makro-Ketten definiert, so normal, dass es praktisch verwerflich ist, wenn es die Option in einem Party-basierten RPG nicht mehr gibt. Hier heißt es Gambit und es dürfte eines der am schwierigsten zu vermittelnden Systeme in 2006 gewesen sein. Final Fantasy war plötzlich nicht mehr wirklich rundenbasiert. Es war auch nicht wirklich Echtzeit. Es war... Nun, Final Fantasy XII eben. Und das ist es bis zu einem gewissen Grad auch immer noch, denn Gambit ist weit cleverer, flexibler und anspruchsvoller als es FF XIII und XV jemals wurden. Zumindest, wenn ihr es wirklich optimieren wolltet und nie war das zutreffender als heute.

Eigentlich war es damals ja schon geplant, dass es eine Art Multiklassensystem geben sollte und diese Version hier jetzt ist wohl nicht weit davon entfernt, was die eigentliche Vision für das Spiel war. Hattet ihr damals eine Klasse pro Figur und habt für diese dann auf dem großen Fertigkeitenbrett alles nach und nach freigeschaltet, diesmal macht ihr das nun zweimal. Für jeden Charakter. Frei wählbar. Ihr könnt euch komplett neue Partydynamiken erstellen, die vorher undenkbar gewesen waren. Eure eigene Kampf-Magier-Truppe auf dem Weg durch die Welt, reine Kämpfer, jede Kombination dazwischen. Es ist eigentlich atemberaubend, betrachtet man es von der Spielbalance aus. Und es funktioniert. Habt einfach Spaß, experimentiert und sicher gibt es da irgendwo die Killer-Kombos. Findet sie, das Spiel scheint euch fast herauszufordern das zu tun und der Grad der Freiheit in der eignen Party - im Rahmen storyrelevanter Ereignisse natürlich - ist beeindruckend, auch und gerade nach heutigen Maßstäben. Sowohl für die Serie als auch generell.

Seid, was ihr wollt. Oder vielmehr: Bestimmt, was jeder sein will, weil ihr das wollt.

Aber zurück zu dem, was ihr tut oder vielmehr nicht tut: Knöpfe drücken. Es ist ein rein Makro-basiertes System. Geht in das System. Verteilt Rollen, legt Aktionen und Thresholds fest und dann tun eure Leute das im Kampf buchstabengetreu wie die guten Soldaten, die sie sind. Hab ihr alles richtig gemacht, läuft es von allein. Da das innerhalb eines normalen Dungeons auch wirklich auf 90 Prozent aller Begegnungen zutrifft, ist es klar, dass damals ein wenig über Langeweile genölt wurde. Sicher, immer die gleiche Folge in einer Kampfrunde anzuklicken ist jetzt auch ein geistiger Autopiloten-Modus, was die Leistung des Spielers angeht, aber wenigstens macht man irgendwas. Jetzt macht man gar nichts, sondern guckt zu, wie sich die Leutchen beim Grind amüsieren, während ihr das Pad haltet. Hier also der vielleicht wichtigste Punkt, warum The Zodiac Age die ultimative Fassung dieses Spiels ist, mehr noch als das halbe Umkrempeln der Partydynamik: Ihr dürft die Zeit beschleunigen, auf das Doppelte oder sogar Vierfache.

Der Zeitraffer klingt erst einmal wie eine Bestätigung der Kritik. Ihr lasst die Automatik noch schneller laufen, weil es ja nichts zu tun gibt. Das stimmt aber nur sehr bedingt. Erst einmal verkürzt es die Bereiche, auf die das wirklich zutrifft und die es in praktisch jedem Spiel des Genres gab und gibt. Der Grind lässt sich beschleunigen, fantastisch. Ihr seht aber vor allem viel direkter, wo eure Planung hakt, bekommt weit besseres Feedback, weil es leichter wird, die Fehler zu lesen - sofern euch ein Feind nicht hoffnungslos überlegen ist und ganz direkt wegknüppelt - und vor allem bei Bosskämpfen profitiert ihr ungemein von der allein durch diesen Zeitraffer viel besseren Rückmeldung, wo es hakt. Ihr verliert zu viele Lebenspunkte in Zyklus drei und sechs? Anpassen, wenn diese Angriffsfolge kommt, Heiler-Thresholds höher ansetzen. Ihr macht einfach nicht so richtigen Schaden, obwohl Runde um Runde ins Land zieht? Angriffsvarianten ändern. Es passiert alles viel unmittelbarer und es fühlt sich nie nach einer Unterbrechung im Ablauf, sondern fast schon taktisch anspruchsvoller Action an. Man vergisst gern mal, das es in den Menüs eigentlich kein Zeitlimit gibt, wenn der Rest des Kampfes so spektakulär schell abläuft.

Vaan, ich sage Dir, was ich Tidus sagte: No, this is not your story. Aber es ist trotzdem eine gute Story, du bist also entschuldigt.

