Forza Motorsport 2
Gran Turismo endlich abgehängt?
Autos üben eine wirklich einmalige Faszination aus, für die viele Männer selbst knackige Frauen stehen lassen. Dabei sind es nicht nur Fahreigenschaften und Beschleunigungsgefühl, die Männerherzen höher schlagen lässt. Oft reichen schon sanft geschwungenen Blechrundungen und nackte Zahlen, um Autofanatiker ins Schwärmen zu bringen. Ich selbst hatte solch eine Phase um meinen achtzehnten Geburtstag herum, wo ein Auto noch mehr war, als nur eines von vielen Transportmitteln. Aufgewachsen in einem kleinen Dorf, abgeschnitten von öffentlichen Verkehrsmitteln, bedeutete ein eigenes Auto Freiheit und Selbstbestimmung. Deswegen lernte ich ein Jahr zuvor den Bild-Autokatalog auswendig und konnte mich mit meinem besten Freund Max auf unserer ersten Autoreise sechzehn Stunden lang ausschließlich über die vierrädrigen Blechdosen unterhalten.
Doch meine Begeisterung erlahmte mit dem Umzug in die Großstadt. Mit all dem Platzmangel, überlasteten Verkehr und vor allem dem dichten Nahverkehrsnetz, wurde das Auto zu einem reinen Gebrauchsgegenstand. Speziell der Fahrspaß blieb komplett auf der Strecke und ich entschied mich endgültig für ein Großstadt taugliches Nutzfahrzeug, das auch ruhig mal einen Kratzer vertragen konnte. Meine Leidenschaft war aber nicht völlig tot, vielmehr war sie gehemmt durch die widrigen Umstände. Es brauchte einen Titel wie Forza Motorsport 2, um mein Verlangen abermals zu entfachen. Seitdem überlege ich täglich, ob ich mir nicht einen neuen Wagen kaufen oder etwas mehr Arbeit in meinen Alten stecken soll. Ich denke über neue Stoßdämpfer und scharfe Nockenwellen nach, über Kurvenbeschleunigung und Spitzengeschwindigkeiten, über spezielle Lackierungen.....
Faszination Auto auf den Punkt gebracht
Geweckt wurde die Begeisterung natürlich nicht allein durch das hervorragende Spiel. Einen Teil der „Schuld“ trägt auch die Aussage von Lead Designer Dan Greenawalt, der in München im BMW Pavillon sein Rennspektakel Forza Motorsport 2 vorstellte: „Es geht nicht nur um das Rennen fahren, es geht um die Faszination Auto und die hört nicht an der Ziellinie auf! Bei Forza sollen nicht nur die Leute Spaß haben, die gern immer wieder im Kreis fahren, sondern auch die Kreativen, die Autofanatiker und die passionierten Tuner.“ Hier wurde mir bewusst, dass ich kein großer Rennfahrer sein muss, um ein großer Autonarr zu sein.
Was also Forza Motorsport 2 so besonders macht, ist sowohl die technische Perfektion und die über 300 Autos als auch die kreativen Freiheiten, die eine gewaltige Zielgruppe, nämlich alle Auto-Enthusiasten, unter einer Motorhaube zusammen fasst. Überzeugen konnte wir uns von dieser Meisterleistung am letzten Wochenende, wo wir als eines der ersten Game-Magazine die Möglichkeit hatten die nahezu fertige Vollversion in der Redaktion komplett durchzuspielen. Dies ermöglichte uns diese umfassende Vorschau, die einem Test schon recht nahe kommt.
Im Grunde ist das Spiel natürlich eine aufwändige Rennsimulation, die als logische Schlussfolgerung gleich eine ganze Bandbreite an Verbesserungen gegenüber ihrem Vorgänger bereit hält. Die Grafik verzückt mit hochauflösenden Fahrzeugmodellen, detailgenauen Strecken und schicken Beleuchtungseffekten. Die Physik wird 360 mal pro Sekunde aktualisiert, berechnet millimetergenau die auftretenden Beschleunigungskräfte und kann sogar die Reifentemperatur bei unterschiedlichem Luftdruck bestimmen. Der Sound verursacht bei geschlossenen Augen Gänsehaut, ermöglicht die Bestimmung des Bodenmaterials allein an dem Fahrgeräusch und bietet fünf verschiedene Crash-Geräusche. Doch das alles ist inzwischen fast Standard und gehört einfach zum Erlebnis dazu. Viel beeindruckender sind die Möglichkeiten, selbst kreativ zu werden und die eigenen Autovisionen in die Realität umzusetzen.
Kreativer Jungbrunnen für das Renn-Genre
Erfreulicherweise ist man nicht nur auf einfache Lackspielereien und Tuningpakete beschränkt. Vom Antriebsstrang über aufwändige Grafiken kann man so ziemlich alles an dem persönlichen Lieblingsauto verändern. So ist es erstmals machbar, das Einstiegsfahrzeug auf Wunsch bis zu den letzten Profi-Rennen mit zu schleppen. Dank einer feingliedrigen Klassifizierung wird das Tunen zum Kinderspiel. Übersichtlich und nachvollziehbar schlägt sich jede Modifizierung in eine Veränderung der Fahreigenschaften nieder.
Aber auch in der eigentlichen Rennvorbereitung präsentiert sich das Spiel als vielschichtiges Kreativwerkzeug, das Anfängern und Gelegenheitsspielern ermöglicht, mit wenigen Handgriffen konkurrenzfähig zu sein, echten Profis die Chance lässt, in monatelanger Feinabstimmung die letzten Zehntel aus dem Wagen heraus zu holen. Selbst Gelegenheitsspieler werden nach ein paar Stunden feststellen, dass auf den Rundkursen mit ihren enormen Endgeschwindigkeiten es sehr wohl von Nutzen sein kann, die Achsübersetzung so anzupassen, dass das Auto eine höhere Endgeschwindigkeit erreicht. Spätestens hier mutiert Forza Motorsport 2 zu einem perfekten Lehrwerkzeug, um auch Laien die Zusammenhänge im Motorsport zu erläutern.
Dabei wurde bewusst ein Weg ohne Tutorial oder einer Fahrschule gewählt. Designer Dan Greenawalt ist sich sicher, dass man nirgendwo anders so gut fahren lernt wie direkt auf der Rennstrecke. Dank umfangreicher Fahrhilfen, die zusammen mit der Gegner-KI in vier Schwierigkeitsgrade eingeteilt wurden, funktioniert das sogar überraschend gut. Vor allem die Ideallinie - samt dynamischer Bremshilfe - vermittelt ein hervorragendes Gefühl für Kurvengeschwindigkeiten und Bremspunkte. Alte Forza-Hasen werden sich dagegen über die noch etwas direktere Lenkung und das deutlich bessere Geschwindigkeitsgefühl freuen, was besonders bei der Motorhauben-Kamera zur Geltung kommt. Lediglich die ursprünglich versprochene und nun scheinbar wegrationalisierte Cockpit-Perspektive wird echte Simulations-Fans etwas enttäuschen.