Fire Emblem: Three Houses - Test: Das Beste seiner Art
Eins für die einsame Insel.
Die Fire-Emblem-Reihe ist inzwischen zwar echt schon auf vielen Konsolen erschienen, darunter unter anderem auf dem NES und der Wii, gerade zuletzt war sie aber doch eher für ihre mobilen Ableger bekannt und geschätzt, insbesondere für den 3DS. Insofern hatte ich eigentlich erwartet, es bei Fire Emblem: Three Houses im Wesentlichen mit einem Handheld-Titel zu tun zu bekommen, der eben auf der Switch erscheint, weil die Konsole nun mal beides kann.
Zu meiner Überraschung habe ich den Titel dann aber doch die meiste Zeit auf dem Fernseher mit dem Pro-Controller gespielt. Und daran war nicht nur der Joy-Con-Drift Schuld, von dem ich unglückseligerweise auch betroffen bin. Es war vielmehr die deutlich bessere Übersicht über das Schlachtfeld, die mich immer wieder vor den Fernseher trieb und abgesehen davon auch schlichtweg die Lust am Genuss der teils langen, aber nie schlecht geschriebenen Dialoge.
Fire Emblem: Three Houses beginnt damit, dass ihr der neue Magister (versteht: Ausbilder) einer Militärakademie werdet. Ihr entscheidet euch für eines von drei Häusern, das ihr unterstützen wollt, wahlweise die Schwarzen Adler, die Blauen Löwen oder die Goldenen Hirsche. Jedes dieser Häuser hat im Kampf individuelle Vor- und Nachteile, ich entschied mich letztlich schlichtweg dafür, welche Figuren mir am besten gefielen. Denn: Welches Haus ihr trainiert, bestimmt vor allem zu Beginn, welche Einheiten ihr im Kampf zur Verfügung habt. Ihr seid praktisch ein Klassenlehrer und eure Klasse, das sind eure Soldaten. Die Hirsche hatten da eindeutig die sympathischsten Charaktere. Wenn ich an den draufgängerischen und verfressenen Raphael denke, da geht mir einfach das Herz auf. Oder an die liebenswerte, aber stets verbissene Leonie, die ihren Speer niemals gegen einen Strauß Blumen tauschen würde, weil sie die Schlacht und den Krieg viel zu sehr liebt.
Ihr merkt schon, ihr bekommt es in Fire Emblem: Three Houses mit Figuren zu tun, die euch ans Herz wachsen. Das Spiel setzt das praktisch voraus, es tut aber auch alles, damit es euch so geht, weil es euch als Schutzbefohlenen in deren Leben setzt. Zu Beginn habt ihr die Wahl zwischen verschiedenen Schwierigkeitsgraden. Nicht nur könnt ihr den Kampf leichter oder schwerer machen, ihr könnt auch Permadeath aktivieren und so entscheiden, ob eure Figuren dauerhaft das Zeitliche segnen, wenn sie im Kampf fallen. Entscheidet ihr euch dafür, sind sie auch nach einem Ableben in unwichtigen Gefecht tatsächlich für immer weg. Entscheidet ihr euch dagegen, sind sie einfach wieder da und behalten sogar die Erfahrungspunkte, die sie vor ihrem Ableben in der fraglichen Schlacht gesammelt haben.
Ich habe beides ausprobiert und kann sagen: Wenn eure Figuren sterben können, steigert das eure Verbundenheit zu ihnen immens. Ihr überlegt euch jeden Zug dreimal und das nicht nur, weil ihr nicht wollt, dass euch mühsam erlernte Skills wieder verloren gehen, sondern tatsächlich, weil ihr auf einen Raphael eben nicht verzichten wollt. Entscheidet ihr euch gegen den Permadeath, dann kann das Ableben einer Figur auch schon mal taktisch eingesetzt werden, um durch ein Opfer eure Gegner abzulenken. Diese Wahl ändert das Spielprinzip also grundlegend, aber weil der Permadeath-Modus nun mal deutlich anspruchsvoller ist, würde ich nie jemanden verurteilen, der sich dagegen entscheidet. Three Houses macht so oder so eine Menge Spaß.
Das liegt nicht zuletzt daran, dass der Kampf zwar das Herz des Spiels ist, er aber ohne all die anderen Organe, die aus Fire Emblem einen atmenden, lebenden Organismus machen, auch nicht leben könnte. Alles, was sich zwischen den Kämpfen abspielt, fühlt sich in großen Teilen an wie eine Art Fußball-Simulator. Ihr arbeitet mit eurer Mannschaft und versucht, das Beste aus ihnen herauszuholen. Zu Beginn jeder Woche könnt ihr festlegen, welche Trainingsziele erreicht werden sollen, etwa in Schwertkampf oder in einer der magischen Schulen. Oder auch schlichtweg in Bezug auf die Fortbewegung, also im Reiten oder Fliegen auf Pferden oder mythischen Kreaturen.
