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Forza Horizon 3: Beeindruckender ist nur ein echter Australien-Urlaub

Gruß an die Welle.

Manchmal ist es schön, daran erinnert zu werden, welchen Weg Open-World-Racer seit Burnout Paradise hinter sich haben. Man könnte jetzt auf die Idee kommen, die Matschflecken in Forza Horizon 3 dafür mitverantwortlich zu machen, krustig eingetrocknet bis in die letzte, abartig detaillierte Reifenrille. Man könnte es der Ode an die Schönheit des Automobils zusprechen, was es spätestens im bekannten Forza-Vista-Modus mit seinen dreh- und zoombaren Ansichten auch ist. Doch Horizon 3 ist mehr. Mindestens ebenso eine Ode an Australien und seine Landschaften, an den Outback-Kitsch im Sonnenuntergang zu feurigen Fetzen zusammenlaufender Wölkchen, ein Wechselspiel zwischen Licht und Dunkelheit, je nachdem, wo man gerade fährt.

Zwischen Natur und Asphaltdschungel zelebriert auch Horizon 3 den Motorsport an sich.

Man muss nur einmal den urwüchsigen Dschungel durchqueren, hinter dem sich ein wächterhafter Damm nach unten ergießt, und könnte glatt verdrängen, dass man hier eben nicht mit Y den Wagen verlassen kann. Wollte ich aber so gern, um das Pieksen in den Füßen zu spüren, statt immer nur Mülltonnen der Nachbarn aus dem Weg zu holzen. Australien ist Wüste, Strand und Surfen, spießige Vorstadt mit kleinen Verandas und im Lichtermeer stehende Wolkenkratzer der Gold Coast. Eine ganz schöne landschaftliche Palette, das muss man nach zwei Anspielstunden sagen, und in der Form eine Ecke edler als das vergleichbare The Crew. Klar, den latenten Größenwahn, in einer Stunde von Detroit nach Vegas und weiter nach Los Angeles tuckern zu können, den gibt es nur bei Ubisoft. Kurz nach Spielstart, als das Tutorial vorüber war, fuhr ich in Horizon Richtung Kartenrand und war nicht mal zwanzig Minuten unterwegs. So groß geht es hier nicht zu, aber dafür dichter und kompakter in einem herrlichen Farbrausch.

Zwischen Rottönen vom Zahn der Zeit abgewetzter Felsformationen, Stachelkopfgräsern, weiten Blumenfeldern und schummrigen Tropfsteinhöhlen bringt Entwickler Playground Games einen Liebesbrief an den fünften Kontinent auf den Weg. Die von der Frontscheibe perlenden Wassertropfen sind ein Traum, ebenso wie die entstehenden Risse bei zu heftigen Zusammenstößen oder die Wetterwechsel. Es sieht einfach fantastisch aus.

Eure Gegner sind nicht immer im Auto unterwegs.

Im Gegensatz zur Geschichte, die mal wieder niemand gebraucht hätte. Als Veranstalter des Horizon-Festivals fühlt man sich zu nichts Besserem bemüßigt, als sich mit Rennen in sündhaft teuren Karren die Langeweile zu vertreiben und Fans als "Währung" zu sammeln. Was in der heutigen Zeit der allumfassenden Vernetzung oft aus dem Ruder läuft - scheinbare Größenermittlung über "Follower" -, findet sich hier widerlich verknäuelt wieder. Je mehr Leute ihr mit Rennen beeindruckt, desto größer die Anhängerschaft und desto dickere Events könnt ihr schmeißen. Wer mag, kann Drivatare anderer Spieler für seine Sache einspannen. Und sie feuern, wenn sie nicht genug Follower bringen.

