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Fract OSC - Test

Wer gutes Spieldesign hat, braucht keine führende Hand.

Mach Dein Ding! Es gibt keinen eindeutigen Weg, keine eine Spielweise, jeder kann diese Welt für sich entdecken, und das lohnt sich.

Wie schön es doch ist, einfach in ein Spiel einzutauchen, ohne ständig mit Hinweisen bombardiert zu werden. Nicht einmal einen Startbildschirm schenkt euch Fract OSC. Nach dem ersten Starten setzt euch der Titel sofort in einer fremden Welt ab. Ein richtiges Tutorial existiert nicht. Ein exakter Pfad ist nicht vorgegeben. Und dennoch findet ihr innerhalb weniger Minuten den richtigen Weg. Denn die Struktur des Areals zieht euch zwangsweise hinunter zu einem Knotenpunkt. Hier liegt eine seltsame Kugel, mit der ihr automatisch interagiert. Niemand muss euch darauf hinweisen. Kein Text ist dafür notwendig. Schließlich ist es das einzige Objekt.

Suche deinen eigenen Weg

Ein wenig später gelangt ihr so in den Hauptbereich des Abenteuers. Plötzlich gibt es mehrere Wege, denen ihr folgen könnt. Da man keine festgelegte Reihenfolge vorgibt, dürft ihr die in Neonfarben getauchte Welt frei erkunden. Euer Ziel ist dabei nicht ersichtlich. Trotzdem entdeckt ihr bald verschiedene Punkte, an denen ihr mit der Umgebung interagieren könnt. Dabei handelt es sich um Rätsel, die organisch in die Areale eingebettet sind. Sie fühlen sich wie ein Teil der Welt an und stechen trotz teils abstrakter Mechanismen nicht als abwegige Konstruktionen hervor.

Das Wunderbare ist auch hier wieder eure Freiheit. Es herrscht kein Zwang, keine Dringlichkeit und vor allem keine Erklärung. Wozu auch? Immerhin gibt euch das Spiel genügend optische Hinweise, die zur Lösung der Rätsel führen. Schafft ihr einen Bereich und dringt somit tiefer in die Geheimnisse des merkwürdigen Ortes ein, fühlt sich der Sieg dadurch umso köstlicher an. Dieser Effekt ist es, der antreibt. Denn ihr alleine bestimmt über euer persönliches Schicksal in Fract OSC. Natürlich ist es schwieriger, teilweise verwirrend und definitiv anstrengender. Doch allein die Tatsache, endlich den Ballast moderner Spiele für einen Abend abwerfen zu können, sorgt für genügend Motivation. Zudem hilft die Atmosphäre, euch in der Welt festzuhalten.

Wer auf Neon steht, findet hier sein perfektes Spiel.

Obwohl bis auf Abgründe keine Gefahren in irgendwelchen Ecken lauern, entsteht schnell ein beklemmender Eindruck, der über den gesamten Verlauf hinweg nicht loslässt. Sehr oft bekam ich ein flaues Gefühl im Magen und erschreckte mich, als plötzlich geometrische Formen mit einem lauten Geräusch aus dem Boden vor mir in die Höhe sprangen. Erstaunlich, wie effektiv eine unbekannte Umgebung in Zusammenhang mit dezenter Musikuntermalung sein kein. Ein wenig erinnerten mich die elektronischen Klänge an Synthesizer-Experimente der frühen 70er-Jahre. Schon damals sehr effektiv, um den Puls in Filmen auf einem hohen Niveau zu halten. Auch in Fract OSC verlieren die Töne nicht an Wirkung. Es entsteht ein audiovisuelles Erlebnis, von dem ich mich nur schwer losreißen konnte.

Warum klappt das nicht?

