22 Jump Street, Primer, The Purge
Lachkrämpfe, Knoten im Hirn und unendliche Übelkeit.
22 Jump Street
Spielt mit den Erwartungen
Es muss einsam sein in der Liste guter Sequels, die ihre Vorgänger übertrumpfen konnten. Terminator 2, Toy Story 2 oder The Dark Knight sind in dieser Riege die üblichen Verdächtigen. Natürlich kein in Stein gemeißelter Fakt. Aber es sind dennoch Nachfolger, die perfekt auf den Qualitäten des Originals aufbauen konnten.
Und nun gehört auch 22 Jump Street dazu. Ein Film, der genau weiß, was er ist und wie er sich positionieren muss, um nach der Überraschung von 21 Jump Street nicht zu einem Hangover 2 zu werden. Dabei schiebt der Titel den Meta-Humor sowie eine leichte Dekonstruktion von Sequels allgemein direkt an die Front, um anschließend mit den Erwartungen des Zuschauers zu spielen. Ja, oberflächlich betrachtet ist die Prämisse die gleiche. Nur dass die beiden jungen Cops Schmidt (Jonah Hill) und Jenko (Channing Tatum) dieses Mal eine Universität statt einer Schule infiltrieren, um erneut einen Drogenring von innen heraus zu zerstören.
Beide Filme teilen sich mehrere Elemente, bauen diese aber unterschiedlich in ihre Handlung ein und umschiffen gekonnt das Gefühl, alles irgendwie schon einmal erlebt zu haben. Besonders ein netter Twist gegen Mitte des Films sorgt für die wohl besten Szenen und trifft einen komplett unerwartet.
Genau wie sein Vorgänger treibt 22 Jump Street die Handlung pausenlos voran und bombardiert den Zuschauer dauerhaft mit Witzen. Ich kann mich nicht daran erinnern, wann ich das letzte Mal durchgehend so viel und lautstark gelacht habe. Noch immer finde ich es unglaublich, wie perfekt Hill und Tatum sich in ihrem Timing entgegenkommen. Die Chemie zwischen den beiden stimmt einfach und es wäre schade, sie nicht noch einmal als Comedy-Duo zu sehen.
Jedoch nicht in einem weiteren Jump Street, obwohl man sich darüber keine Gedanken zu machen braucht. Denn die Möglichkeit für ein Sequel zerstört der Abspann auf die bestmöglichste Weise. Wenn ihr also befürchtet habt, dass 22 Jump Street in die übliche Falle fauler Nachfolger tappt, könnt ihr sorgenfrei das nächste Kino aufsuchen. (Björn Balg)
Primer
Ich versteh' die Welt nicht mehr
Hin und wieder sieht man einen Film und fragt sich beim Abspann, was überhaupt gerade passiert ist. Donnie Darko ist beispielsweise so ein Streifen, der ohne mehrmaliges Ansehen, die zusätzlichen Szenen des Director's Cut oder das in der Special-Edition enthaltende Buch nur halbwegs Sinn ergibt.
Wenn aber Donnie Darko das Einstiegsseminar komplizierter Handlungsstrukturen darstellt, ist Primer die Abschlussprüfung. Ein Film, der gar nicht erst versucht, dem Zuschauer entgegenzukommen. Exposition ist bloß ein Fremdwort und nur lästiger Ballast. Hier wissen nach der Hälfte der Laufzeit nicht einmal mehr die Charaktere, was genau passiert. Kein Wunder, arbeitet Primer auf mehreren Zeitebenen, die sich überschlagen, kollidieren und generell für Verwirrung sorgen.
Das ganze Abenteuer startet mit zwei Freunden, die zufällig eine Zeitmaschine erfinden. Eine Art Box, in der man sich mehrere Stunden einschließt und so in der Vergangenheit landet. Es dauert nicht lange und das Duo trifft auf mehrere Komplikationen der Zeitschleifen, bei denen es unter anderem zu Auseinandersetzungen mit ihren früheren oder späteren Versionen kommt. Nehmt dann noch die Tatsache hinzu, dass beide abseits der normal präsentierten Geschichte geheime Kisten zum Zeitreisen benutzen, und das Chaos ist komplett.
Daher verstehe ich es, wenn man den Film bereits bei der Hälfte ausschaltet oder nach dem Ende seinen Kumpel verteufelt, der den Mist unbedingt vorschlagen musste. Und auch wenn ich Primer in seiner Struktur für zu abstrakt halte, verbirgt sich hinter dem Zeitschleifensalat eine interessante Handlung, die leider etwas Arbeit zum Entflechten benötigt. Wer zum reinen Verständnis allerdings nicht mehrmals einen Film ansehen will oder stundenlang Internetseiten mit diversen Theorien durchforsten möchte, sollte Primer gleich liegen lassen. Denn in meinen Augen versteckt sich die wahre Freude in der anschließenden Recherche nach Wahrheiten. Ich weiß, es ist eine perverse Vorstellung von Spaß, mit der sich wohl die wenigsten identifizieren können. Möchtet ihr euch aber so richtig das Hirn verknoten lassen, dann ist Primer die beste Wahl.
