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A World Beyond ("Tomorrowland" - 2015)

Ein verkanntes, kleines Juwel.

Regie: Brad Bird
Buch: Brad Bird, Damon Lindelof
Darsteller: Britt Robertson, George Clooney, Raffey Cassidy, Hugh Laurie

Eine unterschätzte Ode an den Optimismus

A World Beyond - oder Tomorrowland, wie der Streifen ursprünglich heißen sollte, in Europa aus rechtlichen Gründen aber nicht durfte - ist ein seltsamer Film. Nicht der Film an sich, der ist klasse. Aber es wundert, dass er so schlimm gefloppt ist. 190 Millionen hat Brad Birds ("The Incredibiles", "Mission Impossible: Ghost Protocol") Zukunftsmusik mit George Clooney in einer zentralen Rolle gekostet, was er weltweit mit Ach und Krach wieder eingespielt hat. Die Kritik war auch alles andere als begeistert und so setzte auch ich ihn vorerst aus, obwohl Bird mit "Der Gigant aus dem All" (The Iron Giant) einen meiner Lieblingsfilme auf dem Kerbholz hat.

Und ich muss sagen, im Nachhinein bin ich sauer, dass nicht nur ich einem wundervollen Film Unrecht getan habe, sondern auch ein guter Teil vom Rest der Kinogänger, beziehungsweise der eigentlich interessierten Zuhausebleiber. Tomorrowland ist 130 Minuten hochkonzentrierter Disney-Zauber, wie ihn das Studio im Realfilmbereich schon seit Jahrzehnten nicht mehr hinbekam. Mit dem Abstand von einem guten halben Jahr ist allerdings durchaus verständlich, wieso viele Leute im Frühjahr mit dem Stoff nichts anfangen konnten: Er ist einfach unverbesserlich sentimental und beinahe naiv optimistisch. Einfach schön eben.

Der Film beginnt mit dem jungen Erfinder Frank Walker (Thomas Robinson, sehr überzeugend als achtjähriger George Clooney). Irgendwann in den 60ern stellt er auf einer Weltausstellung sein selbst erfundenes Jetpack vor, das er entwarf, weil er "nicht länger darauf warten wollte, dass es jemand anderes macht" (sinngemäß). Durch das geheimnisvolle Mädchen Athena (zauberhaft gespielt von Raffey Cassidy) erfährt er, dass der Erfinderwettbewerb nur ein Vorwand ist, um die hellsten Geister für das Projekt Tomorrowland zu gewinnen, das im Herzen die Disney-Version von Bioshocks Rapture darstellt. Große Geister sollten hier tun und lassen, was sie wollten, und nachdem man den Ayn-Rand-Spuckreflex runtergeschluckt hat und sieht, wie sie das meinen, hält man das auch für eine Weile für eine gute Idee. Auch, dass sich Frank hier einschleicht. Hier, im Land der Erfindungen und an Athenas Seite, scheint er bestens aufgehoben.

Mit dem Schnitt in die Neuzeit verfolgen wir anschließend die geniale Teenagerin Casey Newton, die hoffnungsfroh in die Sterne schaut und des Nachts aus schierem Idealismus - und aus Angst um den Job ihres Vaters als NASA-Ingenieur - die geplante Abwicklung von Cape Caneveral mit einigem Erfindergeist sabotiert. Als sie auf unerklärliche Weise in den Besitz eines geheimnisvollen Ansteck-Pins gelangt, der sie in eine beeindruckende Zukunfts-Utopie versetzt, sobald sie ihn berührt, macht sie sich auf der Suche nach diesem wundersamen Land und trifft bald auf einen zynischen, alten Frank Walker, der mit dem Jungen von damals nichts mehr gemein hat.

Man kann dem Film viel vorwerfen. Dass er nach bester, turbulenter Familienunterhaltung aussieht und dann plötzlich aus der Hüfte ein paar Menschen nicht unbedingt brutal, aber wenig disneyhaft desintegriert. Dass die Auflösung der sich - natürlich - um die Rettung der Welt drehenden Geschichte abwechselnd verklausuliert und moralpredigend daherkommt. Dass die erste Hälfte so unermesslich viel besser ist als die zweite. Aber er ist zu keiner Sekunde langweilig. Tatsächlich hat der Film ein ausgezeichnetes Tempo, fantastische, schnippische Dialoge, die dafür sorgen, dass man diese Figuren einfach mag, viel Situationskomik und ein riesiges Herz. Zwei Schlüsselszenen rühren besonders zu Tränen, was ich am Samstagmorgen - den Film zwischen zwei Flügen am Brüsseler Airport schauend - zur Schau trug, wie der moderne Mann, der ich nun mal bin.

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Tomorrowland hat eigentlich keine großartige Botschaft, die man nicht schon hundertmal gehört hätte, und natürlich ist viel von dem, was hier passiert, so unerschütterlich bläugig, dass man meinen könnte, ein Rudel Kinder hätte ihn gedreht. Aber das ist gerade der Punkt: Er wirft einen unverdrossen in eine Zeit zurück, in der ein zufälliger Disneyfilm beim Zappen am Sonntagvormittag das Höchste der Gefühle war, egal, ob man ihn schon ein Dutzend Mal gesehen hat. Aufregung, Abenteuer und das schöne Gefühl, gerade Zeuge von etwas Reinem und Unverdorbenem zu werden, machen sich über zwei Stunden und ein Bisschen breit. Man rätselt, fiebert mit und hat über den Wortwitz und visuellen Einfallsreichtum eine ganze Menge zu lachen, nur um am Ende sein Herz an die Charaktere zu verlieren. Die gute alte Disney-Magie eben.

Dass so etwas auf imdb nur 0,2 Punkte über dem dritten Transformers rangiert, das ist mir wahrhaft unerklärlich.

A World Beyond (Tomorrowland) ist DVD und Blu-ray sowie digital erhältlich.


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Alexander Bohn-Elias Avatar
Alexander Bohn-Elias: Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.
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