Final Fantasy XV - Der steinige Weg nach Westen
Fliegende Autos und Ocarina of Time als Grundlage für die Globalisierung einer Marke
Geradezu tiefenentspannt sitzt mir Hajime Tabata, der Game Director von Final Fantasy XV, gegenüber und plaudert über die Änderungen, die den kommenden Teil der Serie mal wieder in neue Bahnen lenken sollen. Von einer Annäherung an westliche Rollenspiele ist die Rede, von einem aktiven Kampfsystem, dass auch Neueinsteiger an die Konsolen lockt, ohne die langjährigen Fans zu verprellen. Von einer offenen Spielwelt und einer emotionalen Geschichte spricht Tabata. The Legend of Zelda: Ocarina of Time sei eine Quelle der Inspiration für ihn gewesen, erklärt er mir.
Die Reise in einer offenen Welt, an der jeder Punkt am Horizont auch wirklich für den Spieler erreichbar war, hat ihn seinerzeit enorm beeindruckt. Und dieses zentrale Thema des Umherstreifens findet sich im Roadtrip der vier jugendlichen Helden wieder, die zu Fuß, auf dem Rücken von Chocobos, aber meistens mit Regalia, dem schicken schwarzen Retro-Cabrio, unterwegs sind. Als fünftes Mitglied der Truppe bezeichnet Tabata das Fahrzeug, das in dem aktuellen Trailer prominent zu sehen ist.
Am Ende der Szene verwandelt sich das Monarchengefährt, es handelt sich übrigens um den Wagen von König Regis, dem Vater des Protagonisten Noctis, in ein Flugzeug und hebt in den Himmel ab. Ich will wissen, ob es ich jetzt neue Gegenden erreichen kann, die mir bislang verschlossen geblieben sind. Die Antwort ernüchtert ein wenig. Nein, die Auswirkung auf meine Erkundungsmöglichkeiten ist nur sehr begrenzt. Es ist mehr ein Bonus und würde auch erst spät im Spielverlauf möglich sein. Schade eigentlich. Laut Tabata wird eben hauptsächlich gefahren, geritten und gelaufen. Ja, ein Schnellreisesystem wird es auch geben. Wie das aussieht? Wird später bekannt gegeben. Aber, dass ich mit meinen Kameraden auch mal auf einem Boot unterwegs bin, um einen spielnotwendigen Inselbesuch abzustatten, erfahre ich zumindest doch noch.
Trotz der eingeschränkten Bewegungsfreiheit soll Final Fantasy aber keineswegs ein linearer Schlauch werden. Eine weitgehend freie Spielwelt mit vielen optionalen Nebenaufgaben will Tabata bieten. Ein Beispiel: Wenn die vier Freunde Noctis, Gladio, Igris und Prompto, über die Straßen cruisen, sieht man im Trailer ein paar attraktive Damen, die eine Panne haben. Ob ich jetzt anhalte und mal schaue, was so passiert, oder einfach achtlos vorbeirase, ist meine Entscheidung.
"Bislang wurde Final Fantasy für den japanischen Markt gemacht und dann geschaut, was man anpassen sollte, damit auch der Rest der Welt gefallen an dem Spiel findet", erklärt Tabata. Das sei nun anders. Entwickelt wird für den globalen Markt, gezielt der westlichen Weg der Rollenspiele betreten. Dazu gehört auch der komplette Verzicht auf rundenbasierte Kämpfe. In Final Fantasy XV wird in Echtzeit geprügelt, gezaubert und beschworen. Eine Weiterentwicklung des Systems aus Kingdom Hearts und Final Fantasy Type-0, Spiele an deren Entwicklung Tabata bereits beteiligt war. Waffen und Fähigkeiten werden direkt Tasten zugeordnet und können jederzeit getauscht werden. Das sorgt für Tempo, ist dabei aber derart übersichtlich gestaltet, dass die Kämpfe auch Serien-Neueinsteigern flott von der Hand gehen.