The Purge - Die Säuberung
The Purge... The Purge... Wie geht man an so etwas heran? Wie nähert man sich so einem Werk? Wie kann man vermitteln, was es bedeutet, was es darstellt, welches Bild es von der Welt zeichnet, wie tief die Existenz seines Erfolgs greift? Vielleicht ist das ein Weg:
The Purge ist das größte Stück cineastische Scheiße, das ich seit Pearl Harbor sah.
Anscheinend hat dieser Film - ich bleibe ab jetzt mal neutral in meiner Bewunderung - eine gewisse Fangemeinde und da draußen sogar Menschen, die sagen, dass die Idee des Films ja nicht nur ganz nett sei - auch euch schaue ich erstaunt an -, sondern geradezu genial. Bitte? Alles, was The Purge wirklich und ganz realistisch darstellt, ist ein mangelndes Verständnis aller beteiligten Schaffenden, wie unsere Welt, die Menschen in ihr und die Gesellschaft funktionieren. Das ist der dümmste Film, den ich je gesehen habe. Seit Pearl Harbor.
Eine kurze Zusammenfassung sollte reichen klarzumachen, warum das so ist. In einer sehr nahen Zukunft - in ein paar Jahren oder so - wird es in den USA ein Gesetz geben, dass einmal im Jahr für eine Nacht alle Verbrechen inklusive Mord legal sind, solange sie in diesem Zeitfenster verübt werden. Dieses geniale Gesetz ganz allein - wirklich nur das, alles andere ist ganz normal, sonst ist nichts anders - sorgt dafür, dass es seitdem keine Verbrechen mehr gibt. Oder so, denn der Film erzählt alle fünf Minuten, dass das total super ist, weil die Gesellschaft sich so einmal im Jahr selbst reinigt. Sozialdarwinismus für Komplettidioten halt. Vor allem die, die nicht wissen, was Sozialdarwinismus ist.
Da der Film mit seiner Stimmung und seinem Ton schnell klarmacht, dass es keine Komödie ist, dachte ich, dass die nächsten zwei Stunden ein spektakulärer Battle Royale auf mich zukommt. Alle gegen alle, Chaos und Anarchie, ein Trash-Massaker-Super-Blutfest, Schlachtespaß!!! Hirn aus und Gore an. Was sonst sollte aus dermaßen brutalem Gedankendurchfall entstehen? Etwa ein ernstgemeinter Thriller?
Oh ja, der Film versucht es. Er scheitert gnadenlos, und zwar nicht nur wegen und sicher nicht trotz seiner Prämisse. Der ganze Film dreht sich darum, dass ein paar Wohlstands-Teenager einen Penner töten wollen, just for fun, weil es in dieser Nacht ja legal ist. Ethan Hawke und seine Familie lassen den armen Kerl rein und dann wollen die Teenies rein und irgendwie alle killen oder auch nicht, was weiß ich, der Film weiß selbst nicht genau, wer jetzt sterben soll und warum.
Der größte Witz ist, dass statt der schwachsinnigen „Eine Nacht ist alles OK"-Idee ein durchgeschnittenes Telefonkabel zu einem weit besseren Film geführt hätte. Ganz klassisches Setting: draußen böse, unheimliche Menschen - oder wie in diesem Falle sehr peinliche und lustige, aber zumindest gewaltbereite Menschen -, drinnen Familie, die sich für eine Nacht verteidigen muss und nicht raustelefonieren kann. Völlig in Ordnung, kann ein guter, spannender Film werden. Aber so verbringt man zwei Stunden mit einem prätentiösen Unfall, von dem man hofft, dass keiner ihn so ernst meinte, wie er hier gezeigt wurde. The New Founding Fathers? FOR FUCKING REAL?
Lassen wir außen vor, dass der Film das Grundverständnis für das, was er so toll präsentieren will, nämlich dunkle Teile der menschlichen Psyche, an der Tür abgab, bleibt am Ende eine schlechter, oft grenzpeinlicher Thriller mit der bescheuertsten Hintergrundgeschichte, die ich je in einem solchen hörte. Ich will nicht meine zwei Stunden wiederhaben. Ich will noch obendrauf die drei wiederhaben, die ich für Pearl Harbor ausgab. Weil The Purge von Bay mitproduziert wurde. Und dabei wollte ich genau hier den Mann eigentlich für Pain & Gain loben. (Martin Woger)