Was euch über die üblich lange Spielzeit - gute 40 Stunden und mehr - am Laufen hält, ist die Tragweite der Handlung. Man sollte meinen, dass das auf alle Final Fantasys zutrifft, aber jedes von ihnen hat seine Phasen, in denen es sich selbst und auch den einen oder anderen Spieler verliert. Wo die Charaktere vor sich hindümplen, Gott weiß was tun, was man dann als Spieler ausbaden darf und an dem man nicht so viel Interesse hat. Final Fanatsy XII hält diese Passagen zum Glück relativ kurz. Ihr seid manchmal ein wenig verloren, aber dann dreht sich das Rad um die Geschicke von Königreichen, Intrigen und Verschwörungen doch schnell genug weiter, sodass ihr schon wenig später gar nicht mehr an die eine oder andere elendige Passage zurückdenkt. Und wenn doch, dann ist es meist einer der vielen soliden bis harten Bosskämpfe und das sind gute Erinnerungen. Vor allem der Moment, wenn der eigene Gambit dann doch aufgeht.

So schön die Geschichte auch ist, und auch sie gewinnt durch den Zeitraffer - besser getimte Dramaturgie dank kürzerer Grind-Zeiten -, ich komme nicht umhin eine Sache zu mokieren, die die Nummer 12 mit der Nummer 10 teilt: Der Held ist eigentlich nur eine Projektionsfläche für jugendliche oder sich so fühlende Spieler - im Falle von Vaan sogar noch eine nur bedingt taugliche. Seine eigentliche Rolle ist nicht mal die eines Hamlet, der zwar auch ein Spielball der Geschehnisse um ihn herum ist, aber weder Vaan noch Tidus haben diese zentrale Position ohnmächtiger Macht intus, die ihre Rolle und ihr Schicksal definiert. Sie sind Mitläufer und Erzähler, Kampfschergen und Gehilfen, aber weder ist ihre Persönlichkeit so gestrickt, dass sie ein unabdingbarer Katalysator für schicksalhaft vorgezeichnete Ereignisse sind, noch haben sie eine inhärent tragende Rolle in diesen. Die Geschichte würde sich so oder sehr ähnlich auch durchspielen lassen, wenn man eine x-beliebige andere Figur nähme. Manchmal weiß man gar nicht so genau, warum der Rest der Truppe sie mitlaufen lässt. Schwerter schwingen können auch andere. Selbst die Heldenreise passt nicht ganz, wenn der Held diese nur an der Seite größerer, bedeutender Figuren erlebt. Aber was auch immer. Wenn Game of Thrones ohne Helden und Struktur so gut klarkommt, warum sollte ich das dann Final Fantasy XII ankreiden? Spannend genug unterhalten wurde ich allemal.

Digital Foundry zeigt euch, dass die Technik heute vielleicht nicht beeindruckt. Aber ein Quantensprung bleibt dann doch noch.Auf YouTube ansehen

Zum Schluss noch ein Wort zu dem Zodiac-Age-Remake selbst, weil das über den Text verstreut möglicherweise ein wenig zu kurz kam: Die ist vielleicht nicht das Remake zu enden alle Remakes, dafür hätte man gern noch mal die Grafik etwas mehr als das hier anfassen dürfen. Aber davon abgesehen hat Square Enix hier einen Aufwand reingesteckt, der abenteuerlich ist. Ihr habt den komplett neu eingespielten Soundtrack, der atemberaubend im Vergleich zum Original klingt, plus die komplette japanische Tonspur, wenn ihr das Original bevorzugt. Ihr habt mutige und vor allem extrem erfolgreiche Veränderungen grundlegendster Mechaniken, sei es durch die neuen Multiklassen für alle Helden und die Zeitraffer. Dazu gibt es übrigens noch ein paar Herausforderungen extra, eine Art Super-Dungeon für alle, die nicht wissen wohin mit ihren überzüchteten Helden und ihrer Freizeit. Man ging auf jeden Fall weit über alles hinaus, was nötig gewesen wäre, um eine brauchbare Irgendwie-HD-Auflage abzuliefern.

Es hat sicher geholfen, dass an The Zodiac Age genug von den Leuten beteiligt waren, die an dem ursprünglichen Spiel arbeiteten. Dass sie eine Chance bekamen, ihre eigentliche Vision umzusetzen und im Zuge dessen auch noch mal zu polieren und das vor allem auf der Gameplay-Ebene. Vielleicht gilt Final Fantasy XII deshalb bis heute als eines der schwarzen Schafe der Reihe, weil es genau diese Dinge waren, die noch fehlten. Wenn ja, dann ist dies nicht die definitive Version von XII, sondern die erste echte. Und es fühlt sich ein wenig so an. Bei jeder Anpassung fragt man sich, warum das nicht schon immer so war. Es ist das, was es brauchte, um ein sehr gutes Spiel in eine kleine Legende zu verwandeln. Wenn ich mich wirklich entscheiden müsste, dann würde ich, so sehr ich es auch lieben mag, die moderne Technik eines Final Fantasy XV von der Türschwelle schubsen und mich den komplexen, tiefgreifenden und nun in ihrer wahren Form vorliegenden Gambit-Manövern zuwenden. Dieses von jeher faszinierende Spiel bekam eine Chance, seinen Platz in der Geschichte einer der bekanntesten Reihen und der Gaming-Historie ein klein wenig geradezurücken und hat diese mit all den richtigen Manövern gekonnt genutzt.

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