Fragile Dreams: Farewell Ruins of the Moon
Von der Schönheit des Vergänglichen
Kleine Fragerunde. Alle mal bitte die Hände heben, die mit dem Begriff „Mono no aware“ etwas anfangen können. Ahh, ich sehe schon, da ist wohl eine kleine Gedächtnis-Auffrischung angebracht. Nun, „Mono no aware“, wörtlich übersetzt der „Pathos der Dinge“, bezeichnet in Japan die Schönheit des Vergänglichen. Vergänglichkeit? War da nicht mal was im Deutsch-Unterricht, als es um den Barock ging? Nicht ganz. Mit dem christlich geprägten „Vanitas-Gedanken“, der den Menschen vor seiner eigenen Hybris warnt, und der oftmals morbiden „Memento Mori“-Symbolik hat das zutiefst buddhistische Motiv des „Mono no aware“ nicht viel gemeinsam.
Bestes Beispiel zum Verständnis ist die Kirschblüte: Die wird in Japan nicht einfach als schön wahrgenommen, weil sie so hübsch rosa ist, sie ist vor allem schön, weil sie nur kurz blüht, weil sie vergänglich ist. Diese Schönheit ist dabei immer mit einer Aura des Traurigen und Tragischen versehen, wodurch einfache Schönheit zu etwas besonderem wird.
Ist euch dieser Gedanke erst einmal geläufig und achtet ihr einmal darauf, dann werdet ihr „Mono no aware“ in zahllosen Spielen japanischen Ursprungs finden: In Mistwalkers Lost Odyssey ist „Mono no aware“ eines der zentralen Motive, aber auch in Final-Fantasy-VII-Heldin Aerith spiegelt sich dieser Gedanke wieder. Kein Spiel hat „Mono no aware“ aber bisher so schön zum Ausdruck gebracht wie Tri-Crescendos wunderschön melancholisches Abenteuerspiel Fragile Dreams.
Der junge Seto ist vielleicht der letzte Mensch auf Erden. Eine unbekannte Katastrophe hat die Menschheit ausgelöscht und nichts als Ruinen zurück gelassen. Als der alte Mann, mit dem Seto gemeinsam in einem Observatorium lebt, schließlich stirbt, macht sich Seto auf den Weg nach Osten.
Dort könnten sich in der Nähe des immer noch hell erleuchteten Tokyo Towers vielleicht weitere Überlebende befinden. Aber Seto ist nicht alleine: Wilde Tiere sind ebenso eine Gefahr wie ruhelose Geister und andere übernatürliche Wesen. Und schließlich trifft Seto auf ein geheimnisvolles Mädchen, das sofort die Flucht ergreift...
Trotz seiner übernatürlichen Gegner will euch Fragile Dreams nicht erschrecken und schocken. Immer wieder erlebt ihr kleine Episoden, die ebenso traurig wie schön sind. Um etwa einen Schlüssel zu bekommen, spielt ihr mit einem einsamen Geistermädchen verstecken und vereinigt sie schließlich wieder mit dem Geist ihrer Mutter. Seht ihr euch gefundene Gegenstände an, dann erzählen sie euch die Erinnerungen ihrer verstorbenen Besitzer... all das ist faszinierend und auch bedrückend – eine ganz eigene Atmosphäre wie man sie in Videospielen nur in den seltensten Fällen erlebt.
Dazu trägt auch die Grafik bei, die ebenso bedrückend wie schön ist. Verfallene Ruinen und überwucherte Gebäude kontrastieren mit atemberaubend schönen Sternenhimmeln und Morgenrot, mitten auf einem verfallenen Bahnhof findet ihr einen flachen Teich voller Seerosen. Besonders faszinierend ist dabei, dass viele der Szenarien auf realen verlassenen Orten in Japan beruhen, die sich die Natur über die Jahre hinweg langsam wieder zurück erobert hat.