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Daredevil (2015), Agents of S.H.I.E.L.D. Staffel 1

Marvels "Batman" und Marvels "Akte X meets Scooby Doo"

Daredevil, Season 1 (2015)

Creator: Drew Goddard
Darsteller: Charlie Cox, Vincent D'Onofrio, Deborah Ann Woll, Elden Henson

Marvels neue Serie setzt den Maßstab für Superhelden-TV-Formate!

Marvel-Fans, die bis hierhin noch verleugneten, dass Daredevil nicht mehr, aber auch nicht weniger als Stan Lees Batman ist, haben nach Netflix' 13 Daredevil-Episoden, seit letztem Freitag zum Streamen bereit, einen schweren Stand. Der erste Part des Defender-TV-Offensive - Jessica Jones, Luke Cage, Iron Fist und eben die Zusammenlegung der Defenders in einer eigenen Staffel folgen - ist so hart und düster wie kein anderes Marvel-Werk. Zum Glück ging Drew Goddard (Cabin in the Woods) den Nolan-Weg aber nicht bis zum Ende. Die Drehbücher spendieren den Figuren Unmengen an schnippischen Dialogen und guter Charakterchemie, zumindest bei Tag. Das Resultat ist eine beinahe kinoreife und durchweg unterhaltsame, stellenweise sogar imponierende Mischung hochwertigster Fernsehunterhaltung.

Nach wenigen Folgen fällt auf: Man muss nicht unbedingt Superhelden-Fan sein, um Daredevil reizvoll zu finden. Zwar finden sich Dutzende große und kleine Anspielungen auf den erweiterten Marvel-Kosmos, die Comic-Leser in Verzückung setzen werden. Freunde harter Crime-Serien holt dieser nachtschwarz schillernde und bei angeknipstem Licht häufig genug herzerwärmende Thriller jedoch ebenso mit Leichtigkeit ins Boot, wenn der nicht so wirklich blinde Rächer des Nachts die Pläne des Kingpin durchkreuzt (auch wenn Wilson Fisks Alias nicht einmal fällt).

Lange, lange ist Matt Murdocks nächtlicher Schläger in einem selbstgemachten besseren Pyjama unterwegs. Erst, als er gegen Schluss den roten Teufelspelz überstreift, merkt man wieder, dass man sich eigentlich im Erdgeschoss des Avengers-Universums befindet. In einem Hell's Kitchen, New York, das nach der durch Loki verursachten Chitauri-Attacke recht erfolglos seine Wunden leckt - und das ist nur eine der gelungenen Modernisierungen der Geschichte. Immerhin ist das echte Hell's Kitchen heute nur noch ein No-Go-Area, wenn man allergisch auf Cappucino-to-go und übergroße Hornbrillen reagiert. Matt Murdock und Fisk von hier in einen tatsächlichen aktuellen Problembezirk zu zerren, wäre nicht halb so elegant gewesen

Vor diesen Vorzeichen bastelt Goddard nicht nur Daredevils Origin-Geschichte, sondern auch die Wilson Fisks. Zwei Männer, die fest davon überzeugt sind, das beste für den Bezirk zu wollen. Wer hat Recht? Nun, das kann man streckenweise beinahe nicht so genau sagen, so nah fahren Goddard und seine Autoren bisweilen an den Kingpin heran. Es hilft, sich ins Gedächtnis zu rufen, welcher von beiden die halbe Polizei in der Tasche hat und im großen Stil mit Heroin dealt. Vincent D'Onofrio gibt den fleischigen Verbrecherkönig mit annähernd aspbergerscher Persönlichkeitsstörung und haargenau einer Schwäche. Gefährlich, unberechenbar, alles Menschliche nur emulierend. Nicht ganz Mads Mikkelsens Hannibal, aber fast. Wenn man zwischendurch mal wieder vergisst, dass man eine Superheldensendung schaut, meint man fast, er könnte sich auf einen Golden Globe einstellen, so gut spielt er hier.

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Aber auch der Rest der Besetzung passt ganz fantastisch auf die Charaktere. Charlie Cox ist ein entzückender Matt Murdock, auch wenn ihm für meinen Geschmack ein paar Zentimeter Länge und ein markigeres Kinn zu einem wirklich einschüchternden Daredevil fehlen. Elden Hensons Foggy ist weit mehr als "comedic relief", sondern das mit allen Anwaltswassern gewaschene Herz dieses Gespanns und Deborah Ann Woll hat zum Glück auch nach True Blood noch eine Serie mit Profil gefunden, die ihrem beachtlichen Charme eine Bühne bietet. In der Mitte verlieren einige Episoden etwas an Tempo und das fertige Daredevil-Kostüm macht gegen das von Ben Affleck - mir egal, was ihr sagt - keinen Stich. Doch dort wo es zählt, in der Handlung, den Dialogen und der Inszenierung - der Korridor-Kampf in der zweiten Folge, der komplett ohne Schnitt auskommt, ist (leider) einsame Spitze - beweist Marvel, dass es sich nach dem Kino nun auch das TV-Format endgültig zu eigen gemacht hat. (Alexander Bohn-Elias)


Agents of S.H.I.E.L.D. Season 1

Creator: Garry A. Brown
Darsteller: Clark Gregg, Ming-Na Wen, Brett Dalton, Chloe Bennet

Marvels alte Serie setzt (noch) nicht den Maßstab für Superhelden-TV-Formate!