Je mehr eure Figuren lernen und je besser ihr sie spezialisiert, desto effektiver sind sie letzten Endes im Kampf. Das ist aber nicht alles, denn als Lehrer habt ihr natürlich auch irgendwie ein persönliches Verhältnis zu euren Schülern. Also erfahrt ihr etwa, was sie zu sagen haben, indem ihr Zettel aus dem Kummerkasten zieht oder esst mit ihnen zu Mittag. Das alles übrigens, indem ihr in einem Kloster frei herumlauft. Kleine Aufgaben helfen euch dabei, den Alltag für alle erträglicher zu gestalten. Immer wieder vermisst jemand einen besonderen Gegenstand oder hat ein Interesse daran, dass ein kleineres, für den Kriegsausgang nicht entscheidendes militärisches Problem gelöst wird. Folgt ihr diesen Aufträgen, gewinnt ihr das Vertrauen eurer Schüler.
Eure Schüler, das sind übrigens echte Charaktere, sie haben Eigenarten, die ihr berücksichtigen solltet. Läuft etwa mal eine Trainingseinheit schief, ist Leonie meist ziemlich verbissen. Sie will dann auch nicht getröstet werden, denn das gibt ihr nichts, sie will eure ehrliche Kritik. Marianne dagegen ist ohnehin voller Selbstzweifel, sie fühlt sich besser, wenn ihr hin und wieder mal ein paar warme Worte verliert. Woher ich das weiß? Naja, ich habe mich mit meinen Kollegen auf dem Schlachtfeld unterhalten und genau das müsst ihr auch tun, wenn ihr herausfinden wollt, wie sie ticken.
Und das trägt dann wiederum dazu bei, dass ihr hier nicht das Gefühl habt, mit einem Kreis seelenloser Kampfkameraden zu agieren, sondern mit Leuten, die euch wirklich etwas bedeuten - und umgekehrt. Sie kommen zu euch und sagen euch das. Vor einem größeren Gefecht kann es vorkommen, dass sie euch eure Ängste schildern und ihr sie ausräumen müsst. Das ist verflucht großartig, wirklich. Ich möchte meinem Raphael durch die zerzausten Haare wuscheln, wenn er nach Essen fragt, wohlwissentlich, dass er im letzten Kampf zehn Feinde mit der bloßen Hand erschlagen hat. Ich kaufe Leonie nicht einfach nur einen besseren Speer, weil mir das im Kampf Vorteile bringt, sondern weil ich das Gefühl habe, sie hat ihn verdient.
Immer wieder geschieht es, dass eure Charaktere ihre Fertigkeiten soweit verbessert haben, dass sie eine andere Charakterklasse annehmen können. Auf diese Weise könnt ihr sie weiter spezialisieren und um bei meinen Beispielen zu bleiben: Aus Raphael ist eine Bestie geworden, die sich zwar langsam bewegt, Feinde aber im Akkord nur mit den Händen von der Karte fegt. Aus Leonie ist eine Reiterin geworden, die den Speer auf dem Pferd noch viel besser einsetzen kann. Und weil das für die Entwickler längst noch nicht genug Spieltiefe war, könnt ihr jeder Figur jetzt auch noch ein Bataillon zuweisen, einen Haufen Kämpfer also, die ihr dann wiederum per Knopfdruck im Kampf einsetzen könnt. Die leveln mit, sollten aber zur fraglichen Figur passen. Kämpfer zu Kämpfern, Heiler zu Heilern, so ganz grob.
Außerdem dürft ihr euren Figuren auch noch Adjutanten zuweisen, die sich ebenfalls am Kampfgeschehen beteiligen und mitleveln, ihr könnt ihre Klassen vor jedem Gefecht ändern, ihr könnt entscheiden, welche spezialisierten Waffen sie tragen sollen und natürlich könnt ihr die Waffen auch beim Schmied aufleveln oder in Truhen auf dem Schlachtfeld magische Waffen finden und und und ... ich kann an dieser Stelle unmöglich alles aufzählen, was in Fire Emblem: Three Houses theoretisch möglich ist. Vertraut mir nur, wenn ich sage: eine Menge. Für das Durchspielen mit einem der drei zu Beginn wählbaren Häuser könnt ihr 60 bis 80 Stunden einplanen, je nachdem, wie viele der zahlreichen optional verfügbaren Quests ihr erledigt. Und es lohnt sich, auch die anderen Häuser zu spielen, um die ganze Geschichte zu erfahren, wirklich.
