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Bosch

Ja, das von den Plakaten, die überall hängen!

Creator: Michael Connelly, Eric Overmyer
Darsteller: Titus Welliver, Jamie Hector, Amy Aquino, Lance Reddick, Annie Wersching, Sarah Clarke, Jason Gedrick

Amazons Serie Bosch ist wie ein gutes Buch. Man mag es einfach nicht zur Seite legen und nur noch ein Kapitel lesen beziehungsweise anschauen. Da passt es ganz gut, dass auch die Titel der jeweiligen Folgen mit „Erstes Kapitel", „Zweites Kapitel", etc. eingeleitet werden. Gleichermaßen ist es natürlich dem Ausgangsmaterial geschuldet, denn die Serie basiert auf den Harry-Bosch-Romanen von Michael Connelly (zugegeben, ich hörte zum ersten Mal davon), in diesem Fall konkret auf den Romanen Kein Engel so rein (2002) und Die Frau im Beton (1994). Für Amazon wurde die Serie wiederum von Eric Overmyer adaptiert.

Im Mittelpunkt der Serie steht Hieronymus „Harry" Bosch, Detective der Mordkommission des LAPD, der sich nicht immer ganz an die Regeln hält. Im Gegensatz zu den Büchern gibt es ein paar Unterschiede und die Serie zeigt etwa eine schon ältere Version des Charakters, der sich von seiner Frau scheiden ließ und eine Tochter im Teenageralter hat. Er wohnt übrigens in einem Haus am Rand von Los Angeles mit fantastischem Ausblick auf die Stadt. Das konnte er sich leisten, weil einer seiner früheren Fälle von Hollywood verfilmt wurde, wenn auch eher schlecht als recht.

Die erste Staffel dreht sich im Grunde um drei Hauptthemen: Einerseits läuft ein Zivilprozess gegen Bosch, weil er einen offenbar unbewaffneten Mann erschossen haben soll. Andererseits beschäftigt er sich mit zwei größeren Fällen, nämlich der entdeckten Leiche eines Jungen an einer abgelegenen Stelle in einem Canyon und einem Katz-und-Maus-Spiel mit dem vermeintlichen Serienkiller Raynard Waits - übrigens hervorragend gespielt von Jason Gedrick, ein richtig unsympathischer Charakter. Ansonsten gibt es auch noch die üblichen kleineren Nebenschauplätze, etwa Boschs Beziehung zu einem Officer, Reibereien mit seinem Captain sowie Machtspielchen zwischen dem Deputy Chief (Lance Reddick) und dem Bezirksstaatsanwalt (Steven Culp).

Zugegeben, Bosch erfindet das Rad in keiner Sekunde neu, schafft es aber dennoch, dass ihr am Ball bleibt - wie schon gesagt, es ist wie ein gutes Buch. Einen nicht unwesentlichen Anteil daran hat auch Bosch-Darsteller Titus Welliver, der hier einwandfreie Schauspielarbeit abliefert, was übrigens auch für den Rest der Besetzung gilt. Mitunter sieht man ihm förmlich an, wie es in gewissen Momenten in ihm zu brodeln scheint. Ihr bekommt ein Gefühl dafür, was wirklich in ihm vorgeht und warum er nicht von allen Kollegen geschätzt wird, um es mal freundlich auszudrücken. Er hält sich aber weitestgehend zurück und ist kein echter Anti-Held, aber ebenso wenig ein richtiger Held, sondern irgendwo mittendrin. Manchmal wünscht man sich fast, er würde seine angestaute Wut mal rauslassen.

Die Gründe für sein Verhalten werden aber auch im Verlauf der Staffel klar, denn mit beiden Fällen verbindet ihn mehr als nur sein Beruf. Gleichzeitig verleihen seine eigenen Erlebnisse dem Charakter Bosch selbst mehr Tiefe und zeigen, warum er vielleicht so handelt, wie er es eben tut. Er war nicht immer stolz auf seine Vergangenheit, hat aber - im Gegensatz zu anderen - die Kurve gekriegt und kämpft für die gute Seite, auch wenn er dabei gerne mal die Regeln beugt.

Eine allzu harte und düstere Polizeiserie à la The Shield solltet ihr euch von Bosch jedoch nicht erwarten. Gleichermaßen ist die Serie nicht über alle Maßen stilisiert, sondern schlicht und ergreifend... normal, könnte man sagen. Was nicht heißt, dass sie langweilig wäre, ganz im Gegenteil. Das Erzähltempo ist weder zu rasant noch zu langsam, aber es hält euch bei der Stange - muss ich noch mal den Buchvergleich bringen? Jedenfalls: Auch wenn ihr die Romane nicht kennt, könnt ihr euch die Serie bedenkenlos anschauen, ohne das Gefühl zu haben, dass ihr etwas verpasst oder nicht wisst.

Zugleich ist Bosch - eine zweite Staffel wurde übrigens schon bestellt - ein weiterer Beweis dafür, dass in Zukunft mit den Amazon Studios zu rechnen ist, was die Produktion von Serien anbelangt. Seit kurzem sind die zehn Folgen der ersten Staffel übrigens auch in deutscher Sprache für Prime-Mitglieder verfügbar. Und mir ging es hier ähnlich wie zuletzt bei Sense8: Freitags angefangen, Sonntagabend war ich schon durch mit der Staffel. "Binge watching at its finest". Wie konnte ich früher nur Serien im wöchentlichen Abstand schauen?

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Jeder Mensch braucht mal Abwechslung. Wir alle mögen Kino, also schreiben wir (fast) immer freitags über Filme oder Serien. Keine Sorge, wir versuchen nicht, etablierten Filmkritikern große Konkurrenz zu machen, sondern einfach nur zu berichten, wie ein Film auf uns wirkte und ob wir dazu raten würden, ihm eine Chance zu geben. Welche Filme oder Serien das sind, hängt davon ab, was derjenige Autor in den letzten Wochen sah. Wir unterwerfen uns jedenfalls nicht vollends dem Diktat der Aktualität.

Es können aktuelle Blockbuster, ausgemachtes Genre-Kino, aber auch Arthouse-Geheimtipps sein, die noch im Filmspielhaus um die Ecke laufen. Die neueste Netflix-Serie kommt ebenso unter die subjektive Lupe wie ein alter HBO-Liebling, der sich nach Jahren unserem unter Umständen veränderten Geschmack stellen muss. Ebenso werden immer wieder nach Ewigkeiten wiederentdeckte Schätze zur Sprache kommen, überbewertete Klassiker oder unterschätzte Perlen. Wie gesagt, wir wollen euch damit nur ein wenig Diskussionsstoff über das zweitbeste Geek-Hobby liefern - und ein paar Inspirationen, was sich vielleicht lohnen könnte. Wir hoffen, euch macht die Rubrik genau so viel Spaß wie uns, auch wenn diese Sorte Unterhaltung zur Abwechslung mal nur bedingt interaktiv ist.

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Benjamin Jakobs Avatar
Benjamin Jakobs ist Leitender Redakteur, seit 2006 bei Eurogamer.de und schreibt News, Reviews, Meinungen, Artikel und Tipps.
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