Wegen dieser etwas arg bemühten Prämisse freute ich mich über jeden Spruch von Anna, den ich verpasste. Anna ist die Stimme im Ohr, wahlweise Tippgeber, wenn man sie "aktiviert", oder eingebautes Tutorial für die Grundlagen. Da schlägt sie dann so Dinge wie "give head" vor und meint den Typen vor mir, den ich wie andere Online-Spieler zu einem spontanen Rennen herausfordern kann. Ich habe aus Verdutztheit nicht mehr zugehört, bis ich merkte, dass sie "give him a head-to-head invitation" sagte. Nein, der Hintergrund ist nicht, wieso man Forza Horizon 3 spielt, egal ob allein oder im Koop-Modus für bis zu vier Leute, der hier seinen Einstand gibt.

Wie kitschig. Aber auch schön. Wetterwechsel und Sonnenuntergänge gehören zu den schönsten Effekten des Spiels.

Es ist die Freude am Nichtstun, die vergebende, aber nie banale Handhabung der Autos von BMW bis Truck oder australischen Muscle-Cars, der kurze Mattscheibenurlaub und was er verdrängt. Zum Beispiel dass man einen herrenlos herumstehenden Buggy vor sich herschieben und damit feinste Gartenzäune zerlegen kann. Oder Leuten die Sonnenschirme weghauen. Nur leider nie die Leute dazu. Ich habe es versucht, oh ja. Weder reicht die Autoschnauze in eine Veranda hinein, wo die Anwohner an Plastiktischen sitzen, noch lassen sich hinter Absperrungen grölende Zuschauer zerquetschen. Man kann sie auch nicht mit offenstehender Motorhaube zerteilen, oh nein.

Trotzdem, Follower sammeln, um größere Events zu starten und mehr Inhalte zu haben, bäh. So folgt Forza Horizon 3 seiner eigenen Logik, was Freischaltungen in der offenen Welt angeht, seien es Stuntsprünge, Driftkurse, Offroad-Konvois oder ganz einfache Verkehrsblitzer, denen man mit größtmöglichem Tempo einen Schnappschuss abringen muss. Bis die Karte nach wenigen Stunden überfrachtet ist mit Symbolen und man gar nicht mehr weiß, wohin als Nächstes. In einer der ersten Runden sitzt man in einem Offroad-Buggy und folgt einem Jeep, der an einem Transportheli hängend hin und her baumelt. Dazu gibt's kurze Zeitlupeneinspieler bei besonders abenteuerlichen Sprüngen, etwa wenn man um ein Haar in die Mühle hineinrauscht. Eine schön alberne Idee, ein Spiel zu beginnen, das euch in späteren Rennen sogar gegen einen Zeppelin oder eine Flotte aus Sportbooten antreten lässt.

Man möchte am liebsten aussteigen und die Füße ins Wasser halten.

Playground scheint sich mit beiden Händen zu nehmen, was Australiens Topografie an Möglichkeiten fürs motorisierte Kräftemessen hergibt, und nutzt die volle Bandbreite zwischen Asphalt, Offroad oder Strandstrecken mit offenen Höhlenpassagen, als wären wir in Mario Kart. Als Karotte vor der Nase und übergeordnete Fortschrittsanzeige baumeln Erfahrungspunkte für... eigentlich alle möglichen Dinge, die man erreicht. Damit schaltet ihr dann Boni frei, um, öh, noch schneller aufzusteigen, für mehr Autos, mehr Geld. Und damit kauft man wieder Neues, Besseres, rüstet Altes in der Werkstatt auf und bewegt sich in einer ständigen Spirale des Besserwerdens.

So funktionieren Spiele heute. Oft mag es unangebracht sein und drübergestülpt wirken. Dem kann sich auch Forza Horizon 3 nicht völlig entziehen. Wenn das Fahren, allein das Stehen in der Spielwelt mit angezogener Handbremse so viel Freude bereitet, muss man sich darüber nicht den Kopf zerbrechen.

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Sebastian Thor Avatar
Sebastian Thor: Steht auf Bier und Bloodsport. Mag weiche Sofas und verliert sich gern in Gedanken an dies und das. Seit 2014 bei Eurogamer dabei, aktuell als freier Redakteur.
In diesem artikel

Forza Horizon 3

Xbox One, PC

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