Es ist zwar nicht ganz einfach, in Fire Emblem: Three Houses reinzukommen, insbesondere wenn ihr nie einen Titel der Reihe gespielt habt. Aber glaubt mir, es lohnt sich, auch wenn ihr selbst nach zehn Stunden Spielzeit noch Tutorial-Hinweise eingeblendet bekommt. Verzagt nicht, das gehört dazu und das passiert bisweilen auch noch nach 20 Stunden Spielzeit, wenn auch nicht mehr ganz so häufig. Wären diese wertvollen Hinweise aber nicht, würdet ihr euch umso mehr fragen, was ihr hier überhaupt tun sollt. Mein Tipp für Einsteiger: Wählt den leichtesten Schwierigkeitsgrad und lasst euch einfach treiben, auch wenn ihr mal etwas nicht versteht. Irgendwann macht's "Klick", versprochen!
"Klick" hat es bei mir übrigens vor allem in den hervorragend gestalteten Story-Missionen gemacht, in denen es eben mal nicht darum geht, einfach alle Gegner um die Ecke zu bringen. Stattdessen müsst ihr beispielsweise nur einen Kommandanten töten, wobei euch die Entwickler viele Freiheiten lassen. Weil eure Figuren stärker leveln, je mehr sie kämpfen, kann es in eurer Party zu einer ziemlich starken Leistungsdifferenz kommen. Claude, ein Bogenschütze auf einem Pegasus, wurde bei mir zu einer Killermaschine, die ich einfach nur in das feindliche Feld stellen musste. Er war bisweilen so stark, dass er noch nicht mal Gegner angreifen musste, sondern sie erledigte, indem er sich einfach gegen deren Angriffe verteidigte. Aber, das sei dazu gesagt, das hat nicht immer geklappt, immer wieder hat er auch seinen Meister getroffen. Das wiederum könnt ihr aber ausgleichen, indem ihr ein paar Mal pro Kampf die Zeit zurückdreht, denn Fire Emblem: Three Houses hat eine Meta-Story. Euer Held, den ihr übrigens frei benennen könnt, wird von einer mythischen Gestalt heimgesucht, die ihm sagt, was er tun und lassen soll. Und weil sein Leben irgendwie davon abhängt, macht er das nunmal. Mögliche Zeitreisen bei Fehlverhalten Inklusive. Ihr lernt schnell, dass eure Figur etwas Wichtiges zu erledigen hat in dieser Welt, auch wenn ihr nicht immer genau wisst, was das ist.
Um das nicht zu verschweigen: Natürlich könnt ihr eure Schüler/-innen auch daten. Genauer gesagt: Ihr ladet sie zum Tee ein und führt dann mehr oder weniger sinnvolle Gespräche über Themen, von denen ihr glaubt, dass sie euer Gegenüber interessieren. Ich habe das zwischen den Kämpfen als dämliche Nebentätigkeit ab und zu gerne gemacht, wirklich notwendig gewesen wäre es für den Spielgenuss aber nicht. Aber das wäre auch der Kummerkasten nicht. Oder die Chorproben, die ihr regelmäßig abhalten könnt, einfach so. Oder die gemeinsamen Mittagessen. Fire Emblem: Three Houses ist voll von an sich unnötigem Kram, der aber einfach drin ist, damit ihr euch in diese Spielwelt vertiefen könnt wie ein Erdmännchen in seinen unterirdischen Bau. Diese Details haben kleine Auswirkungen auf auch im Kampf relevanten Mechaniken, aber eben wirklich nur geringe.
Manchmal gibt es sie ja, diese Momente, in denen man sich nur in die Ferne sehnt, in denen man das Gefühl hat, einfach Urlaub zu brauchen. Three Houses erlaubt es euch, in fantastische, ferne Welten einzutauchen, ohne das Haus zu verlassen. Und es hält euch in diesen Welten fest, es nimmt euch gefangen. Ich habe es Stunden am Stück nicht aus der Hand legen können, schließlich kam nach einer spannenden Gesprächsszene immer noch eine andere und auch die Kämpfe sind in dieser Qualität nahezu einmalig, zumindest, wenn man von den großartigen letzten XCOM-Titeln mal absieht. Ja, wir bewegen uns auf diesem Niveau. Ja, Three Houses ist ein fantastisches Spiel. Ja, jeder, der auch nur ansatzweise etwas mit Rundentaktik am Hut hat, sollte es spielen! Fire Emblem: Three Houses ist einer der besten Rundentaktiktitel, den ich bislang gespielt habe. So gut ist es!
Entwickler/Publisher: Intelligent Systems, Koei, Tecmo Koei Holdings/Nintendo - Erscheint für: Switch - Preis: 59,99 Euro - Erscheint am: 26. Juli 2019 - Gestestete Version: Switch - Sprache: deutsche Texte, englische Sprachausgabe - Mikrotransaktionen: Nein