Das sich Hardcore-Fans vor den Kopf gestoßen fühlen, weil nun der ATB-Balken wegrationalisiert wurde, vermag er sich nicht vorzustellen. "Man muss sich auch von Ballast befreien können, wenn man neue Zielgruppen gewinnen möchte. Aber es ist ja alles noch da, was Final Fantasy ausmacht. Unterschiedliche Nah- und Fernwaffen, magische Angriffe und die Beschwörung von Bestia wie Titan oder Leviathan." Einen Eindruck, den ich nach dem Spielen der Platinum Demo gewonnen habe, war, dass in dem überarbeiteten Kampfsystem auch ein Hauch von Dark Souls stecken könnte. Dass ein taktisch geprägter Schlagabtausch, mit gut getimten Blocks und Angriffen, den Erfolg gegen Bosse bringt. Aber der Eindruck täuscht, erklärt mir Tabata mit einem Grinsen. "Auch ich finde das Kampfsystem von Dark Souls genial, aber in Final Fantasy XV ist der Spieler die meiste Zeit mit seinen Kameraden zusammen. Die Gruppe kämpft gemeinsam, Duelle finden so gut wie nie statt. Natürlich gibt es Gegner, die man zunächst nicht besiegen kann. Dann kommt man eben später wieder, wenn man stark genug ist."
Aber die Verwestlichung des Franchise geht noch viel weiter. Die bislang gezeigten Szenarien erinnern an die endlosen Landstraßen in der Weite Arizonas. Die Jungs stärken sich in einem typischen amerikanischen Diner und spielen an Flipperautomaten. Untermalt wird der Roadtrip nicht mit fetziger J-Pop-Mucke, sondern einer Interpretation von Stand by Me von Yoko Shimomura und Florence + the Machine. Das funktioniert ausgesprochen gut und vermittelt ein Gefühl von Kameradschaft und Zusammengehörigkeit zwischen den Protagonisten. "Uns ist es wichtig eine emotionale Geschichte zu erzählen", sagt Tabata. "Eine Geschichte vom Erwachsenwerden. Von der Beziehung zwischen Vater und Sohn, zwischen Freunden und Leidensgenossen." Tabata appelliert dabei an Gefühle und Werte, die sowohl in der westlichen als auch der östlichen Welt ihre Gültigkeit haben.
Um die komplexe Geschichte des Spiels möglichst vielen Menschen nahe zu bringen, hat sich Square Enix für aufwändige flankierende Maßnahmen entschieden. Mit Final Fantasy XV: Kingsglaive erscheint ein 110-minütiger CGI-Spielfilm, der von König Regis Kampf gegen die Aggressoren aus Niflheim erzählt. Synchronisiert von international bekannten Stars wie Sean Bean, Lena Lena Headey oder Aaron Paul. Brotherhood: Final Fantasy, eine fünfteilige Anime-Serie, die es kostenlos auf YouTube zu sehen gibt, gewährt Einblick in die Vergangenheit der Helden.
Tabata spricht offen über die Gefahr, die eine solche Gratwanderung zwischen östlichem Rollenspiel und der spieltechnischen Öffnung gen Westen mit sich bringt. "Es ist einfach eine Frage der Balance. Aber ich bin mir sicher, dass wir die richtige Mischung gefunden haben, die unsere langjährigen Fans begeistern und neue Spieler für uns gewinnen wird." Offen zeigte sich Tabata auch bei der Frage eines Kollegen, welche Verkaufszahlen denn nötig seien, um das Unterfangen zu finanzieren. Die Antwort: Wir peilen zehn Millionen Einheiten an. Ein knapper Satz, der bei den anwesenden Marketing- und PR-Leuten von Square Enix für einen kollektiven Herzkasper gesorgt haben muss. Zumindest beeilte man sich, zügig eine Relativierung der Aussage zu veröffentlichen. Das zeigt aber, wie sehr Tabata von seinem Spiel überzeugt ist.