Skip to main content

First Strike: Final Hour - Test

Atomkriegssimulator 2017

Strategie-Spiel in Echtzeit über den globalen Atomkrieg. Haut euren Gegnern Atomraketen um die Ohren und schafft radioaktive Wüsten.

First Strike: Final Hour ist ein wirklich angenehmes Feierabendspiel. Eine Partie dauert je nach Verlauf so zwischen 20 und 45 Minuten und ist danach abgeschlossen. Das Spiel ist nicht allzu kompliziert, ihr habt nur wenige Funktionen zur Verfügung und müsst diese in Echtzeit auslösen, zwischendurch gibt es ein paar schöne Explosionen zu sehen und danach bekommt ihr eine feine Auswertung, die euch sagt, wie erfolgreich ihr wart. Der Haken ist die dem Spiel immanente Definition von „erfolgreich". Das bedeutet im Spiel nämlich, als letzte verbliebene Nation der Welt übrig zu sein - nach einem globalen Atomkrieg.

Dieser Atomkrieg ist bereits in vollem Gange.

Als Spielfeld dient euch in First Strike: Final Hour die ganze Welt. Zu Beginn dürft ihr eine Nation auswählen, wobei sich die USA am leichtesten und Nordkorea am schwierigsten spielt. Nicht alle Mächte stehen schon am Anfang zur Verfügung, weitere könnt ihr euch durch erfolgreiche Atomkriegsführung freischalten. Das restliche Spiel findet dann auf einer politischen Karte des Globus statt. Euer Staatsgebiet ist in verschiedene Sektoren eingeteilt, wobei ihr neue einfach einnehmen könnt, sofern sich dort nicht schon eine andere Nation breitgemacht hat. Ist das der Fall, ist die Konsequenz klar: Atomkrieg, jetzt und hier! Als Waffenarsenal stehen euch hierfür eine Mittelstrecken- und eine Interkontinentalrakete zur Verfügung, Marschflugkörper dienen außerdem dazu, feindliche Angriffe abzuwehren, indem ihr die herannahenden Atomraketen abschießt.

Das mag sich alles recht gemächlich lesen, ist in Wahrheit aber eine ziemliche Klick-Orgie. Das liegt daran, dass ihr jedem eurer Sektoren eine Aufgabe zuweisen könnt - und wenn ihr euer Potential optimal ausnutzen wollt, macht ihr das auch. Neben der Waffenproduktion könnt ihr den Befehl geben, angrenzende Sektoren zu erobern, außerdem gibt es einen Forschungsbaum, mit dem ihr neue Technologien freischalten könnt: Dazu gehören etwa kürzere Bauzeiten für eure Massenvernichtungswaffen, ein Satellitenwarnsystem, das euch über herannahende Feindraketen informiert oder die oben erwähnte Interkontinentalrakete, abgekürzt ICBM.

Hier könnt ihr neue Technologien erforschen - beispielsweise eure erste Interkontinentalrakete.

Angriff ist bekanntlich die beste Verteidigung und deshalb werdet ihr über kurz oder lang dazu übergehen, den Feind zu beschießen. Habt ihr einem Feind-Sektor genug zugesetzt, bekommt ihr eine kurze Meldung über die zerstörte Stadt und die ausgelöschten Menschenleben, alles ganz nüchtern und bürokratisch. Habt ihr an der Grenze zu dieser frisch erschaffenen radioaktiven Wüste einen eigenen Sektor, könnt ihr das Gebiet auch einnehmen und dort fortan selbst Atomwaffen produzieren. Interessanterweise geht euch ebendieser tödliche Kreislauf aus Angriff, Verteidigung, Forschung und erneutem Angriff recht schnell in Fleisch und Blut über. Relativ fix habe ich beim Spielen vergessen, dass ich hier eigentlich gerade einen virtuellen Vernichtungskrieg gegen den Rest der Menschheit führe. Wenn das Spiel euch dann abschließend auch noch mit der Bilanz eures Tuns konfrontiert, erreicht der Zynismus seinen Höhepunkt: Ihr erfahrt dann, wie viele Nationen ihr vernichtet, wie viele Menschen ihr umgebracht habt (zum Beispiel 900 Millionen) und wie viel Megatonnen an Sprengstoff ihr auf der Erde verteilt habt.