Wenn ihr diesen Monat nur eine Serie guckt... dann lasst es nicht Agents of Shield sein. Nehmt Daredevil! Nehmt House of Cards, nehmt West Wing, nehmt... nun, nicht irgendwas anderes. Aber etwas Besseres zu finden ist nicht so schwer. Aber solltet ihr starten, dann schaut das erste Dutzend Folgen oder so in einem Zustand, der keine maximale Aufmerksamkeit erfordert. Ich wurde von einer Grippe niedergestreckt, das ist kein schlechter Zustand, nebenbei während der Hausarbeit ist in Ordnung, so was in der Richtung. Es sind diese Art von Folgen, etwas, dem das Gehirn komplett im Autopilot folgen kann, wobei man auch mal ein wenig eindöst und nicht das Gefühl hat, etwas verpasst zu haben. Die Einführung in die Welt einer kleinen, recht autark vor sich hin die Welt rettenden Truppe von Möchtegern-Super-Agenten ist fast schmerzhaft klischeeerfüllt, handlungsunterfüttert, mit nur gelegentlich aufblitzenden Momenten eines Metaplots, der recht interessant scheint, und ein paar Figuren, aus denen mal was werden könnte.

Entweder Superagenten oder die neue Collection von P&C.

Die gute Nachricht ist, dass aus den meisten was wird und sogar die tranige Shield-Truppe selbst gewinnt nach einem einschneidenden Erlebnis deutlich. Dieses wäre der zweite Captain-America-Film und weiteres zu verraten, würde bedeuten- nicht nur Shield, sondern auch diesen Film zu spoilern. Beginnen wir lieber damit, wie euch die ersten Folgen belästigen. Da wohl inzwischen so ziemlich jeder irgendwann mal Avengers gesehen haben dürfte, sollte der Begriff der Geheimagenten-Supermacht Shield bekannt sein. Auch, dass ihr illustrer Agent Coulson - gespielt von Clark Gregg, guter Mann - in diesem netten Streifen dahingerafft wurde. Oder auch nicht. Gleich in den ersten zehn Minuten spaziert er fröhlich grinsend auf den Schirm und lebt in Folge in seiner eigenen bipolaren Welt aus 90 Prozent sphinxenhafter Grinsekatze und 10 Prozent emotionalem Overkill.

Das scheint zwar begrenzt, hat aber immer noch mehr Bandbreite als der Rest. Zwei natürlich englische Super-Wissenschaftler, gezüchtet im Harry-Potter-Labor und mit Anfang 20 oder knapp drunter, lässt sich schwer sagen, Modell Eins männlich, Modell zwei weiblich, Neurosen reichlich vorhanden. Die beiden fürs Grobe schlagen in die gleiche Richtung. Die Rolle der hier dauerangepissten Lucy Liu aus Charlies Angels übernimmt Ming-Na Wen - hatte auch schon interessantere Rollen -, den James Bond für Arme mimt Brett Dalton, beide schaffen es für lange Zeit hinreißend frei einer über das hinausgehenden Emotion ihr Werk zu verrichten. Als freies Element dient Chloe Bennet, die als Super-Hackerin frisch rekrutiert in das ganze Konzept der Weltüberwachung noch hereinfinden muss. Zusammen zieht das sich seiner Chemie sowohl on- als auch offscreen unsicher wirkende Kabinett um die Welt und löst mysteriöse Fälle.

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Da Marvel aber zum Glück wohl klar war, dass das selbst Akte X schon besser und Scobby Doo kindgerechter ablieferte, weben sie in die ersten belanglosen Folgen immer mehr Meta-Plots ein, von denen einige sich zum Schluss sogar als stark entpuppen. Gerade Coulson und seine Wiederauferstehung von den Toten zieht sich als solider roter Faden nach einem Weilchen immer fester durch die Folgen und wie gesagt, ab Folge 17, dem Zeitpunkt, zu dem Captain America 2 in die Kinos kam, dreht sich eh vieles auf den Kopf. Nun, nicht alles. Am Ende der ersten Staffel steht man in der Team-Konfiguration immer noch ein klein wenig da, wo man startete, aber nicht nur die Welt um sie hat sich deutlich gedreht. Auch die Figuren und die Rollen, die sie in der Konstellation spielen, haben endlich etwas mehr zueinander gefunden und mäandern nicht nur in platten Klischees herum. Nun, manchmal wenigstens nicht, aber es ist okay. Vor allem im Vergleich zum Start.

Ich habe Staffel 2 noch nicht gesehen, da ich es mir zur Regel machte, zu warten, bis eine Season komplett ist. Ich hoffe aber, dass es jetzt durchstartet, denn Agents of Shield hat sich in seiner ersten Runde deutlich entwickelt und viel von seinem Anfangsballast abgeworfen. Es wäre schade, wenn dieser mit viel Langeweile in den ersten Folgen teuer erkaufte relative Sprung nicht noch ausgebaut werden würde. Als Fazit? Nun, Fans des Marvel-Universums werden ganz ordentlich unterhalten. Man sieht, dass das alles nicht sooo teuer war, aber die beliebte Figur des Coulson wird sie sicher durchbringen. Alle anderen, die dem insgesamt beeindruckend produzierten Universum nicht so geneigt sind, werden es weder durch den zähen Start schaffen, noch werden sie großartig am Ende entlohnt. Es bleibt am Ende ein fast schon kindgerechter Lückenfüller zwischen großen Filmen. Hoffen wir auf Staffel 2 und haken das hier größtenteils unter "man muss ja mal mit was anfangen" ab. (Martin Woger)

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