Was nicht bedeutet, dass Fract OSC keinerlei Problemzonen aufweist. Besonders bei den Rätseln vermisse ich an vielen Stellen die Abwechslung. Zu oft wiederholen sich in den drei Hauptbereichen die Aufgaben, wobei nur ihr Schwierigkeitsgrad steigt. Leider verlangen ein paar Hindernisse, mehrere Minuten lang verschiedene Einstellungen von Schaltern auszuprobieren, bis sich endlich das richtige Ergebnis zeigt. Bei solchen Rätseln freut man sich nicht gerade, wenn später noch zwei komplexere Varianten auftauchen. Zwar wisst ihr, was jeder Schalter bewirkt, doch die korrekte Kombination ist ohne Experimente nicht ersichtlich. Thematisch passen diese Aufgaben sicherlich zum restlichen Spiel. Trotzdem erzeugen sie unschöne Erinnerungen und könnten bei manchen Spielern sogar zum frühen Abbruch führen.

Weiterhin erweist sich die Steuerung manchmal als stures Miststück. Um mit eurer Umgebung interagieren zu können, müsst ihr die rechte Maustaste drücken. Ein leichter Filter legt sich dann über den Bildschirm. Erst wenn ihr erneut auf die rechte Maustaste klickt und sie dann gedrückt haltet, dürft ihr euch umsehen. Dieser Vorgang erschwert Interaktionen auf eine extrem unfreundliche und leider auch sinnlose Weise.

"Da man keine festgelegte Reihenfolge vorgibt, dürft ihr die in Neonfarben eingetauchte Welt frei erkunden."

Die leuchtenden Kreise markieren verschiedene Punkte auf der Welt und dienen als Schnellreise.

Darüber hinaus bleibt Fract OSC eine der interessantesten Erfahrungen der letzten Jahre. Selbst Feinde sogenannter Spaziersimulatoren dürfen hier nicht meckern. Immerhin bietet der Titel feste Rätsel und Aufgaben. Sogar an Checkpoints setzt man euch zurück, solltet ihr in einen Abgrund stürzen oder von einem Mechanismus erschlagen werden. Es entfernt nur jegliches Drumherum und lässt euch ohne Eingreifen der Entwickler das Spiel entdecken. So müsst ihr auch das System der Schnellreisepunkte alleine finden und verstehen. Das Durchschauen solch kleiner Aspekte wird zu einer Belohnung.

Wer sich übrigens fragt, wozu ihr die Rätsel löst, erhält keine Antwort in Form einer Handlung. Stattdessen tauchen nach jeder absolvierten Aufgabe neue Teile eines eingebauten Synthesizers auf, mit dem ihr später eure eigenen Tracks erstellen dürft. Überraschenderweise bietet dieser einen hohen Tiefgang, der mich total überforderte. Aber wer von so etwas mehr Ahnung hat, wird sicherlich seinen Spaß haben.

Man kann Fract OSC auf mehrere Weisen erleben und verschiedene Leute werden in ihren Durchgängen unterschiedliche Erfahrungen sammeln. Wer es nur als Rätselspiel betrachtet, kann genauso viel Spaß damit haben wie jemand, der es nur als audiovisuelle Erfahrung ansieht. Andere wiederum könnten an diesen Aspekten weniger Freude haben und es dennoch für die gebotene Freiheit und den cleveren Aufbau als Beispiel für innovatives Spieldesign schätzen. In allen Fällen bleiben kleine Probleme mit der Steuerung und Rätselstruktur zurück. Deswegen sollte man seinen Besuch in der Welt von Fract OSC allerdings nicht absagen. Denn es gehört eindeutig zu den interessantesten Konzepten mit seinem durchgängig beeindruckenden Stil, den ich in dieser Form und Ausarbeitung bisher nicht erleben durfte. Danke dafür.

8 / 10

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Björn Balg Avatar
Björn Balg: Freier Autor und wahrscheinlich der letzte Mensch ohne einen Facebook-Account. Liebt Trash und verbringt zu viel Zeit mit dem Ansehen von Katzenvideos.

Informationen zu unserer Test-Philosophie findest du unter "So testen wir".

In diesem artikel

Fract OSC

PC, Mac

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