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Forza Motorsport 3

Was heißt schon perfekt?

Auf dem zweiten der drei Level fährt es sich schon etwas weniger locker-flockig, viele der Assistenzen, die einen 300PS-Boliden handlebar halten, bleiben allerdings noch aktiv. Die bekannte Ideallinie verrät euch weiterhin, wann ihr zu bremsen habt, selbst wenn ihr nun schon selber in die Eisen gehen müsst. Schwerlich das, was den Hardcore erfreut. Der dürfte auch auf dem dritten Level noch nicht ganz zufrieden sein.

Nur etwa 90 Prozent der Hilfen sind jetzt inaktiv. Um das letzte Quäntchen absoluter Kontrolle aus dem Wagen zu holen, müsst ihr ins jederzeit – auch mitten im Rennen – zugängliche Menü, wo ihr dann die ganze Reihe von ASP über ESP bis zu KI und vielem mehr in sehr feinen Abstufungen regeln dürft. Diese Zurückhaltung mit den inneren Werten von Forza 3 zieht sich durch alle Aspekte und auch durch das auf den ersten Blick nicht existente Tuning.

Ihr wollt in eine neue Klasse einsteigen? Fein, genug in den Rennen zu gewinnende Dollars vorausgesetzt, wählt ihr euren Traum aus und dazu schlicht Optimum als Ausstattung. Fertig. All die fiesen kleinen Feineinstellungen nimmt euch der Computer ab und das nicht ohne Grund. Im Gegensatz zu den beiden recht vergebenden Vorgängern wird euch Forza 3 keine Fehler bei Selberschrauben verzeihen. Mit 175 Reglern – ungefähr doppelt so vielen wie zuvor – fällt es leicht, einen Wagen zu Tode zu tunen und die Performance zu ruinieren. Echte Profis, die wirklich verstehen, wie ein schnelles Auto funktioniert, sollten hier die Erfüllung finden. Alle anderen dürfen diesen Part getrost ausblenden und sich in der Gewissheit zurücklehnen, dass sie auch so schon ganz knapp am oberen Limit des Möglichen kratzen werden.

Wer möchte, darf sich auch bei der Planung der Saison das Denken abnehmen lassen, und das sogar ganz unmerklich. Der Philosophie zufolge, dass ihr während eines solchen Spiels im Cockpit und nicht in Menüs eure Zeit verbringen wollt, wählt das Spiel für euch das nächste passende Event aus. Dabei wird berücksichtigt, welche Autos ihr habt, welche Strecken ihr wie gefahren seid, euer Stil wird analysiert und abgeschätzt, welches Rennen der Verfügbaren euch am meisten motivieren dürfte. Von eurer Seite ist nur erforderlich, dass ihr dem Spiel außerhalb des Wagens das Steuer in die Hand gebt. Dann wird Forza 3 zeigen, dass es weit tiefer geht, als es Forza jemals nur andachte, dabei aber niemanden zurücklässt. Ein häufig angestrebter Spagat, der hier gelingen könnte.

Forza Motorsport 3 - Individualisierung

Auf den Spuren dieses Mottos liegt auch der Rewind-Modus, welcher euch auf Knopfdruck im Rennen einfach fünf Sekunden zurücksetzt. Und auf einen weiteren Druck dann noch mal fünf. Dann noch mal und weiter zurück, bis an den Start des Rennens, wenn es nötig sein sollte. Dieses Feature lässt sich zwar abschalten und auch ein paar Ranglisten für Rewind-freie Fahrer finden sich, ansonsten gibt es aber keine Strafen oder Beschränkungen beim Schwierigkeitsgrad. Am oberen Limit fahrt ihr ein paar mehr Dollar ein, das war es auch schon. Alles andere soll zu hundert Prozent euren Vorlieben überlassen bleiben.

Eines der wenigen Features, das man mit milder Sorge betrachten könnte, ist der Stressfaktor der KI-Fahrer. Das Drivatar-System, das im Vorgänger bereits für halbwegs glaubwürdiges Computerfahrerverhalten sorgte, wird jetzt dadurch erweitert, dass ihr Druck machen könnt. Je länger ihr dicht an einem Anführer dranhängt, desto unruhiger wird er. Nervöse Fahrer machen schneller Fehler, sie nehmen ein wenig zu früh die Kurve, sie bremsen ein wenig zu heftig ab. Alles zu eurem Vorteil. Auf leicht sorgt ihr schnell für Panik, auf hart lassen sie die Gegner kaum aus der Gelassenheit reißen. Nur ganz darauf verzichten, das wird wohl nicht möglich sein. Versagt dieses System, dann werden böse Erinnerungen an das mäßige R: Racing wach. Sollte es klappen, dann gehören die Ideallinienschlangen aus frühen Gran Turismos hoffentlich endlich der Vergangenheit an.

Ich hätte für das dritte Forza eigentlich ein Abdriften in den für Normalsterbliche unzugänglichen Racing-Hardcoresektor erwartet. Überraschenderweise möchte Turn 10 dem mit einer glatt geschliffenen, eleganten und intelligenten Menüführung und sinnvollen Automatikfunktionen begegnen. Gleichzeitig strebt man nach überbordendem Tiefgang für die Enthusiasten, die es wagen, einen Blick unter die Haube zu werfen. Ergänzt man das jetzt noch mit etwas, was aktuell nach technisch vollendeter Reife aussieht, sowie einem herausragenden Fahrgefühl mit dem Idealmaß zwischen Geschwindigkeitsrausch und Kontrolle, dann erhaltet ihr ein Spiel, das den Begriff Perfektion in diesem Genre für sich beanspruchen könnte. Ich weiß nicht, ob Forza Motorsport 3 besser wird als Gran Turismo 5. Aber sofern Polyphony Digital mitspielt und seinen Renner veröffenlicht, freue ich mich darauf, es bald herauszufinden und erwarte ein sehr knappes Rennen der beiden an die Spitze.

Am 23. Oktober soll Forza Motorsport 3 in Europa durchstarten, ein paar Tage später in den USA.

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Martin Woger Avatar
Martin Woger: Chefredakteur seit 2011, Gamer seit 1984, Mensch seit 1975, mag PC-Engines und alles sonst, was nicht FIFA oder RTS heißt.
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Forza Motorsport 3

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