Weil all das noch nicht drastisch genug ist, könnt ihr zu Beginn jedes Spiels auch noch zwei spezielle Superwaffen auswählen, die dann jeweils am Ende des Forschungsbaums stehen. Darunter fallen so sympathische Kriegsgeräte wie die dreckige Radium-Bombe oder die globale Trident-Rakete, die drei Atomschläge an verschiedenen Orten gleichzeitig ausführt. Und wenn ihr grad ganz draufgängerisch gelaunt seid, wählt ihr die First-Strike-Option. Dadurch werden auf einen bestimmten Erdteil all eure verfügbaren Atomwaffen auf einmal abgefeuert. Eine landschaftlich reizvolle Glaswüste ist als Ergebnis quasi garantiert.

Das dürfte mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit das Ende der USA sein.

Dem schweizerischen Entwicklerstudio Blindflug Studios sei an dieser Stelle aber keinesfalls eine menschenverachtende Intention unterstellt. Tatsächlich ist First Strike: Final Hour in seiner enorm nüchternen Betrachtungsweise des Atomkriegs so zynisch, so kalt und gesichtslos, dass das Gameplay im Grunde nur als bitterböse Satire verstanden werden kann. Mit einem ganz realen Hintergrund: Die Menschheit besitzt auch nach dem kalten Krieg immer noch genug Atomwaffen um die Erde ein paar dutzend Mal dem Erdboden gleichzumachen, die groteske Logik der gegenseitigen nuklearen Abschreckung hat zu einem Atomwaffen-Arsenal geführt, das selbst im Falle eines Atomkriegs einfach überflüssig groß wäre. Ein bisschen ist das, als würde man jemanden umbringen, indem man ihm 50-mal erschießt, einfach nur, um auf Nummer Sicher zu gehen. Ergebnisse dieser Rüstungslogik sind etwa die (real existierende) Trident-Rakete oder die sowjetische Zar-Bombe, ihrerseits die Ursache der größten vom Menschen je verursachten Explosion - mit einem Atompilz, der beim ersten Test mit Leichtigkeit die Wolkendecke durchbrochen hat.

Das Ende Mai erschienene First Strike: Final Hour ist dabei die erweiterte Version des Mobile-Spiels First Strike. Neu hinzugekommen ist bei der Ende Mai erschienenen Steam-Fassung unter anderem ein Diplomatie-Menü. Das macht Hoffnung, wobei sich die Optionen darauf beschränken, per Klick Bündnisse zu schließen ... die dann auch ganz schnell wieder zerbrechen, ohne, dass ihr etwas davon merkt. Sowohl der Ursprungsvariante als auch Final Hour ist gemein, dass sie auf befremdliche Art und Weise packend sind und Spaß machen. Wenn im Zuge eines Erstschlags dutzende Interkontinentalraketen über den Bildschirm fliegen und dann mit Wucht einschlagen und dabei halb Mitteleuropa auslöschen, fühlt sich das auf eine perverse Art befriedigend an. Zumindest in meinem Fall hat ebendieses Gefühl aber immer wieder dazu geführt, dass ich mich gefragt habe, was ich da eigentlich gerade mache.

Diplomatische Verhandlungen sind in First Strike äußerst rudimentär.

Es ist schwer, für ein Spiel wie First Strike eine Empfehlung auszusprechen. Eure individuellen Spielerlebnisse dürften sehr unterschiedlich ausfallen - vielleicht empfindet ihr den Atomkriegshintergrund des Spiels ja als vollkommen irrelevant. Dann habt ihr hier ein kleines, feines - wenn auch recht eingeschränktes - Strategiespiel vor euch, dass euch den einen oder anderen Feierabend versüßt. Vielleicht findet ihr das Thema aber auch so abstoßend, dass ihr keinen Spaß am Spielen haben werdet. Und vielleicht ist es auch eine Mischung aus beidem. Abschließend sei darauf hingewiesen, dass die Vernichtung der Erde nicht die einzige Möglichkeit ist, das Spiel zu gewinnen. Wer sich traut, die gewohnten Pfade des globalen Atomkriegs zu verlassen, wird vielleicht mit einer Überraschung belohnt.

Entwickler/Publisher: Blindflug Studios/Blindflug Studios - Erscheint für: PC, Mac - Preis: 11,99 Euro - Erscheint am: erhältlich - Getestete Version: PC - Sprache: deutsch und englisch - Mikrotransaktionen: Nein

Schon gelesen?