Free2Play MMOs
Ist wirklich etwas im Leben umsonst?
Gefahren gibt es genug. Auf eine bin ich schon bei meiner Recherche für diesen Text gestoßen. Dinge, für die wir nichts bezahlen, besitzen meistens weniger Wert für uns. Wenn ich für ein Spiel vierzig Euro ausgebe, dann nehme ich mir Zeit, probiere aus. Und wenn ich nicht weiter komme, suche ich nach Lösungen im Netz. Aber wenn ich es nur runtergeladen habe, fliegt das Ganze viel schneller von der Platte. Die emotionale Investition ist einfach geringer. Der Weg bis zur ersten Mikrotransaktion zu kommen, ist also weiter als man denkt.
Und das Problem addiert sich ganz konkret im Moment. Alleine bei meiner mittelmäßig ambitionierten Recherche bin ich auf wirklich viele verschiedene Titel gestoßen, die alle OK aussahen und auch umsonst waren. Woher soll der potentielle Kunde denn wissen, bei welchem Titel es sich lohnt Geld auszugeben? Wie soll er den Überblick behalten, wenn ich als MMO-Redakteur damit schon Probleme habe?
Die Qualität von so etwas komplexen wie Online-Rollenspielen ist ja schwer nach nur einer halben Stunde einschätzbar. Und die Vorsortierung durch einen Publisher unter dem Gesichtspunkt „Kauft das auch jemand?“ entfällt ja logischerweise. Dennoch hat die Qualität der Spiele extrem zugenommen hat. Atlantica Online oder auch Runes of Magic sind keine Titel, die den Anschein machen, nur mal schnell auf den Markt geworfen zu sein. Auch färbt sich der Trend auf die traditionellen westlichen MMO-Macher ab, die verständlicherweise ebenfalls ihre Zielgruppe erweitern wollen. So denkt EA bei Star Wars: The Old Republic öffentlich über ähnliche Modelle nach.
Genauso auf den Konsolen. Bald werden Champions Online, DC Universe und The Agency die ersten gleichzeitig auch für XBOX360 und PS3 entwickelten Titel an den Start gehen. Aber: der Konsolenspieler ist nicht auf monatliche Abos trainiert (und im Falle von Xbox Live zahlen sie eh schon immer schön an Microsoft). Was Konsolenspieler aber kennen und auch überaus leidenschaftlich nutzen, ist Downloadable Content (DLC). Also extra Content für den sie auch extra Kohle zahlen. Bestes Beispiel neue Songs für Guitar Hero und Rockband. Auch hier gibt’s neue Inhalte gegen Bargeld.
In einem MMO birgt das ganze Modell aber auch große Risiken. Bei Everquest 2 wurde vor kurzem ein Shop-System eingeführt, zusätzlich zu den Abokosten. Dazu sagte Sony Online Entertainments John Smedley in einem Interview Anfang Februar, dass man in Everquest 2 auf keinen Fall „Macht“ verkaufen will. Das würde das Spiel zu sehr ändern und die User verschrecken. Mikrotransaktionen sind für ihn also kein Ersatz für das etablierte Abonnement-Modell, sondern mittelfristig erstmal eine zusätzliche Einnahmequelle.
Eigentlich ganz klug. Wäre es möglich Macht zu kaufen, ist das Ergebnis schnell eine Dynamik wie beim Kartenspiel Magic: The Gathering. Je mehr Geld ich reinstecke, desto besser bin ich. Wenn es nur um PvE Inhalte geht, ist das zwar gefühlt unfair, aber sonst egal. Bei Titeln die auf PvP setzen, kann so etwas alles komplett aus der Bahn werfen. Aber Leute spielen ja nicht nur um zu gewinnen, sondern auch um einfach gut auszusehen. Dafür gibt es den überaus erfolgreichen Handel mit so genannten Vanity-Items. Also Gegenstände, die keinen echten Spielwert besitzen und nur zum Angeben da sind. Ein brennendes Schwert, eine glänzende Rüstung. Ein virtueller Fuchsschwanz. So etwas geht immer.
Nach einigen Stunden Neugier, logge ich am Ende doch wieder in Herr der Ringe Online, Eve Online oder World of WarCraft ein und fühle mich für 12.99 Euro im Monat gut aufgehoben und gleichberechtigt. Die Skepsis bleibt. Im Moment jedenfalls. Denn die Zukunft spricht für free2play. Egal obSonys Free Realms oder Turbines Neues. Alle reden von alternativen Bezahl-Modellen. Vermutlich ist ihnen selber noch nicht klar, wie die genau aussehen sollen, eben weil sie wissen, dass Spieler sehr empfindlich auf große Veränderungen reagieren.
Und wer bis hierhin gelesen hat und sich jetzt denkt, ist ja alles gut und schön, aber ich spiele gar keine MMOs, mir kann das doch voll egal sein. Falsch gedacht. Battelfield Heroes, die unauffällig geklaute Team Fortress 2-Variante von Battlefields, funktioniert auch über Mikrotransaktionen. Mittlerweile gibt es immer mehr Stimmen, die sogar behaupten, dass langfristig fast alle Spiele über solche und ähnliche Kanäle finanziert werden. Dann wird Gegenstand kaufen kein Bonus, sondern ein Muss.
Free ist eben nicht gleich Umsonst. Was mich zu der Schlussfolgerung führt: Nein. Im Leben ist wirklich nichts umsonst. Noch nicht einmal Spielen.
Die andere Frage, ob die Spiele wirklich gut sind, behandeln wir in einer neuen, unregelmäßig erscheinenden Übersicht an Mini-Tests in der nahen Zukunft.